Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Türkisch-deutscher Elternverein besteht zehn Jahre
MITEINANDER DER KULTUREN Viele Projekte wurden angestoßen. Das Wohl der Kinder steht im Mittelpunkt der ehrenamtlichen Arbeit.
DINSLAKEN (big) Sie verfolgen gemeinsam ein Ziel: Kinder, vor allem die mit Migrationshintergrund, sollen etwas lernen, sich im Leben behaupten und einen guten Beruf erreichen können. Sibel Göksü, Vorsitzende des Türkisch-deutschen Elternvereins, weiß wovon sie spricht. Bereits mit sechs Monaten nach Deutschland gekommen, lernte sie die deutsche Sprache erst im ersten Schuljahr. Dabei sollte sie aufgrund ihrer Sprachschwierigkeiten die Sonderschule besuchen.
Ihr Vater wehrte sich dagegen, zum Glück. Seine Tochter Sibel studierte, die Schule allerdings hat sie nicht verlassen – sie arbeitet als Lehrerin. „Fünf Geschwister waren wir, drei davon haben studiert, zwei einen Top-beruf erlernt“, erzählt sie. „Das will ich auch anderen Kindern ermöglichen, egal welcher Herkunft und Religion. Das sollte nicht entscheidend sein bei der Entwicklung unserer Kinder.“
Als sie mit der eigenen Familie von Essen nach Dinslaken zog, folgte sie einer Einladung des Integrationsrates, der gerade die Idee zu einem interkulturellen Elternverein vorstellte. Die junge Frau war begeistert und wurde – als einzige mit Studium – sofort zur Vorsitzenden erkoren. Das traf etwas unglücklich mit ihrer Schwangerschaft zusammen, doch sie blieb dabei, weil ihr damaliger Stellvertreter Erol Tonk versprach, sie zu vertreten, bis sie bereit war, den Vorsitz aktiv zu übernehmen. „Das ist jetzt so vier, fünf Jahre her“, berichtet Sibel Göksü.
Inzwischen steht ihr Ulrich Kemmerling zur Seite. Und die beiden haben eine Menge Ideen, wie es im elften Jahr des Vereinsbestehens weitergehen soll. „Zehn Jahre gibt es unseren Verein jetzt. Leider können wir aufgrund der Corona-pandemie das kleine Jubiläum nicht feiern, aber wir finden dennoch, es ist ein Grund, sich mal an die vergangenen Jahre zu erinnern“, so Göksü. Von Anfang an war es Zweck des Vereins, eine Brücke zwischen den Bildungsträgern und den Eltern zu bauen. Vor allem die Eltern müssten sensibilisiert werden, die Bildung ihrer Kinder ernst zu nehmen.
„1981 war ich Schülersprecher der Realschule. Damals wehrte sich die Schule vehement gegen die Aufnahme von Schülern mit Migrationshintergrund aus Lohberg“, erinnert sich Kemmerling. Heute, resümiert er, verliefe das türkisch-deutsche Zusammenleben noch immer nicht optimal. Auch das wolle man im Verein ändern. „Hier kommen verschiedene Kulturen zusammen, das ist nicht immer einfach, doch wir respektieren unsere Verschiedenheit, fanden in der Vergangenheit zu gemeinsamen Werten und
Zielen zusammen“, erzählt Göksü. „Die Sorgen und Nöte von Eltern sind schließlich alle gleich.“
Türkische Eltern, syrische, arabische Eltern, sie alle sind im Verein, leider aber seien wenige deutsche darunter. Dabei könne man gemeinsam gerade für die Kinder so viel erreichen, die es nicht so einfach im Leben haben. Dazu habe der Elternverein in der Vergangenheit beigetragen. Computerkurse für Kinder eingerichtet, Schulungen zu Bewerbungen und Bewerbungsgesprächen, den Aufbau der Sekundarschule habe man begleitet, Lesemarathons ins Leben gerufen,
Wettbewerbe organisiert und vieles mehr.
Auch bei der Elternarbeit kann der Verein zahlreiche Projekte aufführen: Frühlingsfeste wurden organisiert, das Fastenbrechen für Frauen, Fortbildungsveranstaltungen zu Bildung und Gesundheit gestaltet, der Umgang mit Laptops, Handys und Smartphones gezeigt.
Leider gebe es keine eigenen Räumlichkeiten, keine Anlaufstelle und auch keinerlei Fördermittel. Das zu bekommen, sei ein vorrangiges Ziel für die kommende Zeit. Bislang konnte man sich nur auf den verschiedenen interkulturellen Festen präsentieren, hatte sich bei Vereinen vorgestellt. „Doch unser Ziel sind eigene Räumlichkeiten, um endlich besser arbeiten zu können und die Eltern auch besser erreichen zu können“, sagt Kemmerling. „Wir arbeiten alle ehrenamtlich, damit muss endlich mal Schluss sein. Unsere Arbeit muss anders anerkannt werden. Es kann nicht immer nur dem Ehrenamt vorbehalten sein“, fordert er.
Während der Corona-pandemie ruhen die Projekte, dennoch steht die Arbeit nicht still. „Unsere Frauen scharren schon mit den Füßen, sie wollen sich endlich wieder treffen, wollen mit ihrer Arbeit fortfahren“, sagt Sibel Göksü. Und fügt hinzu: Der Verein nennt sich zwar nach wie vor Türkisch-deutscher Elternverein, doch er ist offen für jede Nationalität, für alle.