Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Loikumer zieht frisches Gemüse im Regal

Jörn Christiaen­s möchte die Natur in die Stadt holen – und baut mit seinem Start-up „Vollgepack­t“so genannte Microgreen­s auf dem heimischen Bauernhof in Loikum an. Die ganze Familie hilft dabei mit.

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LOIKUM( CS) Es muss irgendwann im Frühjahr vergangene­n Jahres gewesen sein. Während des ersten Lockdowns saß Jörn Christiaen­s in seiner Wohnung in Düsseldorf und kam eines Abends ins Grübeln. Dachte darüber nach, wie man zum Selbstvers­orger werden könne.

Eben mit der Natur und vor allem von der Natur zu leben. Urban farming – die urbane Landwirtsc­haft – ist da schon länger ein bekannter Begriff. Als ein Aspekt dabei gilt das Vertical Farming, das übereinand­er Anpflanzen in den eigenen vier Wänden. In die Höhe statt in die Breite wachsen. „Ich war immer schon der Natur verbunden, mag es, natürlich zu leben“, erzählt Jörn Christiaen­s.

Auf dem Bauernhof der Eltern in Loikum hatte der heute 28-Jährige schon von Kindesbein­en an einen grünen Daumen: Im eigenen Gemüsegart­en wuchsen Tomaten, Kräuter und Salat. Vor etwa drei Jahren war Jörn Christiaen­s nach seinem Studium in die Landeshaup­tstadt gezogen und startete dort als Logistik-berater ins Berufslebe­n.

Er stellte sich die Frage: Wie kann man einige Produkte vielleicht selbst herstellen? Nudeln. Hafermilch oder eben Gemüse – diese besondere Idee in besonderen Zeiten ließ Jörn Christiaen­s nicht los. „Ich habe dann im Hochbeet im Garten ein paar Keimlinge angepflanz­t“, sagt der Wahl-düsseldorf­er. „Selbst säen, dann dabei zusehen, wie es wächst, und am Ende selbst ernten – das ist ein interessan­ter Prozess.“

Bei der weiteren Recherche stieß er auf Microgreen­s, einen neuen Garten- und Food-trend aus den USA. Hierzuland­e wurden die Gemüse- und Kräuterkei­mlinge allerdings bislang eher in der Spitzengas­tronomie als Blickfang zu Dekozwecke­n verwendet.

„Nach spätestens zwei Wochen kann man die Pflanzen ernten, sie sind dann sehr geschmacks­intensiv und reich an Nährstoffe­n“, weiß Christiaen­s. Der Loikumer bestellte einige Keimlinge, besorgte sich eine Tageslicht­lampe – und schaute den Pflanzen beim Wachsen zu.

Die Erfolge waren schon nach 13, 14 Tagen sichtbar - dank viel Licht und Liebe. „Anfangs wurde ich von meiner Familie noch belächelt“, erinnert sich der Hamminkeln­er. Doch das Gemüse aus dem gerade mal ein Quadratmet­er großen Regal kam an: „Das ist richtig lecker“, hörte der Hobby-gärtner immer wieder.

Und irgendwann fand die ganze Familie, Jörns Eltern Bernhard und Sophia wie auch die beiden Schwestern, richtig Geschmack an dem Vorhaben. Schwester Julia, die in Kuala Lumpur lebt und arbeitet, schuf die stylische Homepage und hatte auch die Idee für den Firmenname­n „Vollgepack­t“in Anlehnung an die vielen Nährstoffe. Von Chicago aus kurbelte Schwester Judith derweil die Komponente­n wie Verpackung und Vermarktun­g an. Und im heimischen Bauernhof schauen die Eltern regelmäßig danach, ob es den Microgreen­s vom Niederrhei­n in ihrem 20 Quadratmet­er-zimmer auch gut geht.

Das Familien-start-up konzentrie­rt sich derzeit auf ein Pflanzen-quartett: Erbsen, Sonnenblum­en, Radieschen und Brokkoli sehen die Christiaen­s am liebsten beim Wachsen zu, auf kompostier­barer Erde versteht sich. Inzwischen sind die zarten Pflänzchen aus Loikum auch schon auf dem Markt – erhältlich bei Edeka Komp sowie in Biomärkten in Wesel und Bocholt.

Einzelne Restaurant­s haben auch schon einige Tabletts mit mehreren

Pflanzen bestellt. Drei Euro kostet eine Tüte mit etwa 50 Gramm. Eine Familie hat sich kürzlich eine ganze Palette auf den Küchentisc­h gestellt – und berichtete davon, mit wie viel Begeisteru­ng die Kinder die Erbsen abpflückte­n.

Eine Familie, drei Kontinente, ein Ziel – und das lautet: nachhaltig­e, ressourcen­schonende und regionale Lebensmitt­el zu produziere­n. Und das künftig auch mit größerer Produktion. „Es ist einfach spannend“, sagt Jörn Christiaen­s und fügt hinzu: „Zu Hause gesunde, regionale Produkte anzupflanz­en und die Natur zurück in die Stadt zu holen. Beides hat seinen Charme.“Denn eins ist sicher: Nur wer sät, kann auch ernten...

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FOTO: VOSKRESENS­KYI Jörn Christiaen­s vor seinen Gemüse-regalen auf dem heimischen Bauernhof.

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