Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wie gläubige Muslime Ramadan in der Pandemie erleben
Der muslimische Fastenmonat zeichnet sich durch Gemeinschaft und Miteinander aus. Aufgrund der Pandemie ist das nicht möglich. Wie gläubige Muslime aus Wesel diese Situation erleben.
WESEL (jok) Ramadan, der Fastenmonat der Muslime, ist eigentlich eine Zeit der Begegnung, des Austausches und des Miteinanders. Doch während der Corona-pandemie ist vieles nicht möglich, was gläubige Muslime in „normalen“Zeiten jetzt miteinander feiern würden. Das kann Nazmi Özbek, Vorsitzende der türkischen Gemeinde in Wesel, nur bestätigen. Der 64-Jährige sagt: „Ramadan ist diesmal für viele einsamer als sonst. Es ist traurig, dass diese eigentlich so fröhliche Zeit jetzt wegen Corona einfach so vorbei geht. Als gläubiger Moslem vermisse ich die Atmosphäre der Freude und Gemeinschaft doch sehr.“Aber auch er weiß: „Man muss der Pandemie Rechnung tragen. Die Leute halten sich zurück, viele haben einfach auch Angst.“
Während des Fastenmonats der Muslime seien die Moscheen sonst viel voller, berichtet Özbek, doch jetzt kämen nur etwa 10 bis 15 Leute täglich zur Vatan-moschee in die Weseler Caspar-baur-straße. „Zum Freitagsgebet treffen sich dann allerdings bis zu 100 Leute“, ergänzt Nazmi Özbek. Dort habe man sich auf die Corona-bestimmungen vorbereitet: „Auf dem Boden ist alles genau markiert, damit jeder seinen Bereich zum Beten hat“, erläutert der 64-Jährige.
Dass Ramadan 2021 anders ist als gewünscht, bestätigt auch Muhammed Okutucu. „Normalerweise würden wir uns in dieser Zeit mit drei oder vier anderen Familien treffen, gegenseitig besuchen“, so der 46-jährige Familienvater, der nun mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern das Fastenbrechen in kleinem Rahmen bei sich zu Hause feiert. Das Essen nach Sonnenuntergang sei „fast wie ein normales Abendessen“, aber doch mit ein paar Ritualen. Auf dem Handy oder auch bestimmten Uhren ertöne für etwa anderthalb Minuten der Muezzin-ruf, wenn die Sonne untergeht. „Bei uns stehen Datteln auf dem Tisch, das gehört einfach zum Fastenbrechen dazu, ist für uns Tradition“, ergänzt Okutucu.
Meistens bereitet seine Frau zwei Gerichte vor. „Denn das Fastenbrechen ist für uns immer noch etwas Besonderes“, sagt der Familienvater, der allerdings von Besuchen der Verwandtschaft absieht: „Die Älteren verstehen das einfach nicht mit dem Abstand-halten“, verweist Okutucu auf ein Problem, wenn er mit seiner Familie andere besuchen würde. „Uns fehlen ja auch die Umarmungen, aber das geht nun mal nicht – und wir gewöhnen uns daran“, betont der 46-Jährige.
In der Moschee sei es kein Problem, wenn mehrere Leute zum Freitagsgebet dort hinkommen: „Da ist wirklich genug Platz. Wo sonst vielleicht 300 Menschen sind, verteilen sich jetzt die rund 100 Personen auf drei Räume. Der Imam steht in einem der Räume und wird per Monitor in die beiden anderen übertragen. Masken, Abstand und das Nutzen eigener Gebetsteppiche sei dort selbstverständlich.
Und auch wenn Gläubige nach dem Freitagsgebet erst spät den Heimweg antreten, sei das trotz Ausgangssperre möglich. Dafür darf Muhammed Okutucu, der zum Vorstand der Moschee gehört, Bescheinigungen an die Gläubigen verteilen, die ihnen erlauben auf direktem Weg von der Moschee zu ihrem Zuhause auch zwischen 22 und 24 Uhr unterwegs zu sein. Alles in der Hoffnung, dass die ganzen Einschränkungen bald aufgehoben werden und Ramadan im kommenden Jahr wieder in der üblichen Fröhlichkeit und Gemeinschaft gefeiert werden kann.