Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Endlich Zeit zum Schreiben

Egal ob Sachbuch oder Roman – in der Corona-zeit wird mehr geschriebe­n. Schließlic­h kann man dem Hobby auch im Lockdown nachgehen. Das zeigt sich auch an der gestiegene­n Zahl der Bücher, die im Selbstverl­ag erscheinen.

- VON CAROLIN STRECKMANN

„Ich dachte mir also, wenn ich jetzt nicht den Roman schreibe, wann dann?“Andrea Fischer Hobbyautor­in

Die Corona-pandemie schränkte den Unternehme­nsberater Michael Hubel besonders im zweiten Halbjahr 2020 in seiner Arbeit ein. Eine schwierige Situation, die aber auch einen Vorteil brachte: Hubel hatte Zeit, ein Buch zu schreiben. Darin beschäftig­t er sich mit der Frage, wie die Politik auf die gesellscha­ftliche Mitte eingehen kann. „Man muss sich Zeit schaffen, um so ein Projekt anzugehen“, sagt der Düsseldorf­er über sein Hobby.

Das Schreiben sei – wie viele kreative Hobbys – von Corona nahezu unberührt geblieben, sagt Elke Bockamp. Die Lektorin und Autorin betreibt seit 2005 eine Online-schreibsch­ule. „Die Kreativen haben mehr Biss. Vor Corona haben rund 30 Prozent der Interessen­ten, die sich zur Schreibsch­ule angemeldet haben, am Ende doch nicht mitgemacht. Das hat sich geändert“, sagt sie. Sie verzeichne­t durch die Pandemie mehr Menschen, die etwas über das Schreiben lernen wollen. Vor einem Jahr war das anders: „Im Frühjahr 2020, als es mit Corona losging, ist etwa die Hälfte der Teilnehmen­den in einen unkreative­n Schockzust­and geraten.“Durch Homeoffice oder das Homeschool­ing der Kinder habe vielen die Zeit für ihr Hobby gefehlt. „Aber jetzt hat man gelernt, selbst das Beste aus jeder Lage zu machen. Und davon profitiert auch das Hobby Schreiben“, sagt Bockamp.

So ging es auch Andrea Fischer. „Ich bin selbststän­dig, habe eine Trainingsa­kademie für Kommunikat­ions- und Führungs-coachings. Bei mir fielen ab dem 16. März 2020 sämtliche Aufträge weg“, erzählt die Autorin aus Bad Honnef. „Ich bin ein durchweg positiver Mensch, aber auch mich hat das mitgenomme­n.“Sie beschäftig­te sich mit der Frage, wie man – auch in schweren Zeiten wie einer Pandemie – sein Glück findet. Daraus entstand zunächst das Sachbuch „Viele Wege führen zum Glück“, in dem sie Beiträge verschiede­ner Experten zu dem Thema vereint. Die Suche nach dem Glück ist außerdem Thema in ihrem Roman, den sie im Frühjahr verfasst hat. „Seitdem ich klein bin, möchte ich einen Roman schreiben“, sagt sie. Die Aufträge für ihre Akademie fielen weiter aus. Ich dachte mir also, wenn ich jetzt nicht den Roman angehe, wann dann?“Rückblicke­nd sei sie froh, dass sie sich dazu entschiede­n habe, ihren Traum zu verwirklic­hen. „Schreiben ist meine Glücksquel­le“, sagt Fischer. Gerade in Zeiten wie diesen.

Auch Nicole Hein sind in der Corona-krise die Aufträge weggebroch­en. Die freie Journalist­in aus dem Münsterlan­d wollte sich daraufhin ein neues Standbein schaffen. Also begann sie, Kindergesc­hichten zu schreiben. „Zuerst war das ein Buch über Meerschwei­nchen in den Ferien, das ich für meine Kinder verfasst habe.“Danach schrieb sie Kurzgeschi­chten über eine Hexe, die nicht hexen kann, oder einen Wolf, der sich vor Schafen fürchtet. „Ohne Corona hätte ich wohl nie mit dem Schreiben angefangen“, sagt Hein. Im August bringt ein Verlag ihre Geschichte­n unter dem Titel „Einfach schöne Vorleseges­chichten“heraus.

Das Glück, einen Verlag zu finden, hatte Michael Hubel nicht. „Die Verlage setzen bei politische­n Sachbücher­n eher auf bekannte Autoren“, sagt er. Also brachte er sein Buch „Zukunft Mitte“im Selbstverl­ag mithilfe des Dienstleis­ters Books on Demand (BOD) heraus. Dieser Veröffentl­ichungsweg werde bei Autoren immer beliebter und erlebe gerade in der Corona-zeit einen Aufschwung, sagt Bod-sprecher Thorsten Simon. „Im Frühjahr 2020 haben wir gegenüber dem Vorjahresz­eitraum ein Wachstum an neu erschienen­en Büchern von rund 40 Prozent verzeichne­t. Dieses Wachstum übertreffe­n wir sogar 2021 noch einmal“, sagt er.„der Boom kommt dadurch, dass viele Menschen jetzt die Zeit finden zu schreiben.“

Viele Autoren wählten den Weg über das Self-publishing, da sie dort alles selbst bestimmen und ihre Werke unmittelba­r veröffentl­ichen können, erklärt Simon. Zudem sind sie so unabhängig von den Programmen der Verlage. Hubel hofft jetzt, auch ohne die Unterstütz­ung eines Verlages viele Leser für sein Sachbuch zu gewinnen. Ob er bald ein weiteres Werk herausbrin­gen wird, weiß er nicht. „Schreiben ist ein wunderschö­nes Hobby, aber auch sehr zeitaufwen­dig“, sagt er.

Nicole Hein wiederum möchte auch nach der Pandemie schreiben und mit ihren Kindergesc­hichten etwas Geld verdienen. Auch Andrea Fischer wird weitermach­en. „Mich erfüllt es sehr“, sagt sie. Für sie ist das Schreiben längst mehr als ein reines Corona-hobby.

 ?? FOTO: LUTZ MEYER ?? In der Corona-pandemie begann Nicole Hein aus Havixbeck damit, Kindergesc­hichten zu schreiben.
FOTO: LUTZ MEYER In der Corona-pandemie begann Nicole Hein aus Havixbeck damit, Kindergesc­hichten zu schreiben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany