Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Altersgrenze für Schiedsrichter beschäftigt auch die Basis
In der Fußball-bundesliga stehen Top-referees aufgrund der umstrittenen Regelung vor dem Karriereende. In den Fußball-kreisen gehen die Meinungen auseinander.
NIEDERRHEIN (che/gru/tik) In der Fußball-bundesliga wurde zuletzt um die Personalie von Schiedsrichter Manuel Gräfe eine Diskussion entfacht. Der 47-Jährige zählt nicht nur zu den bekanntesten, sondern mit Sicherheit auch zu den besten Unparteiischen im deutschen und europäischen Profifußball. Eine Altersgrenze des DFB, die bei 47 Jahren liegt, soll Gräfes Laufbahn nun aber in diesem Jahr beenden. Der Schiedsrichter selbst ist mit der Regelung nicht einverstanden und bekam von vielen Bundesliga-profis Zuspruch. Die Altersregelung gilt derweil auch für Gräfes Kollegen Guido Winkmann aus dem Kreis Kleve und den Stuttgarter Markus Schmidt.
Eine durchaus schwierige Situation, aber wie läuft das im Amateurbereich? Gibt es auch in unteren Klassen eine Alterssperre? „Nein“, antwortet Florian Weinmann, der als Vorsitzender der Dinslakener Schiedsrichter und als Beisitzer im Kreisschiedsrichterausschuss tätig ist. Er führt aus: „Im Gegenteil. Wir sind ja auf die älteren Kollegen sogar angewiesen. Wir können uns da nicht noch aussuchen, wer bis wann pfeifen darf, sondern müssen schauen, dass wir überhaupt genügend Leute haben.“
Die Diskussion um Manuel Gräfe ist auch an Weinmann nicht vorbeigegangen. „Für mich geht die Leistung über das Alter. Warum soll nicht jemand, der fit und gut genug ist, noch pfeifen dürfen? Das ist beim DFB alles ein sehr geschlossenes System.“Den einzigen Vorteil in der Altersgrenze sieht Weinmann für den
Nachwuchs. So werde in der Bundesliga wieder ein Platz frei. Aber ob aus rein formalen Gründen da Platz gemacht werden müsse, ist sich Weinmann nicht so sicher. „Erfahrung ist nicht alles. Wir müssen jungen Schiedsrichter aber dennoch eine gute Perspektive geben. Wir versuchen hier im Kreis auch, ausgewählte Schiedsrichter auf ihrem Weg zu unterstützen und entscheidend zu fördern“, so Weinmann, der selbst in der Niederrheinliga gepfiffen hat.
Teil eines so genannten Aufstiegs ist auch die obligatorische Leistungsüberprüfung. Diese findet für die Amateurschiedsrichter einmal jährlich statt. Mit der Spielklasse steigen auch die Anforderungen an die Referees. Einen Lauftest unterschiedlicher Distanzen müssen alle absolvieren. Ab der Bezirksliga kommen Regelkundetests hinzu. Einen kleinen Vorteil gibt es für Amateurschiedsrichter ab einem Alter von 30 Jahren. „Da reicht es, wenn sie die Bezirksliganorm laufen. Pfeifen dürfen sie dann trotzdem auch in der Landesliga.“Die Probleme im Amateurbereich sind also ganz andere als bei den Profis, wo sich der DFB wohl erlauben kann, die Besten ziehen zu lassen. „In Dinslaken haben wir nicht einen Schiedsrichter unter 18 Jahren, und nach 30 wird es auch schwierig. Da kommen dann erst wieder ältere Kollegen jenseits der 50“, beschreibt Weinmann die Personalsituation. Rekrutieren statt aussieben heißt es also an der Basis.
Carlos Prada, Kreisschiedsrichterobmann für Oberhausen/bottrop, hält die Altersgrenze dagegen durchaus für sinnvoll. „So kann man sich selbst auf das Ende einstellen und andere, jüngere Unparteiische bekommen die Chance, in die Bundesliga zu kommen.“Prada schließt an: „Manuel Gräfe hat damals auch von dieser Regelung profitiert. Sonst würden viel mehr Leute bis 50 oder 52 weitermachen und die Plätze blockieren.“Außerdem ist der Obmann der Meinung, dass solche Lobeshymnen, wie Gräfe sie zuletzt von Spielern und Trainern erhielt, eine große Wertschätzung sind und es keinen besseren Abschied geben könnte.
Leon Tiemer, Lehrwart im Kreis Rees/bocholt, sieht das nicht ganz so: „Das Schiedsrichterwesen hat schließlich seine eigenen Fitness-tests. Wer die erfolgreich absolviert, sollte auch dabei bleiben dürfen“, sagt der 20-jährige Student, der selbst seit sechs Jahren als Referee tätig ist. Aktuell pfeift Tiemer bis zur Bezirksliga, möchte aber gerne noch ein wenig aufsteigen. Das Argument, dass die Karriere jüngerer Schiedsrichter möglicherweise gebremst werde, wenn die „Alten“nicht zeitig aufhören, kann er durchaus nachvollziehen. Aber der Emmericher gibt auch zu bedenken: „Die Nachwuchsschiris brauchen diese erfahrenen Kräfte in den oberen Ligen, an denen sie sich orientieren können.“Vielleicht sei das genaue Abwägen mit möglichen Einzelfallentscheidungen daher der beste Kompromiss. Da die Nachwuchssorgen im unteren Amateurbereich weiter bestehen blieben, könne man, so Tiemer, dort keineswegs auf die alten Hasen verzichten: „Natürlich wird es schwierig, wenn einer wirklich nicht mehr gut sieht, und das Stellungsspiel wird auch immer wichtiger. Aber viele erfahrene Schiris haben sich über die Jahre auch eine Autorität erarbeitet, die den jüngeren Kollegen naturgemäß noch fehlt.“
Christian Fischer, Kreislehrwart für den Bereich Kleve/geldern, lacht bei der Ausgangsfrage: „Da bin ich der falsche Ansprechpartner, wir an der Basis sind schließlich froh über jeden 60-Jährigen, der sich noch auf den Platz stellt.“Ansonsten ist Fischer sich mit seinem jungen Kollegen von der anderen Rheinseite weitgehend einig: „Ich weiß nicht, ob das Alter allein wirklich das Kriterium sein sollte, auf der anderen Seite halte ich es aber schon für sehr wichtig, dass junge Leute nachrücken können.“