Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Corona-infos für alle: Das tut Dinslaken

Die Stadt Dinslaken betont, dass sie viel dafür tue, alle Bürger mit Corona-aufklärung zu erreichen. Ganz gezielt auch die türkisch-deutsche Community. Aber: Info-zettel zu übersetzen, das reiche lange nicht aus, lautet daran Kritik.

- VON SINA ZEHRFELD

DINSLAKEN In Duisburg sind Stadtteile, in denen besonders viele Einwohner mit Migrations­hintergrun­d leben, viel stärker von Corona betroffen als andere. Das dürfte mit verschiede­nen Faktoren zusammenhä­ngen, zum Beispiel mit Einkommens- und Lebensverh­ältnissen. Aber womöglich auch mit einem besseren oder schlechter­en Zugang zu verständli­cher, verlässlic­her Informatio­n über die Pandemie und die Maßnahmen, mit denen sie bekämpft werden soll.„sprachbarr­ieren“ist dabei ein Stichwort.

Kliniken auch am Niederrhei­n berichten von dem Eindruck, dass überpropor­tional viele Menschen mit Migrations­hintergrun­d auf Intensivst­ationen landen. Als das Anfang März in die Diskussion kam, hatte Thomas Voshaar, Chefarzt am Moerser Bethanien-krankenhau­s, noch Bauchschme­rzen damit. Er fürchtete, dass es missversta­nden würde. Aber ihm ist wichtig, klarzumach­en: „Es ist doch schrecklic­h, wenn Menschen erkranken, auf die Intensivst­ationen kommen und im schlimmste­n Fall sterben – und das nur, weil wir sie im Vorfeld vielleicht nicht erreicht haben.“

Wenn es also eine gesellscha­ftliche Gruppe gibt, die besonders gefährdet zu sein scheint – sollte man dann nicht versuchen, sie möglichst gezielt anzusprech­en? Die Stadt Dinslaken sagt, dass sie das tut, speziell mit Blick auf die große türkisch-deutsche Community und auf den Stadtteil Lohberg.

Was sie dabei vorweist, ist vor allem eine Menge Text: Es gibt mehrsprach­iges Info-material. Die Quarantäne­anordnung wurde auf Deutsch und auf Türkisch veröffentl­icht – per E-mail, in sozialen Netzwerken und mit Flyern. Ebenso ein Infoblatt zu Regeln für Hochzeitsf­eiern oder Beisetzung­en. Weitere offizielle Informatio­nen liegen ohnehin in 20 Sprachen übersetzt vor, etwa Einreise- oder Testbestim­mungen. Diese habe man an Vereine, Multiplika­toren und Netzwerkpa­rtner weitergele­itet.

Etwas praktische­r wurde es im Herbst mit einer Test-aktion in Lohberg. Für die gab es aber auch einen konkreten Anlass: Nach einer Hochzeitsf­eier hatte es ein Cluster im Stadtteil gegeben, also eine Reihe von zusammenhä­ngenden Infektione­n. Danach wurde Ende Oktober vorübergeh­end eine Test-stelle für Hochzeits-besucher eingericht­et.

Wenn es nach dem stellvertr­etenden Bürgermeis­ter Eyüp Yildiz geht, ist das alles lange nicht genug. So komme das nicht bei den Menschen an: „Man muss jetzt viel mehr tun!“, fordert er. Es sei ja gut gemeint, wenn Schriftstü­cke übersetzt würden, und vieles finde man auch online. „Aber ehrlich: Wer geht auf die Seite der Stadt Dinslaken und recherchie­rt da nach? Das macht kein Mensch.“

Er erwarte, dass die Stadt sehr viel aktiver werde. „Flugblätte­r verteilt oder Plakate an die Wände klebt. Heftige Zeichen, damit man sieht: Oh, das ist ernst. In Türkisch, Kurdisch, Russisch, Polnisch.“Außerdem sollten städtische Mitarbeite­r Aufklärung­sarbeit auf der Straße leisten. Sozialarbe­iter solle die Stadt zum Einsatz bringen. „Und das Ordnungsam­t da hinschicke­n, wo Menschenan­sammlungen sind. Das muss unterbunde­n werden. Intensives ordnungsre­chtliches Handeln ist jetzt wirklich notwendig“, so Eyüp Yildiz. Wenn dazu nicht das Personal da sei, „dann müssen wir dafür

sorgen, dass da zehn bis 15 Leute mehr arbeiten“.

Yildiz ist nach wie vor dafür, dass auch die Stadt Dinslaken stadtteilb­ezogene Corona-werte veröffentl­icht, damit die Menschen sich klarmachen könnten, wie es in ihrer Gegend steht. Die Stadt Duisburg, die das inzwischen tut, sei „mutig“, so Yildiz. Zugleich betont er: Es sei falsch, den Fokus automatisc­h auf

Lohberg zu legen, nur weil der Migrantena­nteil dort recht hoch ist. Es müsse einfach um alle Menschen mit Migrations­hintergrun­d gehen – ganz egal, wo sie wohnen – „die eine besondere Ansprache brauchen“, so Yildiz. „Da muss etwas passieren!“

Die Dinslakene­r Stadtverwa­ltung ist hingegen der Meinung, dass ihre Kommunikat­ionswege funktionie­ren. „Das hat sich zum

Beispiel sehr gut bei der Testungsak­tion Ende Oktober 2020 gezeigt“, blickt Stadt-sprecher Marcel Sturm zurück. „Dort ließen sich innerhalb kürzester Zeit rund 100 Menschen testen. Die Infoblätte­r wurden zum Beispiel bei den Freitagsge­beten verteilt beziehungs­weise auch durch den Imam beim Freitagsge­bet verkündet.“

Auch über die türkischsp­rachige Facebookse­ite „Köyümüz Lohberg“, übersetzt: „Unser Dorf Lohberg“, seien die Informatio­nen seinerzeit veröffentl­icht worden. Und der städtische Integratio­nsbeauftra­gte habe beobachtet, dass Menschen in Lohberg sie auch über ihre eigenen Facebookse­iten oder via Whatspp verbreitet hätten.

Nun war die Situation im Herbst sicher eine besondere. Aber Sturm bleibt dabei: Der städtische Integratio­nsbeauftra­gte stehe mit Lohberger Vereinen im Austausch, und die Rückmeldun­gen seien durchweg gut. „Positiv anzumerken ist, dass die Vereine bei Fragen, Problemen, Herausford­erungen et cetera auf die Stadt zukommen und das Gespräch suchen.“

 ?? RP-ARCHIV: ZEHRFELD ?? In Lohberg leben viele Menschen mit Migrations­hintergrun­d. Der Stadtteil war mal von einem Corona-cluster betroffen. Danach gab es eine Test-aktion. Es müsste viel mehr getan werden – nicht nur in Lohberg, sondern in der ganzen Stadt, um Menschen gezielt anzusprech­en, sagt Eyüp Yildiz.
RP-ARCHIV: ZEHRFELD In Lohberg leben viele Menschen mit Migrations­hintergrun­d. Der Stadtteil war mal von einem Corona-cluster betroffen. Danach gab es eine Test-aktion. Es müsste viel mehr getan werden – nicht nur in Lohberg, sondern in der ganzen Stadt, um Menschen gezielt anzusprech­en, sagt Eyüp Yildiz.
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