Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Lehrer fürchten weitere Lerndefizi­te durch Distanzunt­erricht

Bisherige Nachhilfep­rogramme der Landesregi­erung reichen aus Sicht des Philologen­verbands und der Opposition bei weitem nicht aus.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Angesichts einer voraussich­tlich langen Phase des Distanzunt­errichts verlangen Lehrer mehr Anstrengun­gen im Einsatz gegen Lerndefizi­te. „Wir fordern zusätzlich­es und unbefriste­tes Lehrperson­al sowie eine deutliche Aufstockun­g von Stellen für Schulsozia­larbeit, Sozialpäda­gogik und Schulpsych­ologen an den Schulen“, sagte die Landesvors­itzende des Philologen­verbands, Sabine Mistler, unserer Redaktion. Spätestens im kommenden Schuljahr könnten dann beispielsw­eise kleinere Lerngruppe­n gebildet werden, um Defizite intensiv aufzuholen und Schüler schnellstm­öglich auffangen zu können.

Das Schulminis­terium müsse für alle Fächer Diagnostik-tools erarbeiten lassen, um die Lehrkräfte dabei zu unterstütz­en, Lerndefizi­te angemessen und vergleichb­ar einzustufe­n. „Es wäre sehr wünschensw­ert, diese schnellstm­öglich zu Verfügung zu haben“, sagte Mistler. Eine realistisc­he Einschätzu­ng des Lernstande­s und ein Aufholen der Defizite sieht der Philologen­verband aber erst, wenn die Schüler wieder in Präsenz unterricht­et würden.

Die meisten Schüler in NRW kehrten am Montag in den Distanzunt­erricht zurück, weil die Sieben-tageInzide­nz in ihrer Stadt oder ihrem Kreis über der Marke von 165 liegt. Ab dieser Schwelle sieht die Bundes-notbremse reinen Distanzunt­erricht vor – mit Ausnahme der Abschlussk­lassen. Präsenzunt­erricht in vollem Umfang hingegen wird zurzeit nur in Münster sowie in den Kreisen Coesfeld und Höxter erteilt, weil nur dort die Inzidenz unter 100 liegt. Zwischen 100 und 165 ist Wechselunt­erricht möglich.

Nachhilfep­rogramme für Schüler stehen am Mittwoch auf der Tagesordnu­ng der Plenarsitz­ung im Landtag. Die Opposition bringt eigene Anträge ein. Die Spd-fraktion fordert freiwillig­e, in den Schulen organisier­te Förderange­bote und individuel­le Förderplän­e. Dazu brauche es 80 zusätzlich­e Unterricht­sstunden – das wären für jeden Schüler zwei pro Woche. Um das nötige pädagogisc­he Personal gewinnen zu können, sollten nach dem Willen der SPD pensionier­te Lehrkräfte sowie

Studierend­e der pädagogisc­hen Berufe eingesetzt werden.

Auch die Grünen-fraktion hält die bisher zur Verfügung gestellten Mittel nicht für ausreichen­d. Um die Kommunen nicht mit dem organisato­rischen Aufwand für Räume oder Personal allein zu lassen, müssten sie auch für ihren Verwaltung­saufwand entschädig­t werden. Es müsse zudem möglich sein, dass Eltern sich von sich aus an die Schule wenden, wenn sie eine Teilnahme für ihre Kinder möchten.

Die Landesregi­erung stellt für Nachhilfep­rogramme landesweit bis zum Sommer 2022 rund 36 Millionen Euro zur Verfügung, die aber bisher schleppend abgerufen werden. Ursache dafür sind nach Informatio­nen unserer Redaktion unter anderem hohe bürokratis­che Hürden. „Die Mittel sind ausreichen­d kalkuliert“, teilte das Nrw-schulminis­terium hierzu auf Anfrage mit. Zudem werde das Land die Bundesinit­iative zum Abbau pandemiebe­dingter Lernrückst­ände in Höhe von insgesamt einer Milliarde Euro „konstrukti­v begleiten und in Nordrhein-westfalen wirkungsvo­ll umsetzen“.

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