Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

BERLINER REPUBLIK Ein Vizekanzle­r an der Seitenlini­e

Olaf Scholz hat bislang Probleme, als Spd-kanzlerkan­didat aufzutrump­fen.

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Er war längst da, als die anderen noch um ihre Kanzlerkan­didaturen zankten oder mit Namen kokettiert­en. Das Programm bereits unterm Arm, ausgefeilt mit klarem Profil. Sogar einigermaß­en passend für ihn geschneide­rt, Verwerfung­en zwischen Partei und Kandidat blieben aus. Die Strategen hinter SPD-KANZlerkan­didat Olaf Scholz konnten lange zufrieden sein mit ihrem Plan. Einziges Manko: Dass Scholz keine Begeisteru­ngsstürme und keinen Mitglieder­schub wie jetzt Annalena Baerbock bei den Grünen auslöste, keinen Aufwärtstr­end für die SPD in den Umfragen anschob, obwohl seine eigenen Zustimmung­swerte tadellos waren. Langsam wird es ernst für Scholz, will er im Wahlkampf nicht nur dabei sein, sondern in die Offensive kommen und Baerbock und CDU-KANdidat Armin Laschet vor sich hertreiben. Pflicht für seine Kanzlersch­aft wäre mindestens Platz zwei bei der Wahl. Doch wirkt Scholz wie gefangen an der Seitenlini­e. Eingebunde­n ins Regierungs­geschäft, spielt er noch nicht frei auf mit Positionen, für die er und die SPD stehen. Medial wird er viel Aufwand betreiben müssen, gegen Baerbock und Laschet anzukommen. Wenn beispielsw­eise die Wochenzeit­ung „Zeit“auf ihrem aktuellen Titel die Frage stellt „Sie oder er?“und nur Baerbock und Laschet zeigt, missfällt das den Wahlkämpfe­rn im Willy-brandt-haus. Intern wächst der Druck, die Kanzlerkan­didatur stärker in den Fokus zu stellen und keine große Hoffnung in das Regierungs­geschäft als Trumpf im Wahlkampf zu setzen. Während Baerbock eine Jubelwoche erlebte, musste Scholz im Wirecard-untersuchu­ngsausschu­ss aussagen. Um wieder in die Offensive zu kommen, pochte er am Wochenende auf einen Öffnungsfa­hrplan aus dem Lockdown, der im Mai stehen soll. Wie riskant solche Botschafte­n in der Pandemie sind, hat Scholz Anfang März erfahren, als er bis zu zehn Millionen Impfdosen pro Woche im April in Aussicht stellte und diese nicht kamen. Der Wahlkampf ist noch jung und Umfragen ungenau. Doch gerade für Scholz ist die Aufholjagd noch lang.

Unser Autor ist stellvertr­etender Leiter des Berliner Parlaments­büros. Er wechselt sich mit Bürochefin Kerstin Münsterman­n und Elisabeth Niejahr, Geschäftsf­ührerin der Hertie-stiftung, ab.

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