Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Spiritueller Führer“bittet um Verzeihung
Der Gründer des „Balance Recovery-life-centers“im Diersfordter Haus Constanze, der Mitglieder seiner Gemeinschaft schwer misshandelt haben soll, hat während des Prozesses am Landgericht zum ersten Mal selbst etwas gesagt.
DUISBURG/WESEL Es ist 9.30 Uhr am Freitagmorgen, als die ersten beiden Opfer des „spirituellen Führers“des „Balance Recovery-life-centers“den Saal 157 im Duisburger Landgericht betreten. Die beiden Frauen halten sich im Arm, während sie sich im gleichen Raum wie ihr Peiniger befinden.
Der 57-jährige Angeklagte hatte Anfang der Woche über seinen Anwalt erklären lassen, dass er einige Mitglieder seiner Gemeinschaft im Diersfordter Haus Constanze und auf der Grav-insel in Flüren gedemütigt und körperlich misshandelt zu habe. Alle Sexualdelikte, die ihm vorgeworfen werden, darunter Vergewaltigung, streitet er ab. Alles sei freiwillige gewesen. Die Taten hatten sich zwischen Januaur 2016 und dem 31. Juli 2020 ereignet.
Im Zeugenstand berichtete eine 24-jähige Borkenerin am Freitag von der anfänglichen Unterstützung, die sie von dem 57-Jährigen erhalten habe. Zu neuen Mitgliedern sei er sehr freundlich gewesen. Die Seminare im Haus Constanze beschreibt sie als sehr unterschiedlich. Beispielsweise habe die Gruppe im Kreis gesessen und von eigenen Problemen berichtet. Der Angeklagte habe dann Fragen gestellt oder gelegentlich die Hand aufgelegt
Die Frau nennt ihn einen „Meister der Manipulation“. So soll der Niederländer zum Beispiel das Vertrauen seiner Mitglieder gewonnen haben, indem er ihnen erzählt habe, was sie hören wollten. Er habe die Mitglieder gegeneinander ausgespielt und ihnen das Vertrauen in die eigene Meinung genommen, sagt sie.
Die Zeugin berichtet von einem Zustand, in dem sie nicht mehr unterscheiden konnte, welches Verhalten richtig und welches falsch sei. Andere Opfer hätten eigene Meinungsveränderungen festgestellt und seien deshalb aus der Gemeinschaft ausgetreten.
Im festen Kreis in einer Wohnung am Magdalenenweg in Wesel seien dagegen die Taten des Angeklagten toleriert worden. Dort sei die Stimmung anfangs auch fröhlich gewesen. Gewalt habe der 57-Jährige damit gerechtfertigt, dass die jeweilige Person „unter dem Einfluss von schwarzer Magie steht und ihre Dämonen ausgetrieben werden müssen“.
Missbrauch auf der Teaching-ebene. Mit diesen Worten lassen sich die Antworten der Borkenerin auf die Fragen des Richters zusammenfassen. Alle Taten seien unter dem Vorwand begangen worden, dass es den Mitgliedern im Anschluss besser gehe, nicht dem Täter. Seine Botschaft: Dem eigenen Verstand zu
Gewalt soll der angeklagte 57-Jährige damit gerechtfertigt haben, dass die jeweilige Person „unter dem Einfluss von schwarzer Magie steht“
Der „spirituelle Führer“soll immer seltsamere Entscheidungen getroffen haben. Eine Zeugin nennt ihn „größenwahnsinnig und unberechenbar“
trauen sei schlecht. Wenn die Gruppe sich gegen ein Mitglied gestellt habe, dann immer nur in dem Glauben, der Person auf diese Weise zu helfen. Bei Verweigerung hätten zudem Ausgrenzung, Beschimpfungen oder Schläge gedroht. Der Angeklagte habe den Opfern das Gefühl vermittelt, selbst schuld für den Missbrauch an ihnen zu sein. Wer nicht einverstanden gewesen sei, auf den hätte er eingeredet, bis alle die Handlungen akzeptiert hätten.
Mit dem Wechsel vom Haus Constanze ins Restaurant auf der Flürener Grav-insel sei der Druck und damit auch die Arbeit und die Gewalt angestiegen. Mitglieder hätten sich gegenseitig nach und nach in der Dunkelheit in die Freiheit geschleust. Zu diesem Zeitpunkt habe der „spirituelle Führer“immer seltsamere Entscheidungen getroffen. Die Zeugin nennt ihn „größenwahnsinnig und unberechenbar“.
Während der Verhandlung werden zahlreiche Vorfälle angesprochen. Darunter auch das Schlagen mit einem tiefgefrorenen Fisch, das Einsperren oder Anketten einzelner Personen. „Ich möchte mich entschuldigen“, spricht der Angeklagte mit leiser Stimme seine ersten Worte in diesem Prozess. „Das hast du öfter gemacht“, sagt die Zeugin.