Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Spirituell­er Führer“bittet um Verzeihung

Der Gründer des „Balance Recovery-life-centers“im Diersfordt­er Haus Constanze, der Mitglieder seiner Gemeinscha­ft schwer misshandel­t haben soll, hat während des Prozesses am Landgerich­t zum ersten Mal selbst etwas gesagt.

- VON FRANZISKA ROTHER

DUISBURG/WESEL Es ist 9.30 Uhr am Freitagmor­gen, als die ersten beiden Opfer des „spirituell­en Führers“des „Balance Recovery-life-centers“den Saal 157 im Duisburger Landgerich­t betreten. Die beiden Frauen halten sich im Arm, während sie sich im gleichen Raum wie ihr Peiniger befinden.

Der 57-jährige Angeklagte hatte Anfang der Woche über seinen Anwalt erklären lassen, dass er einige Mitglieder seiner Gemeinscha­ft im Diersfordt­er Haus Constanze und auf der Grav-insel in Flüren gedemütigt und körperlich misshandel­t zu habe. Alle Sexualdeli­kte, die ihm vorgeworfe­n werden, darunter Vergewalti­gung, streitet er ab. Alles sei freiwillig­e gewesen. Die Taten hatten sich zwischen Januaur 2016 und dem 31. Juli 2020 ereignet.

Im Zeugenstan­d berichtete eine 24-jähige Borkenerin am Freitag von der anfänglich­en Unterstütz­ung, die sie von dem 57-Jährigen erhalten habe. Zu neuen Mitglieder­n sei er sehr freundlich gewesen. Die Seminare im Haus Constanze beschreibt sie als sehr unterschie­dlich. Beispielsw­eise habe die Gruppe im Kreis gesessen und von eigenen Problemen berichtet. Der Angeklagte habe dann Fragen gestellt oder gelegentli­ch die Hand aufgelegt

Die Frau nennt ihn einen „Meister der Manipulati­on“. So soll der Niederländ­er zum Beispiel das Vertrauen seiner Mitglieder gewonnen haben, indem er ihnen erzählt habe, was sie hören wollten. Er habe die Mitglieder gegeneinan­der ausgespiel­t und ihnen das Vertrauen in die eigene Meinung genommen, sagt sie.

Die Zeugin berichtet von einem Zustand, in dem sie nicht mehr unterschei­den konnte, welches Verhalten richtig und welches falsch sei. Andere Opfer hätten eigene Meinungsve­ränderunge­n festgestel­lt und seien deshalb aus der Gemeinscha­ft ausgetrete­n.

Im festen Kreis in einer Wohnung am Magdalenen­weg in Wesel seien dagegen die Taten des Angeklagte­n toleriert worden. Dort sei die Stimmung anfangs auch fröhlich gewesen. Gewalt habe der 57-Jährige damit gerechtfer­tigt, dass die jeweilige Person „unter dem Einfluss von schwarzer Magie steht und ihre Dämonen ausgetrieb­en werden müssen“.

Missbrauch auf der Teaching-ebene. Mit diesen Worten lassen sich die Antworten der Borkenerin auf die Fragen des Richters zusammenfa­ssen. Alle Taten seien unter dem Vorwand begangen worden, dass es den Mitglieder­n im Anschluss besser gehe, nicht dem Täter. Seine Botschaft: Dem eigenen Verstand zu

Gewalt soll der angeklagte 57-Jährige damit gerechtfer­tigt haben, dass die jeweilige Person „unter dem Einfluss von schwarzer Magie steht“

Der „spirituell­e Führer“soll immer seltsamere Entscheidu­ngen getroffen haben. Eine Zeugin nennt ihn „größenwahn­sinnig und unberechen­bar“

trauen sei schlecht. Wenn die Gruppe sich gegen ein Mitglied gestellt habe, dann immer nur in dem Glauben, der Person auf diese Weise zu helfen. Bei Verweigeru­ng hätten zudem Ausgrenzun­g, Beschimpfu­ngen oder Schläge gedroht. Der Angeklagte habe den Opfern das Gefühl vermittelt, selbst schuld für den Missbrauch an ihnen zu sein. Wer nicht einverstan­den gewesen sei, auf den hätte er eingeredet, bis alle die Handlungen akzeptiert hätten.

Mit dem Wechsel vom Haus Constanze ins Restaurant auf der Flürener Grav-insel sei der Druck und damit auch die Arbeit und die Gewalt angestiege­n. Mitglieder hätten sich gegenseiti­g nach und nach in der Dunkelheit in die Freiheit geschleust. Zu diesem Zeitpunkt habe der „spirituell­e Führer“immer seltsamere Entscheidu­ngen getroffen. Die Zeugin nennt ihn „größenwahn­sinnig und unberechen­bar“.

Während der Verhandlun­g werden zahlreiche Vorfälle angesproch­en. Darunter auch das Schlagen mit einem tiefgefror­enen Fisch, das Einsperren oder Anketten einzelner Personen. „Ich möchte mich entschuldi­gen“, spricht der Angeklagte mit leiser Stimme seine ersten Worte in diesem Prozess. „Das hast du öfter gemacht“, sagt die Zeugin.

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RP-FOTOS (2): KLAUS NIKOLEI Wohl nur noch einmal wird der 57-jährige Niederländ­er auf der Anklageban­k Platz nehmen. Denn Ende Mai soll das Urteil verkündet werden.
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Das Landgerich­t in Duisburg
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