Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ökumenischer Kirchentag: Schaut hin!
Unter dem Motto „schaut hin“findet in der nächsten Woche der 3. Ökumenische Kirchentag in Deutschland statt. Nach den Ökumenischen Kirchentagen 2003 in Berlin und 2010 in München ist nun Frankfurt am Main Gastgeberin dieses gemeinschaftlichen Christentreffens. Aber in diesem Jahr wird alles anders sein. Das Coronavirus hat auch den Planungen des Ökumenischen Kirchentages einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wo sonst bei Kirchen- und Katholikentagen und auch bei den bisherigen beiden Ökumenischen Kirchentagen stets mehr als einhunderttausend Menschen die Straßen und Plätze, Kirchen und Messehallen der gastgebenden Stadt mit Gottesdiensten und Gesängen, Diskussionen und vielfältigen Veranstaltungen belebten, wird Frankfurt nun geisterhaft leer bleiben. Der 3. Ökumenische Kirchentag wird fast ausschließlich digital stattfinden. Von Besuchen in Frankfurt ist ausdrücklich abgeraten worden.
Die sonst so wunderbare Gemeinschaft bei den Abenden der Begegnung, Eröffnungs- und Abschlussgottesdiensten, musikalischen Veranstaltungen und den großen Podiumsdiskussionen – sie bleibt diesmal nur eine Erinnerung an vergangene Kirchentage und eine Hoffnung auf die Zeit nach dem Ende der Pandemie. Statt der üblichen etwa 3000 Veranstaltungen von Mittwoch bis Sonntag finden nun digital 80 Kirchentagsangebote statt. Trotzdem: Ein Kompliment an die ökumenischen Träger und Organisatoren dieses Kirchentages, dass sie sich dieser Herausforderung gestellt haben. Das Leben, auch das kirchliche Leben, geht ja trotz Corona weiter.
Die drängenden Fragen dieser Welt hören wegen Corona nicht auf: Gerechtigkeit und Frieden, Armut und Teilhabe an Ressourcen, Verletzung der Menschenrechte und Unterdrückung in so vielen Ländern unserer Erde, Zukunft des Glaubens und unserer Gemeinden, Chancen einer echten Ökumene der Kirchen, die sich nicht in leeren stereotypen Worthülsen erschöpfen darf. Ein digitaler Kirchentag ist schwierig, fast unmöglich, weil die lebendige Begegnung von Mensch zu Mensch fehlt. Und dennoch kann sich dieses Wagnis lohnen. Besser digital als gar nicht. „Schaut hin“, dieses Motto des ÖKT ist einem Jesuswort aus der Speisung der Fünftausend entnommen. Markus erzählt diese bekannte Geschichte in seinem 6. Kapitel.
Es ist kein reines Zitat, sondern eine Interpretation des „geht hin und seht nach“aus der Speisung der 5000 mit fünf Broten und zwei Fischen. Das Leitwort fordert auf, hinzuschauen und Verantwortung wahrzunehmen. Christen nehmen die Sorgen und Bedrängnisse der Menschen ernst. Sie tun das in der Gewissheit, dass Gott nicht wegschaut. In diesem Sinne will der Ökumenische Kirchentag in Frankfurt in die Welt, auf die Sorgen und Ängste der Menschen schauen und mit ihnen gemeinsam nach Lösungen suchen.