Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wut über die Zumutungen für Familien
In der Corona-pandemie müssen Eltern nicht nur unter schwierigen Bedingungen Ernährer sein, sondern auch Lehrkräfte, Krisenmanagerinnen, Psychologen, It-fachleute und Hobby-mediziner. Einem Vater reicht es.
DINSLAKEN (cd) Nach 14 Monaten Corona-pandemie ließ Stefan Walko seinen angestauten Emotionen freien Lauf. In einem Leserbrief schrieb sich der vierfache Familienvater aus Dinslaken den Corona-frust von der Seele. Darin bemängelt er verfehlte oder unzureichende Corona-maßnahmen. Im Gespräch macht Walko einen erschöpften Eindruck. Ein Bericht über strapazierte Nerven und Belastungen im Corona-alltag.
Seit Ausbruch der Pandemie seien er und seine Frau nicht nur Eltern und Ernährer der vier Kinder zu Hause, macht er in seinem Schreiben deutlich. Zusätzlich sei das Ehepaar noch Pädagoge, Psychologe, Lehrer, Krisenmanager, Hobby-mediziner, IT Fachexperte und Konsultor. „Es ist eine extrem belastende Situation. Weil meine Frau und ich in so viele Dinge für unsere Kinder involviert sind, bleiben viele zwischenmenschliche Dinge auf der Strecke. Auch in der Partnerschaft. Damit wir überhaupt etwas Zweisamkeit haben, stehen wir viel früher auf, als die Kinder“, so Walko.
Weil sich die politischen Maßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie beitragen sollen, immer wieder ändern, fühlt sich der vierfache Vater alleine gelassen. „Wir müssen uns immer wieder auf Dinge neu einstellen. Man bekommt keine Routine in den Alltag. Das meiste muss man selbst organisieren. Es kommen keine Informationen bei uns an.“Die meisten Corona-regeln für die Schulen habe er beispielsweise aus den Medien erfahren.
Insbesondere beim Thema Distanz- und Wechselunterricht platzt Stefan Walko der Kragen: „Erst hieß es, Stoffmasken sind in Ordnung. Nun greift man auf FFP2- oder medizinische Masken zurück. Dass man Kindern deswegen in den Schulen mehr Erholungspausen einräumt, ist vom Bildungs- und Gesundheitsministerium nicht vorgesehen“, so Walko. Außerdem seien die meisten Schulen für das Konzept des Quer-lüftens gar nicht geeignet.
„Unabhängig der Tatsache, dass Klassenräume überhaupt nicht dafür konzipiert sind, eine effektive Quer-lüftung zu ermöglichen (da sie in der Regel nur eine Tür haben), ist sie auch nur dann sinnvoll, wenn der Temperaturunterschied von Innen- zu Außentemperatur möglichst hoch ist“, moniert Walko in seinem Leserbrief.
Die Kinder würden durch die Maßnahmen und die für ihn willkürlich-festgelegte Inzidenzzahl von 165 für Schulschließungen zu „Laborratten“gemacht, formuliert Walko drastisch.
Weil Stefan Walko jeden Tag in die Firma muss, übernimmt seine Ehefrau die Betreuung der Kinder. Wenn mal wieder Distanz- oder Wechselunterricht angesagt ist, muss sie für zwei der vier Kinder auch die Lehrerrolle übernehmen. „Meine Frau macht jetzt seit über einem Jahr jeden Tag einen Home-school-marathon. Unsere zwei Großen gehen bereits zur Schule und müssen betreut werden. Dann läuft das Home-schooling parallel zu der Betreuung unserer beiden anderen Kinder, die noch nicht in die Schule müssen.“
Dabei gibt es noch weitere Faktoren, die den Heimunterricht der bei
den schulpflichtigen Kinder vor große Probleme stellen.
Es fehle am technischen Equipment erklärt Familienvater Stefan Walko: „Es ist ja nicht so, dass wir zig-laptops zuhause haben. Manchmal müssen wir abwägen, welches Fach für welches Kind jetzt wichtiger ist. Ein kontinuierliches Unterrichten der Kinder ist nicht möglich“. Man habe nach über einem Jahr immer noch nicht die infrastrukturellen und die digitalen Möglichkeiten geschaffen, den Heimunterricht vereinheitlicht für alle zugänglich zu machen.
Zu den Lehrern seiner Kinder bestehe aber ein gutes Verhältnis. „Die Zusammenarbeit und die Kommunikation zwischen den Lehrern und den Eltern ist sehr gut. Alle Beteiligten versuchen, menschlich zu bleiben und pragmatisch an Lösungen zu arbeiten.“Den Schulen könne man nur wenig Vorwürfe machen, weil sie selber immer wieder den neuen Maßnahmen ausgesetzt sind, fügt Walko an.
Mit Hilfe von Kommunalpolitikern habe sich Walko für Luftfilter in den Klassenzimmern an den
Schulen seiner Kinder eingesetzt. Ein paar Luftfilter seien auch angeschafft worden, sagt er. Dennoch sei dies zu wenig. Der vierfache Vater ärgert sich, dass staatliche Gelder an andere Adressen fließen. „Richtung Lufthansa fließen Milliarden, aber viele Eltern müssen hart darum kämpfen, dass ihre Kinder in den Schulklassen vernünftig geschützt werden. Das kann ich bei allem Verständnis für viele Maßnahmen nicht mehr nachvollziehen.“
Zugleich stellt sich Walko die Sinnfrage bei einigen Regeln: „Öfter habe ich das Gefühl, dass das, was an Maßnahmen ergriffen wird, und das, was viele von uns an Einschränkungen mitmachen, nicht dafür sorgt, dass es langfristig besser wird. Es wird ja auch nicht gesagt, was die Ziele sind, welche Meilensteine man in der Pandemiebekämpfung erreichen will. Es wird einfach irgendetwas entschieden, ohne zu wissen, ob es Sinn macht“, kritisiert er.