Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Die Grünen legen vor
Annalena Baerbock zieht in den Kampf um das Kanzleramt – als zweite weibliche Kandidatin überhaupt. Die Union hingegen tut sich schwer mit der Entscheidung zwischen Armin Laschet und Markus Söder.
DÜSSELDORF/BERLIN Während die Grünen ihre Kanzlerkandidatenfrage entschieden haben, hielt der Kampf in der Union immer noch an. Eine Cdu-vorstandssitzung sollte am Montagabend eine Entscheidung in der Frage bringen, ob der Cdu-vorsitzende Armin Laschet als Kanzlerkandidat antritt oder CSU-Chef Markus Söder. In der Sitzung des Spitzengremiums wies Laschet Forderungen nach einer Verschiebung der Entscheidung in die Bundestagsfraktion und an die Kreisvorsitzenden zurück. Laschet sagte laut Teilnehmern: „Wir sollten heute entscheiden, wie wir es uns am Anfang vorgenommen haben.“
Für Laschet sprachen sich unter anderem Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-karrenbauer, Schleswig-holsteins Ministerpräsident Daniel Günther und CDU-VIZE Thomas Strobl aus Baden-württemberg aus. Sachsen-anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gaben hingegen ein Votum für Söder ab. Die digitale Sitzung, die um 18 Uhr begann, dauerte bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe an. Eine endgültige Entscheidung stand noch aus, allerdings sprachen sich viele Redner für Laschet als Kandidaten aus.
Söder hatte die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur am Montag dem Cdu-bundesvorstand überlassen. „Wenn die CDU heute Abend souverän zu einer klaren Entscheidung kommt, werden wir das respektieren“, versprach Söder nach einer Sitzung des Csu-präsidiums in München.
Zuvor hatte die Grünen-führung die Co-vorsitzende Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin ihrer Partei nominiert: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dieses Land einen Neuanfang braucht.“Für die Bundestagswahl am 26. September formulierte Baerbock einen klaren Machtanspruch: „Verändern statt zu versprechen: Jetzt ist die Zeit, in diesem Sinne eine gute Regierung anzuführen“, sagte sie. „Ich trete an für Erneuerung. Für den Status quo stehen andere.“
Baerbock ist die einzige weibliche Kandidatin und seit 1949 erst die zweite Frau nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich um das höchste Regierungsamt bewirbt. Die SPD schickt Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz ins Rennen.
Die Grünen hatten die Klärung der Spitzenpersonalie ihren beiden Vorsitzenden Baerbock und Robert Habeck selbst überlassen. Nach eigenen Angaben hatten diese die Kandidatenfrage schon vor Ostern unter sich geklärt. Habeck sagte dazu: „In dieser Situation führt der gemeinsame Erfolg dazu, dass einer einen Schritt zurücktreten muss.“Trotzdem werde er die Grünen zusammen mit Baerbock als Spitzenduo in den Wahlkampf führen. Zum Machtkampf in der Union sagte Baerbock, sie finde es besorgniserregend, dass Regierungsparteien so ins Schwanken kämen. Sie wünsche „Herrn Laschet und Herrn Söder, dass sie da zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen“. Bundeskanzlerin Merkel beglückwünschte Baerbock zu ihrer Kandidatur.
CDU-CHEF Laschet warnte vor einem schmutzigen Wahlkampf: „Wir wissen aus den USA, was es bedeutet, polarisierte Wahlkämpfe zu führen.“Das solle man sich in Deutschland ersparen.
In Nordrhein-westfalen lobte der Spd-landesvorsitzende Thomas Kutschaty die geräuschlose Kandidatenkür der Grünen: „Die Grünen steigen nun mit Annalena Baerbock in den Wahlkampf ein. Ihre kurze Präsentation war erstaunlich geräuschlos und damit im Vergleich zum wochenlangen Gockelkampf bei CDU und CSU weitaus besser für unsere politische Kultur“, sagte Kutschaty. Mit Baerbock sei es möglich, einen anständigen und vernünftigen Wettbewerb zu führen. Nrw-gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) hingegen sagte: „Wen die aufstellen, stellen die auf.“Das Wahlprogramm der Grünen entspreche nicht ihrem Verständnis einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
In der Union hatten sich am Montag erneut Befürworter Laschets und Söders aus unterschiedlichen Lagern der Union zu Wort gemeldet: Bayerns Finanzminister Albert Füracker appellierte an die CDU, den Kanzlerkandidaten mit den größten Erfolgsaussichten bei der Bundestagswahl zu nominieren. Kritik am Verfahren wies er zurück: „Wir haben die Woche nicht dazu genutzt, Cdu-mitglieder oder den Parteivorsitzenden zu diskreditieren“, sagte Füracker. Es habe keine verletzenden oder ehrabschneidenden Vorwürfe seitens des CSU gegeben.
Der Cdu-haushälter Eckhardt Rehberg rief hingegen Söder zum sofortigen Rückzug auf: „Die CDU Deutschlands hat einen klaren Anspruch auf die Kanzlerkandidatur.“