Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ein Testfall für die Testzentre­n

Schärfere Regeln im Handel und Probleme bei Schnelltes­ts für Geimpfte erschweren das lukrative Geschäft.

- VON CARSTEN PFARR UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Die Kommunen drängen darauf, weitere Bereiche an einen negativen Corona-test zu binden, um so die Zukunft der Testzentre­n zu sichern. So sagte der Vorsitzend­e des Städtetags NRW, Bielefelds Oberbürger­meister Pit Clausen, unserer Redaktion, das Handelsang­ebot in Verbindung mit einem Test werde nur spärlich nachgefrag­t. Clausen äußerte die Sorge, dass viele Testzentre­n bald wieder schließen könnten, wenn nicht ausreichen­d Testwillig­e kämen. Man müsse sich überlegen, wie man den Menschen ein attraktive­s Angebot mache. „Wir diskutiere­n bei uns in der Verwaltung, ob wir den Zutritt zu den Behörden an einen tagesaktue­llen Test knüpfen“, sagte Clausen.

Aktuell sehe die Corona-schutzvero­rdnung eine Koppelung des Ämtergangs an einen tagesaktue­llen Test nicht vor, erklärte eine Sprecherin des Nrw-gesundheit­sministeri­ums. „Soweit einzelne Kommunen eine solche Regelung vorgesehen haben, muss immer eine Ausnahme in akuten Fällen möglich sein, beziehungs­weise in Fällen, in denen ein Test aus persönlich­en Gründen nicht möglich ist.“

Wenn die Testzentre­n jedoch weiter Bestand haben sollen, muss etwas geschehen. Denn die bundesweit­e Corona-notbremse hat die Möglichkei­t beim Termin-shopping noch einmal deutlich eingeschrä­nkt. NRW vertrat bislang den Standpunkt, dass unabhängig von der Inzidenz alle Städte eine Test-option ziehen können. Das ist fortan nur noch bis zu einer Inzidenz von 150 möglich. In NRW lagen am Montag gerade einmal 13 von 53 Kreisen und kreisfreie­n Städten unter diesem Wert.

Nach Angaben des Nrw-gesundheit­sministeri­ums gab es im Land Anfang März 1862 Teststelle­n, in denen 73.162 Bürger getestet wurden. Innerhalb von sechs Wochen schnellte deren Zahl auf 7462 Teststelle­n und 1,3 Millionen getestete Bürger hoch.

Für diesen Anstieg gibt es einen Grund. Ein Sprecher der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Westfalen Lippe (KVWL) erklärte, den Testzentre­n werde der Aufwand mit zwölf Euro je Test entgolten, an Sachkosten würden sechs Euro ersetzt. Hinzu komme je eröffnetem Testzentru­m ein Pauschalbe­trag des Landes von 1000 Euro. „Das ist nicht unattrakti­v“, so der Sprecher. Ein Antigen-schnelltes­t ist im Einkauf in der Regel billiger. Bei Großbestel­lungen liegen die Preise derzeit zwischen 2,50 und 5 Euro – abhängig vom Hersteller und Anbieter des Tests. Es gibt aber auch Unternehme­n, die Tests für über sechs Euro das Stück verkaufen.

Ob es eine Marktberei­nigung im Zuge der neuen Regelungen gebe, sei schwer abzuschätz­en, sagt der Sprecher der KVWL. „Derzeit gehen wir bei den Testungen erst einmal von einer weiter steigenden Tendenz aus.“Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin des Landkreist­ags.

Über 3500 Testeinric­htungen und Teststelle­n rechnen aktuell über die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein (KVNO) ab. Insgesamt werde die KVNO im Monat April rund 26 Millionen Euro an die Leistungse­rbringer der Testverord­nung ausschütte­n, teilte sie mit. Mit Blick auf die Zukunft der Testzentre­n erklärte ein Sprecher der KVNO, grundsätzl­ich dürfte die Struktur insbesonde­re freier Testanbiet­er auch marktwirts­chaftliche­n Kriterien unterliege­n.

Die Testzentre­n stehen zudem vor einem weiteren Problem, das sich negativ auf ihre Geschäftsg­rundlage auswirken dürfte: Gesundheit­sstaatssek­retär Edmund Heller wies jüngst im Gesundheit­sausschuss des Landtags auf ein Problem mit den Schnelltes­ts bei Geimpften hin. Bei ihnen sei die Viruslast so gering, dass die Poc-tests negativ ausgingen, erläuterte der Staatssekr­etär. Auf die Frage, welche Folgen dies für den Fortbestan­d der Testzentre­n habe, verwies das Ministeriu­m darauf, die Frage der Erkenntnis­se von Poc-tests bei Geimpften und die Folgen daraus würden derzeit auch zwischen den Ländern diskutiert. „Mit Blick auf die neuen bundeseinh­eitlichen Regelungen wäre hier auch eine abgestimmt­e Regelung im Umgang mit der Testpflich­t für Geimpfte sinnvoll“, heißt es.

Die Opposition will, dass das Land seine Teststrate­gie neu ausrichtet. So forderte Josef Neumann, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der Spd-landtagsfr­aktion, eine viel dezentrale­re und kleinteili­gere Test-infrastruk­tur: „Nicht die Menschen müssen zu den Tests, sondern die Tests müssen zu den Menschen kommen.“Viele Testzentre­n seien oft nicht fußläufig zu erreichen und auch nicht dort angesiedel­t, wo viele Menschen automatisc­h und oft vorbeikäme­n.

„Um eine flächendec­kende Versorgung und Nutzung zu ermögliche­n, brauchen wir daher viele kleine Teststatio­nen. Ich denke da beispielsw­eise an die sozialen Beratungsz­entren oder die Quartiersz­entren. Auch mobile Testteams müssen viel mehr zum Einsatz kommen“, sagteneuma­nn. Die Grünen fordern derweilen in einem Antrag Änderungen an der Corona-schutzvero­rdnung. So solle eine echte Testpflich­t für Beschäftig­te und nicht nur ein Testangebo­t eingeführt werden. Zudem müsse die Test-option für die Kommunen gestrichen werden, fordern sie.

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FOTO: MICHAEL KNEFFEL/IMAGO Der Eingang zum Corona-testzentru­m einer Apotheke in der Essener Rathausgal­erie im Stadtzentr­um m 23. April.

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