Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Wir haben eine katastrophale Woche hinter uns“
Der Europa-abgeordnete Dennis Radtke droht in der K-frage mit einen Cdu-landesverband in Bayern. Bislang hat er viel Zuspruch erhalten.
Annalena Baerbock wird als Kanzlerkandidatin für die Grünen antreten. Die SPD hat ihren Kandidaten bereits 2020 gekürt. Nur bei der Union ist die Frage nicht geklärt. Warum dauert das so lange? DENNIS RADTKE Da wurden einige Fehler gemacht. CDU und CSU haben sich in der Vergangenheit bis auf wenige Ausnahmen schnell und deutlich auf einen Kandidaten geeinigt. In den letzten 16 Jahren haben wir logischerweise die Amtsinhaberin immer wieder aufgestellt, aber dabei vielleicht ein Stück weit verlernt, dass irgendwann klar sein muss, wer danach für die Union antritt. Jetzt stehen wir hier ohne ein konkretes Verfahren.
War das nicht absehbar?
RADTKE Es tobt jetzt seit Tagen ein Streit über die Kanzlerkandidatenfrage. Wir haben eine katastrophale Woche hinter uns. Wann ist das Votum überhaupt legitim? Wenn der Bundesvorstand entscheidet? Die Fraktion? Das ist alles völlig unklar. Daran trägt aber niemand allein die Schuld. CDU und CSU hätten sich viel früher über eine geordnete Vorgehensweise zur Kandidatenaufstellung bemühen müssen. Wir haben zu sehr darauf vertraut, dass es schon irgendwie klappt.
Am Wochenende haben Sie gesagt, wenn Markus Söder nicht verzichten will, müsse man überlegen, ob man nicht einen Cdu-landesverband in Bayern gründen will. Wie soll das bis zum Herbst klappen? RADTKE Das wäre sportlich. Derzeit stehen die Zeichen aber darauf, dass wir schnell zu einer Entscheidung kommen. Mein Problem ist ja gar nicht, dass Markus Söder einen Anspruch formuliert, sondern die Art und Weise, wie er diesen Anspruch versucht durchzusetzen. Armin Laschet war gerade auf einem guten Weg, die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Partei zusammenzubringen. In so einer Situation fährt Markus Söder die Ellbogen aus. Wenn die CSU keine Tabus mehr kennt, überdenken wir auch unsere. Glauben Sie, es gäbe genug Leute in Bayern, die überlaufen würden? RADTKE Das Echo auf meine Aussage fiel sehr gemischt aus. Da waren natürlich auch einige unschöne E-mails dabei, aber auch viel Zuspruch. Man hat mir schon Immobilien für Cdu-geschäftsstellen in Bayern angeboten. Cdu-mitglieder schreiben mir, sie wollen sofort mitmachen – und wollen wissen, wo sie sich melden können. Ihr Vorschlag würde den endgültigen Bruch mit der CSU bedeuten. RADTKE Diesen Konflikt kann niemand ernsthaft wollen. Ab und zu muss man einfach ein Stoppschild in der politischen Landschaft aufstellen, damit klar ist: Bis hierhin und nicht weiter. Wir müssen das nicht auf Biegen und Brechen machen. Mir ist sehr an der Einheit der Union gelegen. Aber mir ist auch daran gelegen, dass es Regeln gibt, auf die Rücksicht genommen wird. Warum fragen Sie nicht die Mitglieder? RADTKE Ich bin kein Fan von Basisentscheiden, das ist kein Allheilmittel und da haben schon andere Parteien bittere Erfahrungen mit machen müssen. Aber wenn CDU und CSU sich darauf mehrheitlich verständigen, kann man selbstverständlich beim nächsten Mal die Mitglieder fragen. Dann muss man aber rechtzeitig anfangen.