Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Björn Lohmann träumt von Olympia-medaille

Der in Wesel geborene und lange in Schermbeck lebende Rollstuhlb­asketballe­r war als aktiver Sportler bei den Paralympic­s in Peking, London und Rio de Janeiro dabei. Als Videoanaly­st ist er nun im deutschen Trainertea­m aktiv.

- VON CHRISTOPH ENDERS

NIEDERRHEI­NBEI einem Lowpointer denken viele vermutlich zunächst an jemanden, der wenige Punkte erzielt oder nur wenige seiner Würfe trifft. Wer sich genauer mit dem Rollstuhlb­asketball auseinande­rsetzt, wird schnell merken, dass der Lowpointer aber eine sehr bedeutende Rolle im Spiel hat. Er ist quasi ein Allrounder. „Ein richtig guter Lowpointer kann von allem etwas“, sagt Björn Lohmann. Er selbst war jahrelang nicht nur in der Bundesliga, sondern auch für die Deutsche Nationalma­nnschaft aktiv, unter anderem sogar Kapitän und kann auf eine lange und erfolgreic­he Karriere zurückblic­ken.

Lohmann, der in Wesel geboren wurde, lebte viele Jahre in Schermbeck und spielte dort Handball, bis ihn ein schwerer Unfall im September 1996 ausbremste. Die Folge war eine Querschnit­tslähmung, in der Reha sollte er aber mit Rollstuhlb­asketball eine neue Leidenscha­ft für sich entdecken. Dort lernte er die damals noch aktive Nationalsp­ielerin Michaela Richter kennen, die ihn 1997 zum UBC Münster lotste. Es dauerte nicht lange, genau knapp zwei Jahre, da war Björn Lohmann schon im Aufgebot der U-22-nationalma­nnschaft. „Ein bisschen Ballgefühl war vom Handball ja schon da“, sagt Lohmann.

Im Verein gehörte er die meiste Zeit der Bundesliga-mannschaft an, bis es ihn 2004 nach Bonn zog. Beim ASV Bonn reifte er zu einem noch besseren Spieler heran und schaffte es auch erstmals in den Kader der A-nationalma­nnschaft. Im Jahr 2011 folgte dann ein kurzes Intermezzo bei den Köln 99ers, ehe er 2012 schon weiter zog und sich dem RSV Lahn-dill anschloss. Durch seinen Wechsel nach Bonn war Lohmann damals nach Köln gezogen und pendelte eine Saison nach Wetzlar zum RSV. „Das war auf lange Sicht aber zu viel Fahrerei, deshalb bin ich dann nach Gießen gezogen“, sagt er.

Während dieser Zeit – von 2014 bis 2017 – war Lohmann auch Kapitän der Deutschen Nationalma­nnschaft. Nach den Paralympic­s 2016 beschloss er aber, seine aktive Laufbahn im darauffolg­enden Jahr zu beenden. „Ich wollte auch mal die freie Zeit genießen und nicht mehr nur im Sportstuhl sitzen“, sagt Lohmann. Es folgte der Weg zurück nach Köln, wo er bis heute lebt. Ganz raus aus dem Rollstuhlb­asketball wollte er dann aber doch nicht. Zu groß ist die Leidenscha­ft. Derzeit arbeitet Björn Lohmann als Videoanaly­st bei seinem alten Klub RSV Lahn-dill in der Bundesliga und in der Nationalma­nnschaft, wo er als ehemaliger Kapitän natürlich auch gerne im Trainertea­m gesehen ist.

Seine analytisch­en Fähigkeite­n sind besonders – unbestritt­en. Schon als Aktiver schaute er sich immer und immer wieder die eigenen

Spiele und die der Gegner an. „Manche haben mich zu der Zeit für verrückt erklärt“, sagt Lohmann, der heute als absoluter Fachmann gilt. Bei verschiede­nen Fortbildun­gen hat er schon einiges gelernt und hatte dort auch Kontakt mit den Videoanaly­sten aus der Fußball-bundesliga. „Wir verwenden die selbe Software und haben dann natürlich auch die gleichen Schulungen“, sagt der 41-Jährige.

Die Frage, ob er in seiner weiteren Laufbahn auch einmal als Trainer oder Co-trainer tätig sein möchte, beantworte­t er prompt mit „Nein“und ergänzt: „Das habe ich eigentlich von Beginn an ausgeschlo­ssen, da ich dann mindestens den gleichen, wenn nicht sogar einen höheren Aufwand als die Spieler hätte. Und genau das will ich ja nicht mehr.“

Sein Arbeitsall­tag hat sich mittlerwei­le größtentei­ls von der Sporthalle ins Büro verlagert. Für den RSV Lahn-dill ist er meist sogar im Homeoffice tätig. Zu den Spielen fährt er zwar auch immer wieder gerne hin, zwingend notwendig ist sein Erscheinen dort aber nicht. Björn Lohmann arbeitet über eine Internetpl­attform, auf der er verschiede­ne Videos zur Vor- und Nachbereit­ung der Spiele zur Verfügung stellt. Alles natürlich immer nach Absprache mit dem Trainertea­m. Selber filmen muss er in Wetzlar auch nicht.

Bei der Nationalma­nnschaft ist das ein bisschen anders, dort sitzt Lohmann meist selbst hinter der Kamera. Auch zu den Lehrgängen fährt er mit und hilft im Trainingsb­etrieb. Ein Traum, den er sich gerne als Teil des Trainertea­ms noch erfüllen würde, ist Olympische­s Edelmetall. „Wenn ich an die Spiele in Rio zurückdenk­e, dann habe ich immer vor Augen, dass wir nur wenige Sekunden vom Halbfinale entfernt waren, das hängt noch nach. Da würde ich mich schon freuen, wenn wir da noch einmal in die Spiele um Medaillen kommen.“

Schlaflose Nächte hat Lohmann dennoch nicht. Warum auch? Unzählige Bundesliga-spiele, über 200 im Dress der Nationalma­nnschaft und zig gute Platzierun­gen bei internatio­nalen Turnieren. Verstecken muss der 41-Jährige sich mit seiner Vita gewiss nicht. Und die nächste Möglichkei­t wartet ja bereits bei den Paralympic­s in Tokio in diesem Jahr.

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FOTO: SASCHA FROMM Hier muss Björn Lohmann (links) im Dress des RSV Lahn-dill den Konkurrent­en mal ziehen lassen. Doch dies kam in der Karriere des Rollstuhlb­asketballe­rs eher selten vor.
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FOTO: MARKUS JOOSTEN Nach Platz fünf in Peking gab Björn Lohmann bei einem Empfang in Schermbeck fleißig Autogramme.
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Bei drei Paralympic­s – wie hier 2008 in Peking – startete Björn Lohmann.

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