Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Der neue Alpener SPD-CHEF setzt auf die Vernunft
ALPEN Schubladen passen nicht für den neuen Mann an der Spitze der Spd-ratsfraktion. Sein unverkennbar rheinischer Zungenschlag wischt das Klischee des kämpferischen Genossen sofort weg. Dabei kommt der Mann beruflich aus dem Bergbau. Erst Braun-, später Steinkohle. Äußerlich ähnelt Armin Lövenich (64) eher jemandem, der morgens mit der Aktentasche ins Büro geht, am aufgeräumten Schreibtisch statt an der Drehbank seinen Job mit aller Sachlichkeit erledigt. So will er Politik machen. Probleme „mit Vernunft“lösen.
„Vernünftig“– dieses Attribut benutzt Armin Lövenich häufig. Auch für seine rheinische Sprachmelodie. Sein Vater habe immer gesagt: „Egal wie ich spreche, Hauptsache es ist vernünftig.“Aufgewachsen ist Lövenich in Langerwehe im Kreis Düren – „eher Köln als Aachen“. Der TUS habe mal gegen Hertha gewonnen, erzählt er. Nach dem Abitur Bundeswehr, dann Studium. Marktscheidewesen, eine klassische Disziplin des Bergbaus, an der RWTH Aachen. Hier hat er auch seinen Doktor gemacht. „Über ein „ingenieur-mathematisches Thema“, sagt er und geht uneitel drüber hinweg.
Seine recht wechselhafte berufliche Laufbahn beginnt er im Braunkohle-tagebau, befasst sich als Assessor mit bergrechtlichen Fragen, verantwortet später für die Ruhrkohle auf Zeche Ewald in Herten Erkundungsbohrungen. Mit Fracking kennt er sich aus. Die höchst umstrittene Methode, Gas zu fördern, hat sich nicht durchgesetzt. Dabei seien die Umweltprobleme beherrschbar, ist er überzeugt.
Sein Wissen über die Dinge unter Tage gebe er gern weiter. So an die Bürgerinitiative der Salzberbau-geschädigten. „Es braucht eine Stiftung, in die eingezahlt wird“, sagt Lövenich. Es müsse zur Schadensregulierung „langfristig Geld zu Verfügung stehen, auch in der Rechtsnachfolge der Verursacher“.
Auf Zeche habe er gelernt, „worauf es ankommt“. Auf Zusammenhalt. Der Bergbau habe sein soziales Gewissen geprägt. „Das Soziale“, sagt der Sohn eines Gewerkschafters, der sich selbst als konservativ bezeichnet, sei ihm „immer wichtig gewesen“. Sein Credo: „Das Kapital muss den Menschen dienen.“
Anfang der 90er Jahre sei er mit Frau Marie Claude, einer Französin, und der Tochter ins neue Haus eingezogen. „Alpen ist meine Heimat geworden“, sagt der 64-Jährige. Auch wenn er zwischenzeitlich für die Arbeitsagentur in Nürnberg bundesweit Strukturen zur Immobilienbewirtschaftung aufgebaut hat. Nun ist er schon lange Leiter des Bau- und Liegenschaftsamtes NRW in Duisburg mit 280 Beschäftigten. „Fast nur Akademiker“, sagt er und lacht. Ein wenig stolz sei er, dass er daran beteiligt gewesen sei, Kamp-lintfort zum Hochschulstandort zu machen.
Über seine Nachbarn sei er zur Politik gekommen. „Es ist mir wichtig, das Umfeld, in dem ich lebe, mitzugestalten“, sagt er. 2004 ist er für die Genossen als Bürgermeister-kandidat in den Ring gestiegen. Ohne Chance gegen CDU-MANN Thomas Ahls. Dem bescheinigt er heute einen „guten Job“. Dass sich die SPD im Sinkflug befinde, sei bundespolitisch verursacht. „Die SPD verkauft sich nicht gut. Und ihr ursprüngliches Klientel ist weggebrochen“, so die Kurzanalyse. Aber: „Es gibt weiter viel Armut.“Der Euphoriewelle, auf der die Grünen schwimmen, begegnet er mit der Idee „einer sozialen Ökologie“. Es gehe um technische Lösungen und auch um Jobs.
Ein trauriger Umstand hat ihn an die Spitze der Fraktion gebracht. Er muss die Lücke füllen, die Jörg Banemann hinterlässt. Lövenichs Vorgänger, Weggefährte und gleichaltriger Freund ist Anfang des Jahres an den Folgen einer Covid-erkrankung verstorben. „Immer noch nicht richtig zu fassen“, so Lövenich. „Aber das Leben geht weiter.“Er muss seine Rolle finden. Im politischen Clinch liegt ihm der aggressive Ton nicht. Er will im Rat „nicht wie ein trotziges Kleinkind“auftreten. Und er scheut sich nicht, mal mit der CDU zu stimmen. Es gehe ihm, so der Bald-rentner, um „ein lebenswertes Alpen für alle“– auch für Enkel Ben (3,5). Um Vernunft eben.