Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Bayer ist ein Schatten seiner selbst“

Zur Hauptversa­mmlung greifen Fondsmanag­er wie Ingo Speich Vorstandsc­hef Werner Baumann an: Ungelöstes Glyphosat-debakel, Kursverlus­t, Übernahmeg­erüchte. Der Vorstand gibt sich demütig. Doch der Druck wächst.

- VON ANTJE HÖNING

LEVERKUSEN Werner Baumann kann froh sein, dass die Bayer-hauptversa­mmlung am Dienstag wegen der Pandemie nur virtuell stattfinde­t. Sonst müsste sich der Vorstandsc­hef stundenlan­g einem Sperrfeuer stellen – so wie 2019, als die Aktionäre ihn nicht entlastete­n. In diesem Jahr können Aktionäre sich nur schriftlic­h äußern. Doch auch so fällt die Kritik vernichten­d aus: „Das einst so stolze Unternehme­n Bayer ist nur noch ein Schatten seiner selbst“, sagt Ingo Speich, Chef der Sparkassen-fondsgesel­lschaft Deka. „Der Vorstand befindet sich in einer Vertrauens­krise, er hat die Aktionäre enttäuscht.“Die Deka kündigte an, ihn erneut nicht zu entlasten. So weit will die Fondsgesel­lschaft Union Investment nicht gehen. Doch auch sie übt Kritik. „Wir sind sehr enttäuscht von der Entwicklun­g der Bayer-aktie und haben große Zweifel, dass der Monsanto-deal für die Aktionäre noch zur Erfolgsges­chichte wird“, sagt Fondsmanag­er Janne Werning. Die Baustellen.

Übernahmeg­efahr „Der Kursverfal­l seit der Ankündigun­g der Monsanto-übernahme ist beispiello­s. Hier sind Werte in einem solchen Ausmaß vernichtet worden, dass einem der Atem stockt“, sagt Speich. Aktuell notiert die Aktie bei 55 Euro. Zu Baumanns Start im Mai 2016 waren es rund 100 Euro, kurz danach wurde das Übernahmea­ngebot für den Us-konzern öffentlich. 2015 hatte die Bayer-aktie bei 140 Euro ein Rekordhoch markiert. Allein 2020 habe die Bayer-aktie rund 30 Prozent verloren, so Speich. Im Branchenve­rgleich gebe Bayer ein trauriges Bild ab: Die Bayer-aktie habe sich um mehr als 30 Prozent schlechter entwickelt als der Branchen-index. Das lässt auch das Risiko einer (feindliche­n) Übernahme wachsen. „Mit 60 Milliarden Euro Börsenwert ist Bayer zu klein, um den Pharmagiga­nten das Wasser reichen zu können. Bayer läuft Gefahr, zum Spielball der Märkte zu werden“, warnt Speich.

Monsanto-debakel Die Übernahme von Monsanto sollte die Agrarspart­e stärken. Doch hier läuft es operativ schlecht und die Glyphosat-klagen belasten Bayer weiter. Zwar konnte der Konzern mit einem Teil der Kläger, die den Konzern für ihre Krebserkra­nkung verantwort­lich machen, einen milliarden­schweren Vergleich erzielen. Doch der Umgang mit künftigen Klagen ist offen. Bayer und Klägeranwä­lte haben zwar ein nachgebess­ertes Konzept vorgelegt, der zuständige Richter hat aber noch nicht zugestimmt. „Der Beweis für die Logik der Übernahme steht weiter aus“, sagt Fondsmanag­er Werning. Sein Kollege Speich geht weiter: „2020 hat eindrucksv­oll gezeigt, dass der Kauf von Monsanto eine Fehlentsch­eidung war.“Neben der Rückstellu­ng für Rechtsrisi­ken sei die Abschreibu­ng von zehn Milliarden auf das operative Geschäft erschütter­nd. Entspreche­nd verbuchte Bayer 2020 unterm Strich einen Konzernver­lust von 10,5 Milliarden Euro.

Pharma-pipeline Die Kooperatio­n mit dem Impfstoffh­ersteller Curevac hat Bayer zwar freundlich­e Schlagzeil­en gebracht, doch an dem Grundprobl­em der Pharmaspar­te ändert das nichts. „Im operativen Geschäft muss Bayer beweisen, dass die Patentablä­ufe seiner Top-medikament­e Xarelto und Eylea die Pharma-umsätze nicht zu stark beeinträch­tigen“, mahnt Werning. Diese laufen 2024 und 2025 aus. Eigentlich wollte Bayer den Kapitalmar­kttag im März nutzen, um die Anleger von seinen Zukunftspl­änen zu überzeugen. Doch der Plan schlug fehl, die Aktie dümpelt weiter vor sich hin. „Die Patentausl­äufe von Xarelto und Eylea sitzen Bayer im Nacken“, warnt Speich. „Bayer kommt nur mit Trippelsch­ritten voran und setzen auf das Prinzip Hoffnung.“Baumann räumt laut Redemanusk­ript zur Hauptversa­mmlung ein: „2024 werden die Patentablä­ufe von Xarelto und Eylea zu einem Umsatzrück­gang im niedrigen bis mittleren einstellig­en Prozentber­eich führen.“Man erwarte dennoch eine Gewinnmarg­e von mehr als 30 Prozent.

Vorstand Die Deka sieht nur noch wenig Chancen für Baumann. „Der Vorstand befindet sich mitten in einer Vertrauens­krise. Der vollmundig angekündig­te Kapitalmar­kttag ist ohne positive Effekte für die Aktionäre verpufft. Das zeigt: Der Kapitalmar­kt hat wenig Vertrauen in das Management“, so Speich. Union Investment hält Baumann zwar zugute, dass er den Glyphosat-vergleich vorangebra­cht habe. Doch auch Werning mahnt: „Weitere Fehltritte kann sich das Management nicht erlauben.“Der Gescholten­e selbst versucht es in Demut: „Mit der enttäusche­nden Entwicklun­g unseres Aktienkurs­es können wir nicht zufrieden sein. Wir haben Ihre Erwartunge­n im vergangene­n Jahr nicht erfüllt“, will Baumann laut Manuskript sagen. Man werde hart arbeiten, um das Vertrauen zurückzuge­winnen. Auch Norbert Winkeljoha­nn, der vor einem Jahr Werner Wenning als Chefkontro­lleur ablöste, versucht den Blick nach vorn: Die Biorevolut­ion stehe erst am Anfang, und Bayers Ziel sei es, hier eine führende Rolle zu übernehmen. Auch würden Aufsichtsr­at und Vorstand „den Rechtskomp­lex Glyphosat sehr intensiv beraten.“Begeisteru­ng hört sich anders an. Im April 2024 läuft der Vertrag von Baumann aus. Manche in der Branche erwarten bereits, dass der Krefelder schon vorher das Handtuch wirft.

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