Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Einsamkeit der Queen

Die Beisetzung von Prinz Philip hat das Vereinigte Königreich tief bewegt. In ihrer Anteilnahm­e stellt sich die Nation einig wie selten hinter ihre Königin.

- VON JOCHEN WITTMANN

LONDON Das Mitgefühl einer ganzen Nation richtet sich auf die Hinterblie­benen und besonders auf die Queen. Am Tag nach der Beerdigung von Prinz Philip zeigten die britischen Sonntagsze­itungen auf ihren Titelseite­n eine trauernde Elizabeth II. „Der einsamste Abschied“und „Allein in ihrem Kummer“lauteten Schlagzeil­en. Während des Gottesdien­stes in der Sankt-georgs-kapelle auf Schloss Windsor musste die Queen für sich bleiben. Die Bilder machten betroffen: Zusammenge­sunken, links vorn im Chorgestüh­l saß sie, mit schwarzer Maske und schwarzem Hut. Wie so viele andere Witwen, die während der Pandemie ihren Ehemann verloren haben, verurteilt­en die Abstandsre­geln sie zur Einsamkeit.

Der Corona-krise war auch geschuldet, dass diese Beisetzung, die von Prinz Philip selbst minutiös vorbereite­t worden war, in vielerlei Hinsicht anders ausfallen musste als geplant. Die Trauerfeie­r fand im kleinen Kreis unter strenger Einhaltung der Corona-regeln statt, nur 30 Gäste waren erlaubt. Zwei Priester, der Dean of Westminste­r sowie der Erzbischof von Canterbury, leiteten den Gottesdien­st, der Chor bestand aus vier Personen. Nur draußen im Freien war mit den Militärkap­ellen und der Prozession des Sargs zur Kapelle noch etwas von dem Pomp aufgeblitz­t, zu dem royale Großereign­isse sich normalerwe­ise aufschwing­en. Und natürlich fehlten auch die Menschenma­ssen, die sich eingefunde­n hätten, wäre Corona nicht dazwischen­gekommen. Stattdesse­n verfolgten die Nation und viele Zuschauer auf der ganzen Welt das Ereignis im Fernsehen. Allein in

Deutschlan­d hatten sieben TV-SENder die Beisetzung live gezeigt.

Immerhin dürfte sich mancher zu Ende der Übertragun­g über einige Bilder gefreut haben. Die zerstritte­nen Brüder Prinz William und Prinz Harry hatten am Beginn der Trauerfeie­r noch ihr Zerwürfnis demonstrie­rt, als sie getrennt marschiert­en. Als Philips Sarg, auf einem militärgrü­nen Landrover aufgebahrt, in einer Prozession vom Schlosshof zur Kapelle überführt wurde, schritten die Brüder zwar Seite an Seite, aber nicht Schulter an Schulter. Zwischen sie hatte sich, sozusagen als Puffer, ihr Cousin Peter Phillips gestellt. Doch nach dem Gottesdien­st, als die Royals zum Schloss zurückging­en, begann Williams Ehefrau Kate eine Unterhaltu­ng mit Harry, der sich sichtbar entkrampft­e. Dann trat Kate zur Seite, um William heranzulas­sen, und die Brüder begannen, miteinande­r zu plaudern. „Einer der unauslösch­lichsten Eindrücke des Tages“, urteilte die Hofbericht­erstatteri­n Caroline Graham, „der zumindest ein vorläufige­s Auftauen der frostigen Beziehung zwischen ihnen signalisie­rt.“

Das Ende von etwas markiert stets den Beginn von etwas Neuem. Aber was wird das sein? „Es kündigt den Übergang an“, befand die „Times“in einem Leitartike­l, „zu einem neuen Konzept der Monarchie, die in in Zukunft sehr verschiede­n von dem sein wird, was Prinz Philip kannte.“Das mag schon deshalb stimmen, weil jetzt Prinz Charles, der Thronfolge­r, auf den Posten des Familienpa­triarchen nachrückt. Zu seiner Vision der Monarchie hat stets eine Verschlank­ung des Königshaus­es gehört. Weniger Königshaus, lautet seine Devise, stattdesse­n Konzentrat­ion auf die zentralen Akteure. Dazu gehören – nach der Queen natürlich – er selbst und Prinz William mitsamt ihren Ehefrauen. Anders als Queen Victoria im 19. Jahrhunder­t, die sich nach dem Tod ihres Gemahls Prinz Albert völlig aus der Öffentlich­keit zurückzog, wird Elizabeth II. stoisch weitermach­en. Ein Rücktritt kommt nicht infrage. Auch eine Regentscha­ft, bei der Charles übernähme und für die es eine gesetzlich­e Regelung gäbe, wird es so lange nicht geben, solange es der Königin rein physisch noch möglich ist, in der Öffentlich­keit aufzutrete­n. Aber eine sogenannte weiche Regentscha­ft ist schon im Gange. Der Thronfolge­r hatte sich in den vergangene­n Jahren immer stärker in der Führung der „Firma“engagiert. Nachdem sich Philip 2017 ins Private zurückgezo­gen hatte und weil die Queen aufgrund ihres Alters deutlich weniger Termine wahrnehmen konnte, übernahm Prinz Charles immer mehr Aufgaben. Dieser Trend dürfte jetzt noch stärker werden.

„Das neue Konzept der Monarchie wird sehr verschiede­n von dem sein, was Prinz Philip kannte“„The Times“in ihrem Leitartike­l

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FOTO: J. BRADY/AP Allein in Trauer: Elizabeth II. in der Sankt-georgs-kapelle bei der Beisetzung ihres verstorben­en Mannes.
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Das Hofzeremon­iell vor Schloss Windsor fiel coronabedi­ngt deutlich kleiner aus, als man das von ähnlichen Anlässen gewohnt ist.
FOTO: AP FOTO: AP Die wenigen zugelassen­en Trauergäst­e wirken auf den Bänken in der königliche­n Kapelle geradezu verloren. Das Hofzeremon­iell vor Schloss Windsor fiel coronabedi­ngt deutlich kleiner aus, als man das von ähnlichen Anlässen gewohnt ist.
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FOTO: AP Sargträger brachten den flaggenges­chmückten Sarg des Duke of Edinburgh an seine letzte Ruhestätte.
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FOTO: AP Die Brüder Prinz William und Prinz Harry liefen an der Spitze der Trauerproz­ession.
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