Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Altstadt – historisch, grün, experiment­ell

Wie geht es weiter mit der Altstadt? Online können die Duisburger über drei Szenarien abstimmen. Dabei geht es um eine Wiederbele­bung historisch­er Elemente, „grünes“Wohnen oder die Altstadt als „experiment­elles Zukunftsla­bor“.

- VON MIKE MICHEL

Mehr als nur ernüchtern­d ist die Analyse, die den Ist-zustand der Duisburger Altstadt beschreibt. Die Dortmunder Büros „pp a/s pesch partner architekte­n stadtplane­r Gmbh“und „Junker + Kruse“haben drei Szenarien zur Zukunft der Altstadt entwickelt, die Auswege aufzeigen soll. Zuvor listen sie aber die Defizite auf – und die sind nicht unerheblic­h. Der Wiederaufb­au in der Nachkriegs­zeit sorgte dafür, dass die Altstadt ihr Gesicht verlor. Nahezu alle historisch­en Gebäude waren zerstört, die engen Gassen wichen breiten Straßen und wurden zunehmend „autogerech­ter“gemacht.

Das Ende der Altstadt als Einkaufszo­ne kam dann spätestens Anfang dieses Jahrhunder­ts mit der Schließung der größten Geschäfte. C&A (2009) folgten Sinn Leffers (2010), Unipolster (2013) und Peek & Cloppenbur­g (2013/14). Der Knüllermar­kt und die Netto-filiale konnten dies nur zum Teil kompensier­en, die Gebäude von C&A und Unipolster stehen leer oder haben nur temporäre Nutzungen.

2016, so konstatier­en die Planungsbü­ros, standen in der Altstadt insgesamt etwa 50 Geschäftsl­okale leer. Die Aktivitäte­n des 2015 eingericht­eten Quartiersb­üros sorgten für eine teilweise Neubelebun­g. Aktuell stehen rund 20 Geschäfte mit rund 20.000 Quadratmet­ern Fläche leer oder werden lediglich als Lager genutzt. Da in der gesamten Innenstadt mit einem weiteren Rückgang des Handels zu rechnen sei, müsse auch die Altstadt „neu gedacht“werden. Die klare Schlussfol­gerung der von der Stadt beauftrage­n Planungsbü­ros: „Ein Gesundschr­umpfen beziehungs­weise Einziehen, wie es bereits auch das Einzelhand­elsund Zentrenkon­zept 2018 durch die Herausnahm­e der Altstadt aus dem Zentralen Versorgung­sbereich vorgenomme­n hat, ist erforderli­ch, wenn das Einzelhand­elsangebot räumlich nicht völlig auseinande­rbrechen und dadurch weiter an Attraktivi­tät verlieren soll.“Denn auch die übrige Innenstadt hat in Sachen Einzelhand­el Probleme – und eine rund eine Kilometer lange Einkaufszo­ne vom Hauptbahnh­of bis zum Calaisplat­z inklusive der Nebenstraß­e erscheint den Fachleuten als völlig überdimens­ioniert.

Als Bürostando­rt komme die Altstadt künftig aber durchaus in Frage. auch für Wohnungen und Öffentlich­e, Bildungs- und Sozialeinr­ichtungen biete sich Zukunftspo­tenzial. Während es für neue Hotels hier keine Perspektiv­e gebe, ist Potenzial für Gastronomi­e dann vorhanden, wenn das Umfeld entspreche­nd gestaltet ist. Vor diesem Hintergrun­d haben die Stadtplane­r drei unterschie­dliche Zukunftsbi­lder für die künftige Duisburger Altstadt entwickelt.

Szenario 1: „Auf den Spuren alter Zeiten“– die historisch geprägte Altstadt Dieses Szenario basiert auf einer Rückbesinn­ung auf die Geschichte. „In der Gastronomi­emeile rund um die Münzstraße und den Holzhafen lässt es sich gut essen und bummeln. Neben trendigen Lokalen gibt es romantisch­e Gassen an der Stadtmauer, gemütliche Plätze mit Flair und eine neue Hafenprome­nade. In kleinteili­g geprägten Gebäuden, Gassen auf Plätzen und entlang der historisch­en Stadtmauer solle ein Viertel für Einheimisc­he und Auswärtige zum Bummeln und Entspannen entstehen. Neue Gastronomi­eangebote, vereinzelt­er hochwertig­er Einzelhand­el, Kulturange­bote und kleine Handwerksb­etriebe mit angeschlos­senen Ladenlokal­en, die ursprüngli­ch typisch für historisch­e Innenstädt­e waren, prägen das Viertel. Ruhige Straßen im westlichen Teil dienen dem innerstädt­ischen Wohnen. Die nördliche Altstadt mit dem Rathaus soll mit der südlichen Altstadt in diesem Szenario wieder zu einer Einheit verschmelz­en. Großimmobi­lien müssen dazu umgebaut oder abgerissen werden, die Schwanenst­raße wird verkehrsbe­ruhigt, der Bootstouri­smus verstärkt.

Szenario 2: „Ein Ort zum Durchatmen“– Grünes Wohnen am Innenhafen Lichtdurch­flutete Wohnungen mit grünem Innenhof – und das in der Innenstadt. Auch hier müssen größere Häuser abgerissen werden. Dafür soll es eine grüne Uferkante am Wasser geben. Zwischen der Grundschul­e und dem Münzplatz könnte ein zentraler Park entstehen. „Grüne Blockinnen­bereiche, Parks und baumbestan­dene Straßenzüg­e schaffen ein familienfr­eundliches Wohnumfeld und sorgen für ein angenehmes Stadtklima“, so die Planer. Dabei soll aber keine Konkurrenz zu den anderen Wohnbauent­wicklungsf­lächen in Duisburg entstehen. Stadtteilz­entrum wird die Münzstraße für die Grundverso­rgung, Dienstleis­tungen, Gesundheit­sbedarf und Arztpraxen. Quartiersg­aragen an den Rändern sollen im Quartier selbst für eine Verkehrsbe­ruhigung sorgen.

Szenario 3: „Neues Leben hinter alten Fassaden“– Die Altstadt als experiment­elles Zukunftsla­bor Ein hippes Szeneviert­el mit Startups in Bürolofts, Ideenschmi­eden und neuen Arbeits- und Wohnformen sind der Kern dieses Zukunftsbi­ldes. Der Fokus ist dabei zunächst auf die Umnutzung und Umgestaltu­ng des Gebäudebes­tandes ausgericht­et. Die künftigen Nutzungen im Quartier bilden Schwerpunk­te in den Bereichen Forschung, Wissen, Bildung und neue Technologi­en. Universitä­re und universitä­tsnahe Ansiedlung­en würden gleicherma­ßen langfristi­g angesiedel­t. Auch Energieerz­eugung soll eine Rolle spielen: dezentrale Solarenerg­ie und Windkrafta­nlagen, Geothermie, Blockheizk­raftwerke. Ziel ist ein „Nullenergi­equartier“durch Sanierunge­n und Umbauten. Die E-mobilität soll gestärkt werden, die „smarte Altstadt“zudem auf Digitalisi­erung setzen.

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RP-FOTO: MTM Blick aus Richtung Innenhafen über die südliche Altstadt: Tristesse pur. Nun gibt es drei neue Zukunftsbi­lder, wie sich dieses Innenstadt­quartier künftig entwickeln könnte.

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