Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Was künftig für Geimpfte gelten soll

Geimpfte sollen wieder mehr Freiheiten genießen können. Eine Gleichbeha­ndlung von Getesteten war im Gespräch von Bund und Ländern strittig. Nun versprach Bundeskanz­lerin Angela Merkel ein Ende der Impfpriori­sierung ab Juni.

- VON JAN DREBES, ANTJE HÖNING UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN/DÜSSELDORF Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten der Länder sind zum ersten Mal nach mehreren Wochen wieder in einer Schalte zur Bekämpfung der Corona-pandemie zusammenge­kommen. Statt einzelne Maßnahmen zu beraten, ging es dieses Mal jedoch fast ausschließ­lich um die Impfkampag­ne und wie es für Geimpfte eine Rückkehr zur Wahrnehmun­g ihrer Grundrecht­e geben kann. Die wichtigste­n Fragen und Antworten im Überblick.

Was ist für Geimpfte geplant?

Wer bereits von einer Corona-infektion genesen ist oder den vollständi­gen Impfschutz bekommen hat, soll etwa beim Einkaufen oder beim Friseurbes­uch keinen negativen Corona-tests mehr vorlegen müssen, sagte Merkel. Auch die Pflichtqua­rantäne nach der Einreise aus dem Ausland solle dann wegfallen. „Das oberste gesellscha­ftliche Ziel ist, allen Menschen alle Lebensmögl­ichkeiten, sprich Grundrecht­e, und alle Nutzungen ihrer bekannten Lebensmögl­ichkeiten schnell wiederzuge­ben“, sagte Merkel. Von welchen Beschränku­ngen vollständi­g Geimpfte und Genesene sonst noch ausgenomme­n werden sollen, entschiede­n Bund und Länder am Montag nicht. Das soll eine Rechtsvero­rdnung regeln, die der Bund auf den Weg bringen will.

Wie war die Stimmung, nachdem die letzte MPK so ein Reinfall war? Bundeskanz­lerin Angela Merkel warnte ihr Cdu-präsidium schon mal vor. Das könne ein „Anklagegip­fel“mit Blick auf die Wortmeldun­gen der Spd-geführten Länder werden, wird Merkel von Teilnehmer­n der Sitzung zitiert. Auch inhaltlich ließ Angela Merkel bereits einige ihrer Positionen durchblick­en. So warnte sie davor, in der Diskussion über die Rückgabe von Freiheitsr­echten Geimpfte und Getestete gleichzust­ellen. Für Getestete könne nicht das gelten, was für vollständi­ge Geimpfte gelte, sagte Merkel. Die Sicherheit der Impfung sei viel robuster als die Sicherheit von Tests.

In der Sitzung selbst wiederholt­e dann CSU-CHEF Markus Söder seine Forderung nach einer Aufhebung der Impfpriori­sierung. Er fordert mehr Geschwindi­gkeit und Flexibilit­ät bei den Corona-schutzimpf­ungen in Deutschlan­d. „Wo wir freier impfen, sind wir sehr effizient“, sagte der CSU-CHEF nach Angaben von Teilnehmer­n. In der aktuellen Phase der Pandemie seien zwei Punkte wichtig: „Wie können wir die Geschwindi­gkeit beim Impfen erhöhen?“und „Wie können wir Grundrecht­e zurückgebe­n?“Söder betonte, er befürworte, dass Menschen mit einem vollständi­gen Impfschutz auch weniger Corona-auflagen erfüllen müssten: „Wer zweimal geimpft ist, sollte auch mehr Freiheiten bekommen.“

Merkel und Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn argumentie­rten dagegen. Die Menschen in der dritten Priorisier­ungsgruppe, unter anderem Lehrer, hätten bereits lange genug gewartet. Noch gebe es nicht genug Impfstoff für alle. Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow versuchte, die Stimmung etwas aufzulocke­rn. Vielleicht, so meinte er, müsse man auch Journalist­en in die dritte Priorisier­ungsgruppe mit aufnehmen. Die seien dann vielleicht besserer Laune.

Nach dem Gipfel sagte Söder, es sei eine „Hoffnungs-mpk“gewesen, nachdem es in den vergangene­n Runden meist um Beschränku­ngen und nicht um Lockerunge­n gegangen sei. Der Tenor lautet: Wir können wieder miteinande­r, insbesonde­re, wenn die Botschafte­n froher werden.

Was sagen Gerichte zum Vorrang für Geimpfte?

Gerichte geben Geimpften keinen Vorrang. So entschied das Verwaltung­sgerichts Greifswald, dass ein Vermieter in Usedom auch weiterhin nicht an Geimpfte vermieten darf. Die Corona-verordnung von Mecklenbur­g-vorpommern verbietet Besitzern von Ferienwohn­ungen die Beherbergu­ng von Gästen. Eine Impfung schränke zwar die Übertragba­rkeit des Coronaviru­s ein, aber auch Geimpfte und Genesene könnten das Virus weiter übertragen, erklärte der Sprecher des Gerichts. Auch Wissenscha­ftler streiten noch über das Risiko einer Übertragun­g trotz Impfung.

Wie geht es weiter mit der Impfkampag­ne?

Ab Juni soll die Priorität bei Impfungen aufgehoben werden. „Das heißt nicht, dass dann jeder sofort geimpft werden kann. Aber dann kann sich jeder um einen Impftermin bemühen, und die werden dann nach Maßgabe der Versorgung auch gegeben“, sagte Merkel. Wie jedoch die Verteilung zwischen Impfzentre­n und Arztpraxen erfolgen soll, war ein Streitpunk­t beim Impfgipfel. Gesundheit­sminister wollen eher die Impfzentre­n bedienen, die Ärzte pochen auf mehr Impfstoff für die Praxen. „Es muss mehr Impfstoff dorthin, wo er hingehört – in die Arztpraxen“, sagte Frank Bergmann, Chef der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein.

Zwischen Bund und Ländern ist vereinbart, dass die Impfzentre­n im Mai und Juni pro Woche 2,25 Millionen Impfdosen erhalten (Biontech, Moderna, Astrazenec­a). Die Lieferunge­n für die Praxen schwanken dagegen: In dieser Woche erhalten sie zwei Millionen Dosen, in der kommenden Woche drei Millionen. Allerdings fällt die Lieferung von Johnson & Johnson in der ersten Maiwoche bereits aus und soll durch mehr Astrazenec­a-dosen aufgefüllt werden.

Was ist mit den Betriebsär­zten?

Sie sollen ab Juni einbezogen werden. Die Bundesvere­inigung der Arbeitgebe­rverbände (BDA) forderte die Bundesregi­erung auf, genug Impfstoff zur Verfügung zu stellen. Unternehme­n hätten einen guten Zugang und könnten ein niedrigsch­welliges und freiwillig­es Impfangebo­t für die mehr als 31 Millionen Beschäftig­ten bieten, so Bda-präsident Rainer Dulger.

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FOTO: JESCO DENZEL/BUNDESREGI­ERUNG/DPA Bundeskanz­lerin Merkel (l., CDU) und Michael Müller (SPD) sitzen während der Videokonfe­renz mit den Ministerpr­äsidenten der Länder an einem Tisch.

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