Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Juristisch nachvollziehbar
Drei Berufsrichter, zwei Laienrichter und eine Referendarin. Man kann wirklich nicht sagen, dass Deutschland keinen Wert auf Naturschutz legt. Der Aufwand, den der Staat betreibt, um herauszufinden, ob eine Wölfin getötet werden muss, damit Schafe (und andere Weidetiere) leben können, hat etwas runderherum Tröstliches. Die Ernsthaftigkeit, mit der am Donnerstag über die Zukunft der Wölfin GW954F, genannt Gloria, vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf verhandelt wurde, ist ein gutes Zeichen.
Man kann in diesem Land nicht einfach einen Wolf erschießen, wie es womöglich in anderen Staaten längst passiert wäre. Man stellt in Deutschland einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung für eine Entnahme des Wolfes. Und wird dieser abgelehnt, zieht man vor das Verwaltungsgericht. Und scheitert man dort, vor das Oberverwaltungsgericht. Die anspruchsvollen behördlichen Verfahren in dieser Angelegenheit sind beinahe rührend.
Nun, von diesen nahezu romantischen Erwägungen über die Existenz des Rechtsstaats können sich die Schäfer nichts kaufen. Sie sind nicht zufrieden mit dem Urteil, indem das Verwaltungsgericht entschieden hat, dass Wölfin Gloria weiterhin im Wolfsgebiet Schermbeck leben darf. Sie hätten es nicht schlecht gefunden, wenn man diese Wölfin getötet oder wenigstens über sieben Berge transportiert hätte. Unzufrieden vor allem ist der Kläger, der Hünxer Schäfer Kurt Opriel.
Ob man das Urteil gut oder schlecht findet, das hängt damit zusammen, auf welcher Seite man in diesem Streit steht. Man kann die Weidetierhalter verstehen, die in der Wölfin zuallererst eine Bedrohung erkennen. Man kann auch die Naturschützer verstehen, die in Gloria eine Bereicherung der Artenvielfalt sehen.
Das Urteil ist, juristisch betrachtet, in jedem Fall nachvollziehbar. Auch wenn sich Opriels Rechtsanwalt Stefan Steinkühler offenbar eine Grundsatzentscheidung gewünscht hatte, so ging es in dem Fall mit dem Aktenzeichen 28 K 4055/20 ausschließlich um Opriel. Es bestand keine Notwendigkeit, einen Kriterienkatalog zu formulieren, wann ein Wolf „entnommen“werden darf, und wann nicht. Die Voraussetzungen des Gesetzes haben zur Beurteilung dieses Falls ausgereicht. Das Verwaltungsgericht hat die Frage beantwortet, die es gestellt bekommen hat. Wer mehr wissen will, muss eine Instanz weiterziehen.
Henning Rasche
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