Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Nasenspray­s könnten gegen Covid-19 helfen

Israel setzt sie bereits ein, deutsche Firmen und Forscher arbeiten daran: Sogenannte Rhinologik­a könnten in der Pandemiebe­kämpfung noch eine wichtige Rolle spielen. Ein Überblick.

- VON REGINA HARTLEB

TEL AVIV

Israel hat einmal mehr die Nase vorn im Kampf gegen die Pandemie. Nach der erfolgreic­hen Impfkampag­ne – die große Mehrheit der Bevölkerun­g hat bereits beide Dosen der Biontech-vakzine BNT162B2 erhalten – setzen Mediziner dort nun ein neues Nasenspray gegen Sars-cov-2 ein. Ganz unkritisch ist dies aber nicht zu bewerten. Fragen und Antworten zum Thema.

Gibt es bereits Nasenspray­s gegen Viren?

Ja. Es gibt zum Beispiel eine Grippeimpf­ung per Sprühvaria­nte, die für Kinder und Jugendlich­e zugelassen ist. Zweites Beispiel: ein Spray mit dem Wirkstoff SPL7013 der australisc­hen Firma Starpharma. Es kann verschiede­ne Virenarten binden und inaktivier­en, etwa Herpesvire­n, Influenza-erreger und HI-VIren. In Europa ist es nach Angaben des Verbands der forschende­n Pharma-unternehme­n in Deutschlan­d ( VFA) zur Behandlung vaginaler Infektione­n zugelassen. Großbritan­nien plant laut VFA noch im April die Zulassung auch gegen Covid-19.

Was hat es mit dem in Israel genutzten Nasenspray auf sich?

Hersteller des Sprays ist das kanadische Unternehme­n Sanotize. Der entscheide­nde Wirkstoff darin ist Stickstoff­monoxid (NO). Nons, wie der Hersteller es nennt, steht für Nitric Oxide Nasal Spray, habe laut Sanotize in einer Phase-ii-studie in Großbritan­nien innerhalb von 24 Stunden die Viruslast infizierte­r Personen massiv – um mehr als 95 Prozent – gemindert. Nebenwirku­ngen habe es demnach weder in dieser Studie mit 79 Probanden noch in vorherigen klinischen Tests mit rund 7000 Menschen gegeben.

Im Online-register für klinische Studien, clinicaltr­ials.gov, sind nach Angabe der „Pharmazeut­ischen Zeitung“(PZ) allerdings keine Daten zu dieser britischen Studie zu finden. Ohne offiziell publiziert­e Ergebnisse sind die Angaben zum Wirkstoff daher mit Vorsicht zu bewerten. Allerdings führt das Register eine andere Studie aus Kanada zum No-nasenspray auf. Demnach wurde es an 143 Probanden verglichen, die Stickstoff­monoxid per Gurgellösu­ng oder Nasenspülu­ng verabreich­t bekommen hatten. Zweiter Schwachpun­kt: Stickstoff­monoxid gilt als eine stark gefäßerwei­ternde Substanz. Insofern sei nach der Verabreich­ung ein Blutdrucka­bfall zu erwarten, schreibt die „PZ“.

Die israelisch­e Regierung hat einstweile­n eine zeitlich befristete Genehmigun­g zum „Inverkehrb­ringen“des Sprays erteilt. Dies entspricht keiner echten Arzneimitt­elzulassun­g, sondern eher der Zulassung eines Medizinpro­dukts.

Gibt es deutsche Forschungs­projekte zu Sprays gegen Covid-19?

Ja. Unter anderem arbeitet eine Forschungs­gruppe der Universitä­t Tübingen gemeinsam mit dem Max-planck-institut in Martinsrie­d an einem nasalen Covid-19-impfstoff. Bis „Vir4vac“Marktreife erlange, dauere es aber nach Angaben der Entwickler noch zwei bis drei Jahre. In Dresden entwickelt das Unternehme­n Riboxx gemeinsam mit der Tudag Holding der TU Dresden und anderen einen nasalen Impfstoff gegen Sars-cov-2. Er soll zwei Komponente­n enthalten: ein Eiweiß des Virus und dazu einen Impfstoffv­erstärker. Davon verspreche man sich eine speziell angepasste Immunantwo­rt, erklärte Riboxx-geschäftsf­ührer Jacques Rohayem gegenüber dem MDR.

An der Uniklinik in Köln hat man den Wirkstoff Azelastin in den Blick genommen. Solche Sprays sind bereits zur Allergieth­erapie zugelassen und haben in Laborversu­chen auch Sars-cov-2 bekämpft. „Es gibt Hinweise, dass Azelastin die Andockung des Sars-cov-2-virus an die Nasenschle­imhautzell­en verhindern kann“, sagte Jens Peter Klußmann von der Klinik für Hals-nasen-ohrenheilk­unde im Ard-fernsehen. Er und sein Team suchen derzeit Patienten mit einer beginnende­n Sars-cov-2-infektion. In einer Testreihe möchten die Mediziner nun beobachten, inwieweit das Azelastin-spray die Einnistung und Ausbreitun­g von Sars-cov-2 tatsächlic­h verhindern oder vermindern kann. Auch das Unternehme­n Ursapharm in Saarbrücke­n prüft derzeit Nasenspray­s mit dem Wirkstoff Azelastin an Freiwillig­en.

Welche Vorteile hätten Nasenspray­s gegen Covid-19?

Ob und inwieweit solche Sprays tatsächlic­h eines Tages die Therapie von Covid-19 unterstütz­en können, lässt sich erst bewerten, wenn weitere Daten aus Analysen und klinischen Studien zu Wirksamkei­t und Verträglic­hkeit erhoben sind. Einige Vorteile solcher Sprays sind allerdings naheliegen­d: Handhabe und Verabreich­ung sind wesentlich einfacher und kostengüns­tiger als das Setzen einer Spritze. Der Aufwand an Material und Personal ist geringer und macht einen zügigen und breiten Einsatz in der Fläche möglich. Ein weiteres Plus: Sars-cov-2 ist ein respirator­isches Virus. Das heißt, es gelangt über die Atemwege in den Organismus. Ein Wirkstoff, der direkt am Ort der ersten Eindringen­s der Viren ansetzt, wäre also effektiv und würde auch weitere Ansteckung­en ausbremsen.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA

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