Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Impfpässe öffnen Türen – das macht sie interessan­t für Fälscher.

Kriminelle bieten gefälschte Ausweise zum Kauf an. Solange es keine digitale Lösung gibt, werden sich die Fälle häufen, fürchten Ermittler.

- VON CLAUDIA HAUSER

DÜSSELDORF In den meisten Haushalten lagen die Impfpässe jahrelang in Kommoden oder Schränken herum, doch nun werden die gelben Heftchen wichtig – verhelfen sie doch mit dem Nachweis einer Covid-impfung zu neuen, alten Freiheiten wie einem Restaurant­besuch, einem Abend im Theater und vor allem Reisen. Wer den gelben Pass nicht wiederfind­et, kann sich für rund fünf Euro einen Blanko-ausweis der Weltgesund­heitsorgan­isation im Internet bestellen – ganz legal, denn das Heftchen ist kein offizielle­s Dokument.

„Der Impfpass hat keine Sicherheit­smerkmale“, sagt Frank Scheulen vom Landeskrim­inalamt (LKA) Nordrhein-westfalen. Das war bislang auch nicht nötig, aber inzwischen tauchen Pässe mit gefälschte­n Stempelabd­rücken oder Aufklebern auf, mit denen Betrüger eine Covid-impfung nachweisen wollen, die es nie gegeben hat. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein etwa hat nach Angaben eines Sprechers Anzeige erstattet, weil im Internet Ausweise mit einem Stempelabd­ruck des Düsseldorf­er Impfzentru­ms zum Kauf angeboten worden waren. Und in Köln hat ein Hausarzt die Polizei verständig­t, weil unter seinem Namen etliche gefälschte Impfauswei­se im Umlauf waren. Bei verschlüss­elten Messenger-diensten wie Telegram bieten Betrüger Fake-pässe an, für rund 100 Euro.

Die Kölner Polizei hat nun eine Ermittlung­sgruppe namens „Stempel“eingericht­et, um Fälschunge­n aufzuspüre­n. „Wir wollen frühzeitig auf das Betrugsphä­nomen reagieren und bearbeiten inzwischen eine zweistelli­ge Zahl an Ermittlung­sverfahren“, sagt Kriminalha­uptkommiss­arin Nicole Gentner, die die Gruppe leitet. Die Verfahren laufen wegen des Verdachts, gefälschte Impfauswei­se hergestell­t und angeboten zu haben, wie sie sagt. Vier Tatverdäch­tige wurden ermittelt. In keinem Fall sei es zum Verkauf eines Passes gekommen. „Es handelt sich eher um klassische Betrugsdel­ikte.“

Die Tatverdäch­tigen sollen die Pässe angeboten und das Geld dafür empfangen haben, bezahlt wurde mit der Digitalwäh­rung Bitcoins. „Für die Täter ist die Situation relativ komfortabe­l“, sagt Gentner. „Wer eine gefälschte Ware bestellt und nicht bekommt, wird nicht zur Polizei gehen und Anzeige erstatten.“Die Betrugsmas­che ist kein Massenphän­omen, dem LKA sind bislang lediglich erste Fälle aus NRW bekannt. Kriminalha­uptkommiss­arin Gentner rechnet aber mit einem Anstieg der Zahl der Delikte, solange es noch keinen digitalen Impfpass gibt. Sie warnt: „Wer sich überlegt, einen gefälschte­n Impfpass anzuschaff­en, begeht nicht nur eine Straftat, er verliert auch Geld – in allen Fällen, die wir gerade bearbeiten, wurde Geld bezahlt, es wurde aber nie eine Ware verschickt.“

Da der Impfauswei­s kein offizielle­s Dokument wie ein Personalau­sweis oder ein Führersche­in ist, gilt das Fälschen in vielen Fällen nicht als Urkundenfä­lschung, sondern nur als Fälschung eines Gesundheit­szeugnisse­s und kann allenfalls mit einem Jahr Freiheitss­trafe geahndet werden. Nrw-justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) will das ändern und sich für einen Strafrahme­n bis zu fünf Jahren einsetzen. Auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) plant strengere Regeln gegen den Missbrauch.

„Der gelbe Pass als Nachweis für die Impfung kann nur eine kurzfristi­ge Übergangsl­ösung sein“, sagt Michael Mertens, NRW-CHEF der Gewerkscha­ft der Polizei. Es müsse aber so schnell wie möglich ein digitaler Impfpass her. „Die Forderung nach härteren Strafen führt zu Konsequenz­en, hilft uns aber im Moment nicht.“Mertens fordert, dass die Gesundheit­sbehörden jedem Geimpften eine Bescheinig­ung als amtliches Dokument ausstellen. „Es wird auch ein Problem werden, die Impfpässe zu lesen – das muss ein Polizist, das muss aber auch eine Friseurin können, um eine Fälschung zu erkennen.“

Nicole Gentner von der Kölner Polizei nennt drei Merkmale, die auf gefälschte Angaben im Impfpass hinweisen: „Man sollte misstrauis­ch werden, wenn etwa Rechtschre­ibfehler im Arztstempe­l auftauchen“, sagt sie. Man könne außerdem von einer Fälschung ausgehen, wenn die Chargennum­mer des Impfstoffs bei der Erst- und Zweitimpfu­ng identisch sei. „Wenn zwischen erster und zweiter Impfung weniger als drei Wochen oder mehr als drei Monate liegen, kann auch etwas nicht stimmen.“Doch auch sie sagt: „In der Praxis kann nicht jede Friseurin alles genau nachprüfen und dann mithilfe der Polizei bei einem Arzt oder im Impfzentru­m nachfragen, ob derjenige wirklich geimpft wurde.“Der digitale Impfpass soll Ende Juni als Smartphone-app zur Verfügung stehen.

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FOTO: LACI PERENYI / IMAGO Das gelbe Heftchen ist kein offizielle­s Dokument – und kann deswegen leicht gefälscht werden. Bald soll es eine digitale Alternativ­e geben.

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