Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Dfb-präsident lehnt Rücktritt ab
Die Entrüstung über einen Nazi-vergleich des Präsidenten wächst an vielen Stellen im Sport, aber der schließt eine Aufgabe seines Amtes aus.
FRANKFURT (dpa) Dfb-präsident Fritz Keller hat sich mit einer verbalen Entgleisung selbst ins Abseits gestellt, klammert sich aber trotz des öffentlichen Entsetzens über seinen Nazi-vergleich an seinen Posten. „Einen Rücktritt schließe ich aus“, sagte der 64 Jahre alte Freiburger am Dienstag. Keller hatte seinen Vizepräsidenten Rainer Koch bei einer Präsidiumssitzung am Freitag nach Berichten von „bild.de“und „Der Spiegel“mit Nazi-richter Roland Freisler verglichen. Der DFB äußerte sich nicht zu Einzelheiten, bestätigte allerdings die Entschuldigung Kellers.
Die Vertreter der Deutschen Fußball Liga im Dfb-präsidium, unter anderen ist das DFL-CHEF Christian Seifert, distanzierten sich „deutlich und in aller Form“von der Wortwahl Kellers gegenüber Koch. „Eine solche Äußerung ist absolut inakzeptabel“, twitterte die Dachorganisation der 36 Profiklubs.
Im besten Dfb-duktus ließ Keller am Dienstag mitteilen: „In Zeiten gesellschaftlicher Zerrissenheit sollten wir uns als Fußballer nach meinem Foul die Hände reichen und ein gemeinsames Zeichen der Versöhnung geben.“
„Mit Entsetzen und völligem Unverständnis“reagierte das Präsidium des Süddeutschen Fußball-verbandes auf die Wortwahl Kellers. „Dies ist eine Äußerung, die völlig inakzeptabel ist (...)“, heißt es in einem Schreiben. Gerade weil Koch Richter am Oberlandesgericht München ist, sei es völlig abwegig, Koch „auch nur ansatzweise in die Nähe des höchsten Repräsentanten der unsäglichen und menschen-verachtenden Willkürjustiz des Dritten Reiches zu rücken“.
Der 1945 gestorbene Freisler war als Teilnehmer an der Wannseekonferenz einer der Verantwortlichen für die Organisation des Holocaust und später Präsident des berüchtigten Volksgerichtshofes, wo er etwa 2600 Todesurteile verhängte, darunter auch gegen die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“.
Das Präsidium des Bayerischen Fußball-verbandes teilte mit, es sei entsetzt über „die von Fritz Keller ausgelöste neuerliche Eskalation innerhalb des DFB und seiner Regional- sowie Landesverbände“. Zuvor hatte der BFV mitgeteilt, dass der 62 Jahre alte Koch die Entschuldigung Kellers bislang nicht angenommen habe, weil dieser den gesamten Vorgang mit zeitlichem Abstand zunächst in einem persönlichen Gespräch mit dem Dfb-präsidenten aufarbeiten wolle. Keller hatte zunächst erklärt, dass er sich schriftlich bei Koch entschuldigt und dieser „die Größe“gehabt habe, „die Entschuldigung anzunehmen“. Diese Einschätzung revidierte er nun, sei falsch, sagte der Dfb-präsident. In der vom DFB zunächst bestätigten Erklärung sagte Keller zudem: „Insbesondere auch im Hinblick auf die Opfer des Nationalsozialismus war der Vergleich gänzlich unangebracht.“
„Ich bin schon fassungslos. Wie kann der Dfb-präsident in diesem gesellschaftlich so wichtigen Amt solch einen Nazivergleich einführen?“, kritisierte der frühere Dfb-präsident Theo Zwanziger bei „Bild“.
Der Gastronom und Winzer Keller, der jahrelang an der Spitze des Bundesligisten SC Freiburg stand, wurde im September 2019 beim DFB zum Nachfolger von Reinhard Grindel gewählt. Dieser war zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, dass er eine Luxusuhr von einem ukrainischen Oligarchen angenommen hatte. Die jetzige Dfb-spitze gilt als zerstritten.