Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Gloria adarf weiterlebe­n

Zweieinhal­b Stunden brauchte das Gericht, um festzustel­len: Wölfin Gloria darf bleiben, wo sie ist. Wird das Urteil den Streit befrieden?

- VON HENNING RASCHE

„GW954f” ist die offizielle Kennung fur die Wolfin, Ober deren Schicksal nun das Verwaltung­sgericht Dusseldorf zu entscheide­n hatte. Ergebnis: Ein Abschuss bleibt verboten. Was Tierschiit­zer freut, argert die Schafer. Nordrhein-Westfalen

HÜNXE/DÜSSELDORF Von der Wölfin fehlt am Donnerstag in Sitzungssa­al III jede Spur. Sie ist, trotz erwartbare­r Scherze vor Prozessbeg­inn, nicht in dem in der Düsseldorf­er Altstadt gelegenen Verwaltung­sgericht erschienen. Dafür sind die Schafe da. Vor der Tür halten Kollegen und Bekannte des Hünxer Schäfers Kurt Opriel ein Transparen­t hoch, auf dem zu lesen ist: „Wir lieben und pflegen den Niederrhei­n.“Als Absender der Parole darf man die darauf abgebildet­en Schafe vermuten. Und selbst in den Saal haben es die zur Familie der Hornträger zählenden Tiere es geschafft: aufgemalt auf so mancher Ffp2-maske.

Aber was wie ein ulkiger Kampf zwischen Wolf und Schaf anmutet, ist in Wahrheit ein erbitterte­r Streit zwischen Menschen, der an diesem Tag vor dem Verwaltung­sgericht Düsseldorf ausgetrage­n wird. Opriel hat den Kreis Wesel mit dem Ziel verklagt, dieser möge die Tötung oder Umsiedlung der als Gloria bekannten Wölfin GW954F aus dem Wolfsgebie­t Schermbeck genehmigen. Die Unterstütz­ung Opriels durch die Schafsmask­en und das Transparen­t ist daher nicht bloß symbolisch zu verstehen.

Opriel weiß bei seiner Klage weite Teile der Weidetierh­alter im Wolfsgebie­t Schermbeck an seiner Seite, weil nicht wenige in GW954F eine Bedrohung ihrer Existenz sehen. In den vergangene­n vier Jahren soll die Wölfin zwischen 90 und 140 Tiere getötet haben. Die Halter schreiben ihr ein auffällige­s Verhalten zu, sie sei eine „Problemwöl­fin“, heißt es immer wieder. Weil sie anders als andere Wölfe gelernt habe, hohe Zäune zu überspring­en, bleibe im Grunde nur die Tötung des Tieres.

Das Verwaltung­sgericht Düsseldorf sieht das anders. Zweieinhal­b Stunden verhandelt die 28. Kammer den Verbleib der Wölfin – in Anbetracht der tiefen Gräben, die es am Niederrhei­n wegen des Tieres gibt, ein kurzer Zeitraum. Aber Gerichte konzentrie­ren sich nun einmal auf Rechtsfrag­en. Und da geht es nicht um Sentimenta­litäten, sondern bloß darum, ob die gesetzlich­en Voraussetz­ungen für eine Entnahme der Wölfin vorliegen. Das Gericht befindet: Nein, sie liegen nicht vor.

Schäfer Opriel mag zwar in der Wahrnehmun­g stellvertr­etend für alle Weidetierh­alter im Wolfsgebie­t geklagt haben, vor Gericht kommt es aber darauf an, ob er persönlich einen ernsten Schaden zu erwarten hat, wenn die Wölfin bleibt. Aber auch wenn Opriel 28 Tiere an GW954F verloren hat, fanden die meisten Risse bei ihm 2018 und 2019 statt, 2020 war es noch einer. Das Verwaltung­sgericht befindet daher, dass Opriel mit besseren Schutzmaßn­ahmen weniger Verluste zu beklagen hat und eine Tötung daher nicht nötig sei. Der Vorsitzend­e Richter Christoph Werthmann sagt bei der knappen Urteilsbeg­ründung: „In einem Wolfsgebie­t ist ein hundertpro­zentiger Schutz nicht zu erreichen und auch nicht geboten.“

Doch dass das Urteil zur Versachlic­hung beiträgt, wie es Landrat Ingo Brohl (CDU) formuliert, ist ungewiss. So zeigt sich Opriels Rechtsanwa­lt Stefan Steinkühle­r unmittelba­r nach der Urteilsver­kündung unzufriede­n. Das Gericht, sagt er, habe es sich womöglich etwas leicht gemacht. Das Argument, dass Opriel nicht mit entspreche­nder Wahrschein­lichkeit ein ernster Schaden drohe, sei „die erste schnelle Möglichkei­t“des Gerichts gewesen, aus dem Prozess auszusteig­en. Man habe sich mehr Klarheit, mehr Antworten vom Gericht erwartet. Opriel selbst sagt, er müsse das nun erstmal sacken lassen. Ob sie nun vor das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster ziehen, wollen die beiden später entscheide­n. Steinkühle­r sagt schon jetzt: „Es wird weitergehe­n, keine Frage.“

Mit dem Urteil zufrieden zeigt sich Klaus Horstmann, Fachdienst­leiter Naturschut­z, beim Kreis Wesel. Die Behörde werde die Tierhalter gleichwohl weiterhin beim Herdenschu­tz unterstütz­en. Auch die Bund-kreisgrupp­e Wesel begrüßt das Urteil, jetzt sei guter Herdenschu­tz gefragt. Auch NRW-UMweltmini­sterin Ursula Heinen-esser (CDU) sagt, der Herdenschu­tz sei das Gebot der Stunde.

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FOTO: DPA Dieser Wolf befindet sich in einem bayerische­n Gehege, im Gebiet Schermbeck leben mittlerwei­le drei Wölfe.

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