Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
So verlief die erste Nacht mit Ausgangssperre
Nach 22 Uhr dürfen Weseler ab sofort nur noch in Ausnahmen ihr Zuhause verlassen.
WESEL (tha) Der Motor eines Taxis läuft. Es steht am Beginn der Reihe von acht Taxis, die am Samstag um halb elf abends am Weseler Bahnhof stehen. So weit so ungewöhnlich – denn seit einer halben Stunde ist Ausgangssperre. Die Taxis sind trotzdem noch da. Fahrer Christos Tserkezisk erklärt, warum: „Wir stehen in Bereitschaft hier, es kann ja immer sein, dass jemand ins Krankenhaus oder doch schnell zur Arbeit muss.“
Auf die Frage, ob er denn denkt, dass er noch Kunden durch Wesel fährt, erklärt er jedoch: „Sehr unwahrscheinlich.“Er ist der Meinung, dass sich das Virus wahrscheinlich nicht durch eine Ausgangssperre aufhalten lasse. Und so steht er dort am Weseler Bahnhof, an dem weit und breit niemand zu sehen ist – außer ein Lokführer, der ebenfalls gleich noch arbeiten muss. Trotz der neuen Bestimmung erwartet er Leute in seinem Zug, denn manch einer muss eben zur Nachtschicht oder vielleicht von der Spätschicht wieder nach Hause.
Die Weseler Innenstadt rund ums Berliner Tor ist um die Zeit ebenso verweist wie der Bahnhof. Ganz vereinzelt huschen noch Spaziergänger durch die Straßen, der ein oder andere führt seinen Hund aus. Ein Hotel-mitarbeiter kommt gerade auf seinem E-roller nach Hause. Ob er sonst schon Leuten begegnet ist? Fehlanzeige. Doch die Ausgangssperre sei sinnvoll, nur komme sie viel zu spät. Er hätte sich den harten Lockdown schon im Herbst oder Winter gewünscht.
Auf den umliegenden Straßen sind kaum Autos unterwegs, nur gelegentlich fahren welche durch die Nacht. Ob sie wohl noch von der Polizei angehalten werden? Denn ist man im Auto unterwegs, braucht man nun wirklich einen triftigen Grund. Einfach nur das Verlangen nach frischer Luft zu stillen, wird augenscheinlich nicht gelten. Die Argumentation könnte auch kreativer ausfallen, wie wäre es mit Individual-motorsport? Joggen darf man immerhin ja auch noch.
Die Fußgängerzone ist hell erleuchtet, Reklame an Reklame, in manchem Schaufenster blinkt es sogar, ansonsten gähnende Leere. Es ist still, bis auf Gesprächsfetzen, Tv-gedudel oder Musik, die teilweise aus den Fenstern der oberen Wohnetagen kommt, ist nichts zu hören; hin und wieder Hundetapsen. Melanie Schulz geht wie jeden Abend noch eine letzte Runde mit ihrem Vierbeiner durch die Innenstadt. Aber dass sich die Anzahl der Menschen deutlich verringert hat, kann sie nicht sagen: „Das ist wirklich gleichbleibend, hier ist auch sonst nicht wirklich was los.“Die Ausgangssperre findet sie ehrlicherweise Quatsch. Durch eine Dokumentation über Aerosole wisse sie, dass eine Ansteckung an der frischen Luft wirklich selten passiere.
Am Großen Markt: Große Leere und Stille. Nur der Dom blinkt dank Philipp Valenta immer wieder grün auf, im Takt der Bitcoin-wertentwicklung. Nebenan am Kornmarkt das gleiche Bild, nur ohne die Lichtinstallation. Natürlich ist hier an „normalen“Tagen in diesen Zeiten auch nichts los, selbst über den Tag ist fast alles geschlossen. Wann auf dem Kornmarkt an Samstagabenden wieder Leben einkehrt, ist noch nicht absehbar. Fürs erste wird es hier sehr still bleiben – spätestens ab 22 Uhr.