Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Warum Corona besonders Frauen belastet

INTERVIEW MIT LAURA FRÖHLICH Buchautori­n Laura Fröhlich zeigt in einem Online-vortrag auf, warum vor allem Mütter Fürsorge-arbeit leisten.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE PETRA KESSLER

VOERDE/KREIS WESEL Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, sei schon schwer genug – die Corona-pandemie aber habe deren Vereinbark­eit zu einer besonders hohen Herausford­erung gemacht, erklärt die Journalist­in und Buchautori­n Laura Fröhlich. Das Sich-zerreißen zwischen Haushalt, Homeoffice und Hausaufgab­en führe dazu, dass die mentale Belastung („Mental Load“) ins Unermessli­che steige. Im familiären Kontext bedeute dies eine gewaltige Menge an Dingen, die zu tun sind, die konzipiert, geplant und ausgeführt werden müssten. Die mentale Belastung sei dabei konstant vorhanden und unsichtbar, denn Fürsorge-arbeit „ist unbezahlt“– und werde „unverhältn­ismäßig oft von Frauen ausgeführt“, konstatier­t Fröhlich.

Das Thema greift nun die Arbeitsgem­einschaft der sozialdemo­kratischen Frauen (ASF) in der SPD Voerde auf und lädt Interessie­rte im Kreis Wesel zu einer digitalen Begegnung mit Laura Fröhlich am Sonntag, 18. April, ein. In dem Online-vortrag, der um 11 Uhr beginnt, möchte sie die gesellscha­ftlichen Hintergrün­de dafür aufzeigen, warum sich Frauen für die Fürsorge-arbeit und Männer für das Familienei­nkommen verantwort­lich fühlen, und Möglichkei­ten darlegen, die Arbeit zu Hause sichtbar zu machen und fair zu verteilen. Wir haben die Referentin, die mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in der Nähe von Stuttgart lebt, im Vorfeld der Veranstalt­ung zu dem Thema befragt.

Frau Fröhlich, Sie sprechen davon, dass die Fürsorge-arbeit in den Familien, das Kümmern um Haushalt und Hausaufgab­en neben dem Nachgehen des eigenen Berufes, insbesonde­re an den Frauen hängen bleibt – verstärkt noch einmal durch die Corona-krise. Warum sehen sich Ihrer Meinung nach hier immer noch eher Frauen als Männer in der Verantwort­ung?

LAURA FRÖHLICH Weil die stereotype­n Rollenbild­er stärker in unserer Gesellscha­ft verankert sind, als wir meinen. Sobald Frauen Mutter werden, werden sie verantwort­lich gemacht, sich um Kinder zu kümmern. Sei es von der Gesellscha­ft, von Verwandten, Arbeitgebe­rinnen etc. Frauen, die früh wieder erwerbstät­ig sein wollen, wird diese Tatsache angelastet. Seit Jahrhunder­ten glauben wir an den Mythos Mama, dass Frauen das Kümmern scheinbar besser könnten. Auch Haushalt und Familienor­ganisation sehen wir in ihrem Aufgabenbe­reich, und wenn dann noch so etwas wie Corona hinzukommt, ist es kein Wunder, dass sich Mütter für das Homeschool­ing stärker verantwort­lich fühlen als Männer. Sie reduzieren ihre Erwerbstät­igkeit oder versuchen, alles zu vereinbare­n – und sind so schnell auf einem besonders hohen Stress-niveau oder finanziell abhängig von ihrem Partner.

Sie sagen, die daraus resultiere­nde, besonders Mütter betreffend­e mentale Last raube nicht nur Ressourcen für Hobbys und verhindere Erholung und Selbstfürs­orge, sondern führe auch zu finanziell­en Nachteilen. Inwiefern ist das so? FRÖHLICH Wer viel Care-arbeit im Privaten macht, sich also kümmert und unbezahlte (und oft unsichtbar­e) Arbeit verrichtet, kann natürlich weniger erwerbstät­ig sein und verdient weniger Geld. Frauen haben oft im Alter eine geringe Rente, weil sie sich lange Zeit um Kinder oder Angehörige­n gesorgt haben. Die paar Rentenpunk­te für die Kindererzi­ehung reichen leider bei weitem nicht aus. Dazu kommt, dass die mentale Belastung nachweisli­ch verhindert, Karriere zu machen. Da gibt es eine spannende Studie der Unternehme­nsberatung Boston Consulting zu. Wer weiß, dass die Arbeit zu Hause an ihm oder ihr hängen bleibt, möchte die Stunden im Job nicht aufstocken oder den nächsten Karrieresc­hritt planen. Manchmal steht dann sogar zur Debatte, den Job ganz aufzugeben. Das ist natürlich mit einem sehr hohen finanziell­en Risiko verbunden und müsste meiner Meinung nach immer mit einer finanziell­en privaten Absicherun­g kombiniert werden.

In Ihrem Online-vortrag wollen

Sie Tipps geben, wie Paare die Arbeit zuhause fairer verteilen können. Was ist Ihrer Einschätzu­ng nach die wichtigste Voraussetz­ung dafür?

FRÖHLICH Eine gute Kommunikat­ion und Gespräche über die mentale Belastung. Wenn beide Partner bereit sind, darüber zu reden, sich auf die Last des anderen/der anderen einzulasse­n und zu erkennen, dass es keine individuel­le Schuld ist, sondern ein gesellscha­ftliches Problem, haben sie schon viel gewonnen. Nur wenn das Problem klar hervortrit­t, kann man auch Lösungen finden.

Warum ist Ihr Vortrag auch für Männer interessan­t?

FRÖHLICH Weil man das Problem nur gemeinsam löst. In meinem Vortrag geht es eben nicht darum, dass sich Männer zu wenig kümmern. Es geht darum, warum sich Frauen verantwort­lich fühlen, wie Paare darüber ins Gespräch kommen und welche Veränderun­gen möglich sind. Mentale Belastung betrifft immer die ganze Familie und weniger Stress und Konflikte sind ein Zugewinn für Kinder UND Eltern. Ganz besonders wichtig ist es aber, die Belastung vieler Mütter durch die Familienor­ganisation sichtbar zu machen. Was nicht bedeutet, dass es nicht auch betroffene Väter gibt, man denke nur an all die alleinerzi­ehenden Eltern.

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FOTO: LS Laura Fröhlich hält am Sonntag, 18. April, einen Vortrag über die mentale Belastung in den Familien.

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