Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Viel Respekt für die „Flintenwei­ber“

Als sich vor 50 Jahren die erste Damen-schützengr­uppe beim BSV Möllen gründete, reagierten viele Männer mit Ablehnung. Heute sind die Schützinne­n längst fester und geachteter Teil des Vereinsleb­ens. Doch bis dahin war es ein steiniger Weg.

- VON CHRISTOPH ENDERS

Vor 50 Jahren gründete sich die erste Damen-schützengr­uppe beim BSV Möllen. Doch bis sie akzeptiert wurde, war es ein steiniger Weg.

VOERDE Bereits seit 50 Jahren gibt es beim BSV Möllen den Damen-schießspor­t. Zum diesem Jubiläum soll die Entwicklun­g und Akzeptanz der Damengrupp­e die Aufmerksam­keit erfahren, die sie verdient.

Denn als 13 befreundet­e Frauen im Jahr 1971 die Damenschie­ßgruppe beim BSV Möllen gründeten, war von Gleichbere­chtigung keine Spur. Die Männerdomä­ne Schießspor­t fühlte sich gekränkt und stempelte die motivierte Gruppe als „Flintenwei­ber“ab. Der Spott allein war nicht alles, denn auch rein rechtlich ging es alles andere als fair zu. Die Frauen wurden keine stimmberec­htigten Vollmitgli­eder, sondern stellten bei Versammlun­gen eine Damenleite­rin, vertretend für die gesamte Abteilung.

„Wir haben“, weiß Inge Nuyken, die zu den ersten Schützinne­n in Möllen gehörte, „nie darüber nachgedach­t, damit aufzuhören oder uns zu verändern. Wir sind stark geblieben und haben uns unseren Platz im Verein über die Jahre erarbeitet.“Starke Worte von einer Frau, die samt ihrer Mitstreite­rinnen jahrelang in einem Verein alles andere als Gleichbere­chtigung erfahren hat.

Auch die Trainingsm­öglichkeit­en waren zunächst begrenzt. Während die Herren am Schießstan­d im Wohnungswa­ld mit Kleinkalib­er-waffen trainierte­n, durften die Damen erst ab 1974 dorthin. Ihnen war vorher ausschließ­lich der Umgang mit dem Luftgewehr in einem Saal in der Gaststätte Korfkamp an der Rahmstraße erlaubt. Dort gab es mobile Schießstän­de, die aufwendig aufund abgebaut werden mussten. Dagegen sind die heutigen Anlagen auf der Schießanla­ge im Wohnungswa­ld purer Luxus. An elektronis­chen Anlagen, die über Computer gesteuert werden, konnte zu dieser Zeit noch niemand denken.

Die äußeren Umstände, egal ob auf oder neben der Schießanla­ge, entmutigte die Damen aber zu keinem Zeitpunkt. Im Gegenteil. Wenn Inge Nuyken über die vielen Jahre beim BSV berichtet, fallen meist Wörter wie Spaß, Freude oder Hobby. Die Damen fanden schnell Gefallen an dem Sport, trainierte­n fleißig und wuchsen zu einer echten Einheit heran. Aber nicht nur der Zusammenha­lt als solcher wuchs, sondern auch die Anzahl und die Akzeptanz.

Heute gibt es beim BSV 21 Schützinne­n. Die Zahlen schwanken, wie Nuyken erklärt: „Es kommen welche dazu, aber aus Altersgrün­den verlassen uns natürlich auch immer mal wieder ein paar Damen.“Zum Glück etwas weniger schwankend verläuft die Rechtevert­eilung im Verein. „Heute gibt es keine Unterschie­de mehr zwischen Frauen und Männern hier im Verein“. Bis dahin war es für die Damen jedoch ein harter Weg.

Wie erwähnt, zählten Frauen zunächst nicht als Vollmitgli­eder, sondern wurden durch eine Damenleite­rin vertreten. Ganze 13 Jahre bekleidete Inge Nuyken dieses Amt, weitere acht fungierte sie als Stellvertr­eterin. Sie weiß also nur zu gut um die schweren Zeiten als Frau im Schießspor­tverein. Mit der Zeit entwickelt­en sich beim BSV aber die Möglichkei­ten der Frauen, auch mit Blick auf Wettkämpfe. Nach zwei Jahren Zugehörigk­eit durften die Damen erstmals am Eröffnungs­schießen teilnehmen. Allerdings auch nicht ganz ohne Beigeschma­ck, denn die Auszeichnu­ngen für die Preisträge­rinnen mussten sie selber beschaffen. Eine Uniform in Form einer grünen

Weste gab es für die Damen erstmals 1976. Diese wurden 1983 kurzzeitig gegen graue Jacken getauscht, jedoch waren die Passformen trotz der Arbeit eines Schneiders nicht ideal und die Damen kehrten zum alten Grün zurück.

Wer schon gut schießen kann, seit über zehn Jahren im Verein ist und die entspreche­nde Kleidung trägt, hatte aber auch Mitte der 80er-jahre noch lange nicht alle Rechte. Im Jahr 1984 durften die Damen erstmalig an einem Umzug teilnehmen. Der erste Marsch wurde den Damen dann 1989 im Rahmen des 125-jährigen Jubiläums gestattet, zwei Jahre später wurden sie dann auch fester Bestandtei­l der Schützenko­mpanie. Im Jahr 1994 wurden die Damen schließlic­h Vollmitgli­eder im Verein. Dann wurde nur noch im Vogelschie­ßen getrennt. Ein Umstand, der sich aber auch einige Zeit später – nämlich im Jahr 2000 – ändern sollte. Seitdem ist es auch den Damen erlaubt, die „Königswürd­e“zu erlangen.

Der heutige Standard beim BSV ist also über viele Jahre hart erarbeitet worden. Die Damenschie­ßgruppe ist ein ebenso wichtiger wie fester Bestandtei­l im Club. Zudem stellen die Damen auch Vertreteri­nnen auf sämtlichen Ebenen und sind als feste Stützen im Verein nicht mehr wegzudenke­n. Ein steiniger Weg hin zur Gleichbere­chtigung, der viel zu lang, aber dennoch lohnenswer­t war.

Inge Nuyken blickt auch heute zufrieden auf die vielen Jahre beim BSV zurück: „Ich denke immer noch gerne an die vergangene Zeit und die schönen Momente, die wir miteinande­r hatten. Auch wenn es nicht immer einfach war, so hat es mir immer sehr viel Spaß bereitet.“Das Vereinsleb­en soll auch für sie bald wieder aufleben.

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FOTO/REPROS: BSV/ HEROLD Die Damen-schießgrup­pe des BSV Möllen besteht seit 50 Jahren. Hier posieren die Frauen anlässlich des 125. Vereinsbes­tehens im Jahr 1989.
 ??  ?? Die Schießgrup­pe bei ihrem eigenen zehnten Geburstag im Jahr 1981.
Die Schießgrup­pe bei ihrem eigenen zehnten Geburstag im Jahr 1981.
 ??  ?? Inge Schmitz (l.) und Inge Nuyken (r.) sind beide „Flintenwei­ber“der ersten Stunde und haben sich immer für die Belange der Damen im BSV Möllen eingesetzt.
Inge Schmitz (l.) und Inge Nuyken (r.) sind beide „Flintenwei­ber“der ersten Stunde und haben sich immer für die Belange der Damen im BSV Möllen eingesetzt.

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