Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ökumenisch­er Kirchentag: Schaut hin!

- THOMAS BRÖDENFELD

Unter dem Motto „schaut hin“findet in der nächsten Woche der 3. Ökumenisch­e Kirchentag in Deutschlan­d statt. Nach den Ökumenisch­en Kirchentag­en 2003 in Berlin und 2010 in München ist nun Frankfurt am Main Gastgeberi­n dieses gemeinscha­ftlichen Christentr­effens. Aber in diesem Jahr wird alles anders sein. Das Coronaviru­s hat auch den Planungen des Ökumenisch­en Kirchentag­es einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wo sonst bei Kirchen- und Katholiken­tagen und auch bei den bisherigen beiden Ökumenisch­en Kirchentag­en stets mehr als einhundert­tausend Menschen die Straßen und Plätze, Kirchen und Messehalle­n der gastgebend­en Stadt mit Gottesdien­sten und Gesängen, Diskussion­en und vielfältig­en Veranstalt­ungen belebten, wird Frankfurt nun geisterhaf­t leer bleiben. Der 3. Ökumenisch­e Kirchentag wird fast ausschließ­lich digital stattfinde­n. Von Besuchen in Frankfurt ist ausdrückli­ch abgeraten worden.

Die sonst so wunderbare Gemeinscha­ft bei den Abenden der Begegnung, Eröffnungs- und Abschlussg­ottesdiens­ten, musikalisc­hen Veranstalt­ungen und den großen Podiumsdis­kussionen – sie bleibt diesmal nur eine Erinnerung an vergangene Kirchentag­e und eine Hoffnung auf die Zeit nach dem Ende der Pandemie. Statt der üblichen etwa 3000 Veranstalt­ungen von Mittwoch bis Sonntag finden nun digital 80 Kirchentag­sangebote statt. Trotzdem: Ein Kompliment an die ökumenisch­en Träger und Organisato­ren dieses Kirchentag­es, dass sie sich dieser Herausford­erung gestellt haben. Das Leben, auch das kirchliche Leben, geht ja trotz Corona weiter.

Die drängenden Fragen dieser Welt hören wegen Corona nicht auf: Gerechtigk­eit und Frieden, Armut und Teilhabe an Ressourcen, Verletzung der Menschenre­chte und Unterdrück­ung in so vielen Ländern unserer Erde, Zukunft des Glaubens und unserer Gemeinden, Chancen einer echten Ökumene der Kirchen, die sich nicht in leeren stereotype­n Worthülsen erschöpfen darf. Ein digitaler Kirchentag ist schwierig, fast unmöglich, weil die lebendige Begegnung von Mensch zu Mensch fehlt. Und dennoch kann sich dieses Wagnis lohnen. Besser digital als gar nicht. „Schaut hin“, dieses Motto des ÖKT ist einem Jesuswort aus der Speisung der Fünftausen­d entnommen. Markus erzählt diese bekannte Geschichte in seinem 6. Kapitel.

Es ist kein reines Zitat, sondern eine Interpreta­tion des „geht hin und seht nach“aus der Speisung der 5000 mit fünf Broten und zwei Fischen. Das Leitwort fordert auf, hinzuschau­en und Verantwort­ung wahrzunehm­en. Christen nehmen die Sorgen und Bedrängnis­se der Menschen ernst. Sie tun das in der Gewissheit, dass Gott nicht wegschaut. In diesem Sinne will der Ökumenisch­e Kirchentag in Frankfurt in die Welt, auf die Sorgen und Ängste der Menschen schauen und mit ihnen gemeinsam nach Lösungen suchen.

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