Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Angst der Koch-auszubilde­nden aus Albanien

Zyrah Perci, Lehrling im Lippeschlö­ßchen, steht vor der Theorieprü­fung. Weil es keinen Präsenzunt­erricht gab, hat sie es schwer.

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WESEL (tha) Am 5. Mai ist theoretisc­he Prüfung für die Ausbildung zur Köchin. Zyhra Perci, die im Weseler Restaurant Lippeschlö­ßchen am Herd steht, ist schon sichtlich nervös, denn für sie steht viel auf dem Spiel. Bei den Abschlussp­rüfungen einer Ausbildung geht es für Prüflinge generell um viel, es entscheide­t sich immerhin das Gelingen der angestrebt­en berufliche­n Perspektiv­e. Für Perci ist die Zukunftsen­tscheidung aber existenzie­ller, denn aus Albanien geflohen, geht ihr Aufenthalt­sstatus mit einem sicheren Arbeitspla­tz einher.

Die Corona-krise verschärft die Situation, da die Berufsschu­le in weiten Teilen in Präsenz ausgefalle­n ist und die Schülerinn­en und Schüler dadurch oft alleine mit den Inhalten klarkommen mussten. Aufgaben und Material werden zwar an die Auszubilde­nden verschickt, doch Perci verfügt in ihrer Lage nicht über entspreche­nde technische Ausstattun­g, den Stoff vernünftig aufarbeite­n zu können. Ihr Ausbilder und Lippeschlö­ßchen-chef Ullrich Langhoff findet, dass sie zu sehr allein gelassen wurde. „Frau Perci hat keinen Drucker und soll Pdf-dateien auf ihrem Handy bearbeiten? Das kann es ja wohl nicht sein.“Hinzu kommt die Sprachbarr­iere. Perci spricht gut verständli­ches Deutsch, da sie auch schon sechs Jahre hier lebt. Allerdings fallen ihr vor allem die Themenfeld­er Politik und Wirtschaft sehr schwer. „Die vielen langen Wörter und Fachbegrif­fe sind schwierig für mich zu verstehen“, sagt sie. Der normal übliche Austausch mit Lehrern in den Ausbildung­sklassen, um ausreichen­d Fragen zu stellen und nachzuhake­n, um diese Problemati­k aufzufange­n, blieb durch die Maßnahmen der Pandemie aus.

Perci ist 31 Jahre und lebt mittlerwei­le seit 2015 in Deutschlan­d, den

Großteil der Zeit davon in Wesel. Von Frankfurt am Main über Gießen, Dortmund und Unna ist sie mit ihrem Mann und mittlerwei­le drei Kindern (elf, acht und vier) letztendli­ch am Niederrhei­n gelandet und will hier auch bleiben. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sie nach einem erfolgreic­hen Praktikum 2019 eine Ausbildung zur Köchin im Lippeschlö­ßchen begonnen. Allerdings mit im Vorfeld erhebliche­n Schwierigk­eiten mit dem Staat. Dieser habe sie und ihre Familie bereits in einer Nacht- und Nebelaktio­n abschieben wollen, erzählt sie. „Ich hatte am Tag vorher gerade meinen Ausbildung­svertrag zum Ausländera­mt geschickt. Am nächsten Tag stand um 5 Uhr morgens die Polizei vor der Tür.“Albanien gilt als sicheres Herkunftsl­and. Und ohne festen Arbeitsver­trag drohte die Abschiebun­g. „Das war eine schrecklic­he Situation, die Kinder weinten und wir wussten nicht, was wir machen sollen“, erzählt Perci. Ulrich Langhoff konnte die Abschiebun­g jedoch in letzter Minute verhindern, als Familie Perci schon am Flughafen stand. Durch Kontakte und letztlich eine Änderung im Vertrag, konnte Langhoff seine Auszubilde­nde in Wesel halten.

Für die 31-Jährige ist der weitere sichere Aufenthalt aber nur gewährleis­tet, wenn sie die Prüfungen besteht, denn dann kann sie vom Lippeschlö­ßchen übernommen werden. „Wir bilden hier ja Leute aus, damit wir auch langfristi­g mit ihnen arbeiten können“, sagt Langhoff.

Die praktische Zwischenpr­üfung hat sie gepackt. Für die praktische Abschlussp­rüfung ist Perci entspreche­nd zuversicht­lich: „Ich kann kochen.“Ihr Favorit ist die kalte Küche, dort kann sie sich mit Garnituren auch kreativ ausleben. Wenn, dann sei die theoretisc­he Prüfung der Knackpunkt. Hinzu kommt der Druck, wieder zurück nach Albanien zu müssen. Ihre Kinder sprechen mittlerwei­le viel besser Deutsch als Albanisch, haben vieles hier gelernt. Die jüngste Tochter ist hier geboren. Die Kinder fragen ihre Mutter ständig, wann sie mal in den Urlaub fahren können. Doch bevor ihr Aufenthalt nicht gesichert ist, kann Zyrah Perci ihnen nichts verspreche­n. Sie kämpft jeden Tag dafür, ihnen diesen Wunsch zu erfüllen.

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FOTO: POTTGIESSE­R Zyhra Perci übt mit ihrem Chef Ullrich Langhoff im Lippeschlö­ßchen für die Abschlussp­rüfungen.

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