Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Neues Leben in den alten Gebäuden
Die Evangelische Stiftung Lühlerheim erhielt am Montag von der Regierungspräsidentin rund 295.000 Euro. Die Mittel aus dem Dorferneuerungsprogramm fließen in den Erhalt der regionaltypischen historischen Gebäude.
SCHERMBECK „Das ist schöner als Ostern und Weihnachten an einem Tag zusammen“, versicherte Theo Lemken, Leiter der Evangelischen Stiftung Lühlerheim, Montagnachmittag in einer Videokonferenz der Regierungspräsidentin Birgitta Rademacher. In der Runde, an der Elke Landers vom Stiftungsrat und Schermbecks Bürgermeister Mike Rexforth teilnahmen, überreichte die Regierungspräsidentin symbolisch Förderbescheide über rund 295.000 Euro. Die Mittel stammen aus dem Dorferneuerungsprogramm 2021 und fließen in den Erhalt der regionaltypischen historischen Gebäude. Für Vorhaben an Haupthaus, Pferdestall und Feldscheune ist eine Gesamtinvestition von rund 454.000 Euro vorgesehen.
„Es freut mich, dass Sie ganz konkret in Steine investieren und dabei diese Steine mit ihren Ideen kombinieren“, lobte die Regierungspräsidentin die geplante Verbesserung des Lebensumfeldes. Sie war beeindruckt von bereits erfolgten Arbeiten, über die Lemken in einer Rückschau auf die Entwicklung des Lühlerheims seit der Gründung 1886 berichtete. Als Arbeiterkolonie wurde es im Grenzbereich zwischen Hünxe und Schermbeck gebaut, um obdachlose Personen sesshaft zu machen. Wilhelm II. stiftete 180 Hektar Land, welches im Lauf der Jahrzehnte urbar gemacht wurde. Die Stiftung Lühlerheim war zunächst landwirtschaftlich ausgerichtet. Anfang der 80er-jahre trat dies zusehends in den Hintergrund. Diese Entwicklung wurde besonders augenfällig, als im Zuge weiterer Rationalisierungsmaßnahmen das
Milchvieh abgeschafft und die Rotbuntherde – einst Kennzeichen für die Landwirtschaft des Heims – versteigert wurde. Mit der Abschaffung des Mastviehs 1989 und schließlich auch der Schweine gingen Viehzucht und Viehhaltung hier zu Ende. Zur Jahrtausendwende wurde mit Verpachtung der Acker- und Weideflächen die Landwirtschaft ganz aufgegeben, Viele ehemalige Ställe wurden seither als Atelier, Wohnungen, Wäscherei, Fahrradwerkstatt oder Lager genutzt.
Die Erneuerung landwirtschaftlicher Aktivitäten ist Teil eines vor sechs Jahren begonnenen Konzeptes. Das, so Lemken, verfolge unter anderem das Ziel, die Einrichtung zu einem Begegnungsraum zwischen Bewohnern und den Menschen der Umgebung zu machen. „Wir befinden uns zwar mitten im Grünen“, sagte Lemken, „aber das muss kein Nachteil sein, wenn man es versteht, den Standort interessant zu machen.“Inzwischen habe man damit begonnen, die Landwirtschaft zu beleben. Lemken berichtete vom 2020 eröffneten Archehof, der von der Leader-region Lippe-issel-niederrhein unterstützt wurde.
Ziele der Wiederbelebung in den historischen Gebäuden sind unter anderem eine Mutterkuhhaltung und eine Schweinemast. „Wir haben keinen Streichelzoo“, betonte Elke Landers. Vielmehr solle die Landwirtschaft sich selbst tragen. Deshalb habe man einen Diplom-landwirt beschäftigt. Das Fleisch soll ortsnah vermarktet werden. Außerdem sollen Bewohner der Einrichtung in der Landwirtschaft eine Beschäftigung erhalten. Geplant ist eine Ziegenkäserei. Die Regierungspräsidentin hat versprochen, zur Einweihung am 24. Mai 2022 zu kommen.
Einige Tiere sollen auch für Therapiezwecke eingesetzt werden. Derzeit würden sechs Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach geschult. Im Nordflügel des Hauptgebäudes wird das Büro der Sozialberatung entstehen. Im Zwischentrakt befinden sich künftig Billardraum, Bewohner-café und Speisesaal. Die Küche bleibt im Südflügel, in dessen oberem Teil die Verwaltung untergebracht wird. Die Feldscheune wird Futterlager.
„Mich fasziniert besonders, dass hier ländliche Traditionen wieder belebt werden“, lobte die Hamminkelner Landtagsabgeordnete Charlotte Quik (CDU). Bürgermeister Rexforth zeigte sich beeindruckt von „herausragenden Ideen des Lühlerheims“, das zum beliebten Ausflugsort geworden sei.