Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Kindgerechte Stadtführungen
Mit 53 Jahren hat sich Erzieherin Ingeborg Deselaers-pottgießer vom Fusternberg selbstständig gemacht – als Stadtentdeckerin. Für Familien, Kindergärten und Schulklassen hat sie spezielle Stadtführungen entwickelt.
Für Familien, Kindergärten und Schulklassen hat Ingeborg Deselaers-pottgießer spezielle Stadtführungen durch Wesel entwickelt.
WESEL Bitte nicht wundern, wenn demnächst eine freundlich lächelnde Frau einen hübschen alten Bollerwagen mit ebenso hübschen alten Koffern über die Fußgängerzone zieht. Im Schlepptau entweder eine junge Familie oder – nach Ende des Lockdowns – ein halbes Dutzend Kindergartenkinder oder Schüler. Bei der Bollerwagenbesitzerin handelt es sich um Ingeborg Deselaers-pottgießer. Nach eigenen Angaben Deutschlands erste und bislang einzige „Stadtentdeckerin“.
Eigentlich ist Ingeborg Deselaers-pottgießer, die mit ihrem Mann und den beiden erwachsenen Kindern auf dem Fustenberg zu Hause ist, Erzieherin. Doch mit mittlerweile 53 Jahren hat sie sich einen Traum erfüllt und sich selbstständig gemacht. Allerdings erst, nachdem sie zusammen mit der Weseler Gründungsberaterin Julia Brouns, die in den neuen Cubes an der Rudolf-diesel-straße zu finden ist, ein tragfähiges Konzept erarbeitet hat und die Gestaltung von Flyern und Homepage in die Hand von Moritz Hippich und seinem Team von „Forever Design“gelegt hat.
Was genau ist die Aufgabe einer Stadtentdeckerin? Ingeborg Deselaers-pottgießer lacht. Und dann beginnt sie zu erzählen. Dass sie sich schon immer für Geschichte interessiert, den Umgang mit Kindern liebe und ein gewisses Talent habe, Dinge gut erklären zu können. Weil es bei der Stadt Wesel zwar einige interessante Stadtführungen für Erwachsene, aber lediglich eine für Kinder und Jugendliche gibt, möchte sie nun als Stadtentdeckerin ein zusätzliches entsprechendes Angebot für den Nachwuchs etablieren.
Zur Zielgruppe im Lockdown gehören in erster Linie Familien. Bei einem etwa 90-minütigen Gang durch die Innenstadt sollen Eltern und natürlich in erster Linie die Kinder ihre Heimatstadt erkunden. „Als Erzieherin weiß ich, welche Türen sich öffnen, wenn Kinder ins Staunen geraten. Es folgen Begeisterung und Interesse – der perfekte Cocktail für nachhaltiges Lernen und Persönlichkeitsbildung.“
Und wie muss man sich so eine Stadtführung mit Ingeborg Deselaers-pottgießer vorstellen? Beispielsweise der Spaziergang unter dem Motto „Suche nach dem Silberschatz“beginnt am Heubergpark. Dort müssen die Kinder das Alte Roßmühlenstraßen-schild finden, um dann eine Antwort auf die Frage zu finden, was denn eine Roßmühle gewesen sein könnte. „Oder die Kinder bekommen die Aufgaben, den Esel mit den goldenen Ohren zu finden“, erzählt die Stadtentdeckerin. Wo der sich wohl versteckt, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Kleiner Tipp: Irgendwo nicht weit vom Heubergpark entfernt. Wenige hundert Meter weiter bei Betten Tenhaeff erzählt Ingeborg Deselaers-pottgießer, dass Wesel einst bekannt war für seine schönen Tücher, die in der alten Hansestadt hergestellt wurden. Und warum man damals statt in Metern in Fuß die Länge der Ware berechnet hat. Und an der kleinen Seitenstraße Am blauen Hahn erfahren die Teilnehmer der Stadtführung, dass nicht ein betrunkenes Federvieh der Straße den Namen gegeben hat, sondern ein Alltagsgegenstand. Auch hier gilt: Mehr wird nicht verraten.
Wenn nach dem Lockdown Schulen und Kindergärten eine Stadtführung buchen, wird die Fustenbergerin immer mit einem Teil der Gruppe losziehen, während die andere Gruppen- oder Klassenhälfte die Zeit in der Stadtbücherei mit interessanten Spiele rund ums Thema Wesel verbringen wird. Mit viel Liebe zum Detail hat Ingeborg Deselaers-pottgießer zum Beispiel eine hölzerne Miniaturausgabe des Zitadellen-haupttor-gebäudes angefertigt. Durch die drei Eingangstore können Kinder Glasmurmeln „knickern“. Wunderschön gearbeitet ist auch ein Wesel-puzzle, bei dem die Stadt in Dutzende Teile zerlegt ist, die die Kinder dann zusammensetzen sollen. Toll ist auch das für sie eigens hergestellte Wesel-memory von Ravensburger, bei dem spielerisch das Erinnerungsvermögen und Gedächtnis trainiert wird.
Dass sowohl die Spiele als auch die abenteuerliche Stadtführungen bei der Zielgruppe gut ankommt, hat die Existenzgründerin bei einem Probelauf im Oktober herausgefunden. Zwischen zwei Lockdowns hatte sie sich mit Kindern aus der Nachbarschaft auf den Weg in die Innenstadt gemacht. „Und am Ende waren alle ganz begeistert. Das zeigt mir, dass mein Konzept aus Rätseln, kreativen Aufgaben und Spielen funktioniert.“Ihr Ziel ist es, dass Kinder auf ihrer Entdeckungsreise einen wachen Blick auf Wesel werfen und beim nächsten Gang durch ihre Stadt vielleicht ihren Begleitern sagen: „Das kenne ich. Willst Du eine Geschichte dazu hören?“