Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Warum Corona besonders Frauen belastet
INTERVIEW MIT LAURA FRÖHLICH Buchautorin Laura Fröhlich zeigt in einem Online-vortrag auf, warum vor allem Mütter Fürsorge-arbeit leisten.
VOERDE/KREIS WESEL Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, sei schon schwer genug – die Corona-pandemie aber habe deren Vereinbarkeit zu einer besonders hohen Herausforderung gemacht, erklärt die Journalistin und Buchautorin Laura Fröhlich. Das Sich-zerreißen zwischen Haushalt, Homeoffice und Hausaufgaben führe dazu, dass die mentale Belastung („Mental Load“) ins Unermessliche steige. Im familiären Kontext bedeute dies eine gewaltige Menge an Dingen, die zu tun sind, die konzipiert, geplant und ausgeführt werden müssten. Die mentale Belastung sei dabei konstant vorhanden und unsichtbar, denn Fürsorge-arbeit „ist unbezahlt“– und werde „unverhältnismäßig oft von Frauen ausgeführt“, konstatiert Fröhlich.
Das Thema greift nun die Arbeitsgemeinschaft der sozialdemokratischen Frauen (ASF) in der SPD Voerde auf und lädt Interessierte im Kreis Wesel zu einer digitalen Begegnung mit Laura Fröhlich am Sonntag, 18. April, ein. In dem Online-vortrag, der um 11 Uhr beginnt, möchte sie die gesellschaftlichen Hintergründe dafür aufzeigen, warum sich Frauen für die Fürsorge-arbeit und Männer für das Familieneinkommen verantwortlich fühlen, und Möglichkeiten darlegen, die Arbeit zu Hause sichtbar zu machen und fair zu verteilen. Wir haben die Referentin, die mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in der Nähe von Stuttgart lebt, im Vorfeld der Veranstaltung zu dem Thema befragt.
Frau Fröhlich, Sie sprechen davon, dass die Fürsorge-arbeit in den Familien, das Kümmern um Haushalt und Hausaufgaben neben dem Nachgehen des eigenen Berufes, insbesondere an den Frauen hängen bleibt – verstärkt noch einmal durch die Corona-krise. Warum sehen sich Ihrer Meinung nach hier immer noch eher Frauen als Männer in der Verantwortung?
LAURA FRÖHLICH Weil die stereotypen Rollenbilder stärker in unserer Gesellschaft verankert sind, als wir meinen. Sobald Frauen Mutter werden, werden sie verantwortlich gemacht, sich um Kinder zu kümmern. Sei es von der Gesellschaft, von Verwandten, Arbeitgeberinnen etc. Frauen, die früh wieder erwerbstätig sein wollen, wird diese Tatsache angelastet. Seit Jahrhunderten glauben wir an den Mythos Mama, dass Frauen das Kümmern scheinbar besser könnten. Auch Haushalt und Familienorganisation sehen wir in ihrem Aufgabenbereich, und wenn dann noch so etwas wie Corona hinzukommt, ist es kein Wunder, dass sich Mütter für das Homeschooling stärker verantwortlich fühlen als Männer. Sie reduzieren ihre Erwerbstätigkeit oder versuchen, alles zu vereinbaren – und sind so schnell auf einem besonders hohen Stress-niveau oder finanziell abhängig von ihrem Partner.
Sie sagen, die daraus resultierende, besonders Mütter betreffende mentale Last raube nicht nur Ressourcen für Hobbys und verhindere Erholung und Selbstfürsorge, sondern führe auch zu finanziellen Nachteilen. Inwiefern ist das so? FRÖHLICH Wer viel Care-arbeit im Privaten macht, sich also kümmert und unbezahlte (und oft unsichtbare) Arbeit verrichtet, kann natürlich weniger erwerbstätig sein und verdient weniger Geld. Frauen haben oft im Alter eine geringe Rente, weil sie sich lange Zeit um Kinder oder Angehörigen gesorgt haben. Die paar Rentenpunkte für die Kindererziehung reichen leider bei weitem nicht aus. Dazu kommt, dass die mentale Belastung nachweislich verhindert, Karriere zu machen. Da gibt es eine spannende Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting zu. Wer weiß, dass die Arbeit zu Hause an ihm oder ihr hängen bleibt, möchte die Stunden im Job nicht aufstocken oder den nächsten Karriereschritt planen. Manchmal steht dann sogar zur Debatte, den Job ganz aufzugeben. Das ist natürlich mit einem sehr hohen finanziellen Risiko verbunden und müsste meiner Meinung nach immer mit einer finanziellen privaten Absicherung kombiniert werden.
In Ihrem Online-vortrag wollen
Sie Tipps geben, wie Paare die Arbeit zuhause fairer verteilen können. Was ist Ihrer Einschätzung nach die wichtigste Voraussetzung dafür?
FRÖHLICH Eine gute Kommunikation und Gespräche über die mentale Belastung. Wenn beide Partner bereit sind, darüber zu reden, sich auf die Last des anderen/der anderen einzulassen und zu erkennen, dass es keine individuelle Schuld ist, sondern ein gesellschaftliches Problem, haben sie schon viel gewonnen. Nur wenn das Problem klar hervortritt, kann man auch Lösungen finden.
Warum ist Ihr Vortrag auch für Männer interessant?
FRÖHLICH Weil man das Problem nur gemeinsam löst. In meinem Vortrag geht es eben nicht darum, dass sich Männer zu wenig kümmern. Es geht darum, warum sich Frauen verantwortlich fühlen, wie Paare darüber ins Gespräch kommen und welche Veränderungen möglich sind. Mentale Belastung betrifft immer die ganze Familie und weniger Stress und Konflikte sind ein Zugewinn für Kinder UND Eltern. Ganz besonders wichtig ist es aber, die Belastung vieler Mütter durch die Familienorganisation sichtbar zu machen. Was nicht bedeutet, dass es nicht auch betroffene Väter gibt, man denke nur an all die alleinerziehenden Eltern.