Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Einkaufen und Friseur ja, Reisen nein
Diese Woche soll es eine Entscheidung zu Lockerungen für Geimpfte geben. Die Bundesregierung drängt, aus den Ländern kommt Kritik.
BERLIN Die bundesweite Rücknahme bestimmter Freiheitseinschränkungen für vollständig Geimpfte soll noch in dieser Woche beschlossen werden. Darauf haben sich dem Vernehmen nach Union und SPD in der Bundesregierung geeinigt. Am Mittwoch soll sich das Bundeskabinett damit befassen, im Anschluss könnten Bundestag und Bundesrat das Vorhaben bis zum Wochenende absegnen. Doch es gibt noch Bedenken, auch aus den Ländern. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Welche Lockerungen sollen für Geimpfte und Genesene gelten? Vorgesehen ist einerseits eine bundesweit rechtliche Gleichstellung von Geimpften und Genesenen mit Menschen, die negativ getestet sind. Geimpfte und Genesene sollen auch ohne vorherigen Test in Geschäfte, Zoos oder zum Friseur gehen dürfen. Darüber hinaus sollen für sie aber auch die Kontaktbeschränkungen und Ausgangsbeschränkungen gelockert oder aufgehoben werden. Nach Reisen müssten sie nicht in Quarantäne – es sei denn, sie reisen aus einem Virusvarianten-gebiet ein. Die Maskenpflicht an bestimmten Orten sowie das Abstandsgebot im öffentlichen Raum sollen für alle weiter gelten.
Wer gilt als genesen?
Als genesen gilt dem Vorschlag von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) zufolge jemand, der mit einem ein bis sechs Monate alten positiven PCR-TEST nachweisen kann, dass er schon eine Corona-infektion hatte. Gut 28 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind zudem inzwischen mindestens einmal gegen Corona geimpft, wie das Robert-koch-institut am Montag mitteilte. Vollen Impfschutz haben demnach bislang acht Prozent der Bevölkerung.
Sind die Länder bereits selbst tätig geworden?
Einige Bundesländer haben bereits entsprechende eigene Verordnungen erlassen. In NRW werden etwa seit Montag vollständig Geimpfte und Genesene mit negativ Getesteten gleichgestellt. Sie müssen, wie auch im Saarland, keinen negativen Test beim Friseur oder in Geschäften vorweisen. Auch in Berlin sind bereits seit Mitte April Menschen mit vollem Impfschutz den Menschen gleichgestellt, die negativ getestet sind – inzwischen sind auch die Genesenen hinzugekommen.
Welche Kritik an dem Vorhaben gibt es?
Scharfe Kritik am Vorgehen der Bundesregierung kommt unter anderem aus Thüringen. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte unserer Redaktion: „Das Eckpunktepapier vom Impfgipfel, in dem praktische Beispiele für Genesene, Getestete und Geimpfte erörtert wurden, hat die Bundeskanzlerin selbst wieder kassiert. Außer der öffentlichen Debatte, die von wahlkämpfenden Politikern befeuert wird, ist mir bislang keine klare Vorlage der Bundesregierung bekannt.“
Dabei betonte Ramelow den Unterschied zwischen der geplanten Bundesverordnung, die eine Rückkehr zu Grundrechten für Geimpfte und Genesene ermöglichen soll, und bereits geltenden Verordnungen zur Gleichstellung von Genesenen, Getesteten und Geimpften auf Landesebene. „Im Moment wäre ich schon froh, wenn wir die Gleichstellung flächendeckend erreichen würden. Wenn also die notwendigen Dokumente, die Genesene, Getestete und Geimpfte vorlegen müssen, um ihre Immunisierung nachzuweisen, gleichgestellt werden. Bisher regelt das jedes Land für sich. Ich befürchte, dass die momentane Debatte viel zusätzliche Verwirrung in der Bevölkerung stiftet. Die Bundesregierung sehe ich als Teil der Verwirrung und nicht als Teil der Entwirrung“, sagte Ramelow.
Welche Branchen könnten trotz Lockerungen leer ausgehen?
Bei Reisen und in der Gastronomie ist Normalität noch nicht in Sicht: Urlaub über die Pfingsttage in knapp drei Wochen „wird in vielen Urlaubsregionen leider wieder ins Wasser fallen“, sagte der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), der „Bild“-zeitung. Er sei aber zuversichtlich, dass ab Juni Reisen in Deutschland in immer mehr Regionen möglich werden. Wichtig sei, dass der Bundes-lockdown nicht über den 30. Juni hinaus gehe – bis dahin ist er befristet. Der stellvertretende Fdp-fraktionsvorsitzende Stephan Thomae forderte einen raschen Zugang für vollständig Geimpfte und Genesene zu Sportstätten, Hotels und Innengastronomie. Gleiches sollte auch für Getestete gelten. (mit dpa)