Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Frances Mcdormand, Superstar
Für ihre Hauptrolle in „Nomadland“erhält die 63-Jährige ihren dritten Oscar. Dabei wollte sie sich eigentlich schon zur Ruhe setzen.
LOS ANGELES Vor wenigen Jahren spielte Frances Mcdormand noch mit dem Gedanken, Hollywood den Rücken zu kehren und ganz gemütlich in einer kleinen Stadt unter anderem Namen zu leben. Sie dachte, mit 60 bekomme sie ohnehin keine guten Rollen mehr. Aus dem Plan ist nichts geworden. Stattdessen gewann die heute 63-Jährige zwei weitere Oscars. Frances Mcdormand hat in der Liste der erfolgreichsten Schauspielerinnen aufgeschlossen zu Ingrid Bergman und Meryl
Streep, nur Katherine Hepburn steht mit vier Oscars noch darüber.
Mcdormand gewann für ihre Hauptrolle in dem Drama „Nomadland“ihre dritte Auszeichnung nach „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“2018 und „Fargo“1997. Tatsächlich spielt sie die Witwe Fern, die ihre Stadt verlässt, um in einem Van saisonalen Jobs hinterherzureisen, mit so viel Empathie, so bescheiden und unprätentiös, dass im Vorfeld kaum jemand gezweifelt hat, dass sie den Preis bekommt.
Frances Mcdormand war zum ersten Mal 1984 im Kino zu sehen, damals trat sie in „Blood Simple“auf, dem ersten Film, den ihr Mann Joel Coen mit seinem Bruder Ethan drehte. Sie wurde zum Star in deren Filmen, und ihre hochschwangere Kleinstadtpolizistin Marge Gunderson aus der Coen-produktion „Fargo“gehört zu den großen Figuren der jüngeren Filmgeschichte.
Frauen mit fest gefügtem Weltbild sind ihre Spezialität. Einzelgängerinnen, die unverbrüchlich anmuten und näher an die Wahrheit wollen. Frauen wie „Olive Kitteridge“oder die Mutter, die in „Three Billboards“Gerechtigkeit sucht. Für den Zuschauer ist die Gefahr groß, zu denken, da sehe man nicht einer Figur zu, sondern Mcdormand, wie sie ist. Sie gilt als verschlossen, gibt selten Interviews, hält ihr Privatleben unter Verschluss. Sie ist eine Ausnahmeerscheinung in Hollywood, schreitet ungeschminkt und mit eigener Jeansjacke über der geliehenen Designer-robe über den Roten Teppich. Bei ihrem letzten Oscar-gewinn 2018 plädierte sie dafür, Diversität vor und hinter der Kamera vertraglich festzuschreiben.
Vielleicht ist das ihr größtes Talent: Figuren wahrhaftig wirken zu lassen. Wie Menschen, die man kennt. Sie verschwinde nicht in der Rolle der Fern, schrieb ein Kritiker der „New York Times“über Mcdormand in „Nomadland“. Sie helfe Fern vielmehr, ans Licht zu treten.
Der Mythos sagt, die Laiendarsteller, die in dem halbdokumentarischen „Nomadland“mehr oder weniger sich selbst spielen, wussten gar nicht, dass Mcdormand ein Hollywood-star ist. Sie dachten vielmehr, sie sei eine von ihnen, eine Arbeitsnomadin, die unterwegs lebe.
Der Oscar geht jedenfalls voll in Ordnung.