Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Impfpässe öffnen Türen – das macht sie interessant für Fälscher.
Kriminelle bieten gefälschte Ausweise zum Kauf an. Solange es keine digitale Lösung gibt, werden sich die Fälle häufen, fürchten Ermittler.
DÜSSELDORF In den meisten Haushalten lagen die Impfpässe jahrelang in Kommoden oder Schränken herum, doch nun werden die gelben Heftchen wichtig – verhelfen sie doch mit dem Nachweis einer Covid-impfung zu neuen, alten Freiheiten wie einem Restaurantbesuch, einem Abend im Theater und vor allem Reisen. Wer den gelben Pass nicht wiederfindet, kann sich für rund fünf Euro einen Blanko-ausweis der Weltgesundheitsorganisation im Internet bestellen – ganz legal, denn das Heftchen ist kein offizielles Dokument.
„Der Impfpass hat keine Sicherheitsmerkmale“, sagt Frank Scheulen vom Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-westfalen. Das war bislang auch nicht nötig, aber inzwischen tauchen Pässe mit gefälschten Stempelabdrücken oder Aufklebern auf, mit denen Betrüger eine Covid-impfung nachweisen wollen, die es nie gegeben hat. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein etwa hat nach Angaben eines Sprechers Anzeige erstattet, weil im Internet Ausweise mit einem Stempelabdruck des Düsseldorfer Impfzentrums zum Kauf angeboten worden waren. Und in Köln hat ein Hausarzt die Polizei verständigt, weil unter seinem Namen etliche gefälschte Impfausweise im Umlauf waren. Bei verschlüsselten Messenger-diensten wie Telegram bieten Betrüger Fake-pässe an, für rund 100 Euro.
Die Kölner Polizei hat nun eine Ermittlungsgruppe namens „Stempel“eingerichtet, um Fälschungen aufzuspüren. „Wir wollen frühzeitig auf das Betrugsphänomen reagieren und bearbeiten inzwischen eine zweistellige Zahl an Ermittlungsverfahren“, sagt Kriminalhauptkommissarin Nicole Gentner, die die Gruppe leitet. Die Verfahren laufen wegen des Verdachts, gefälschte Impfausweise hergestellt und angeboten zu haben, wie sie sagt. Vier Tatverdächtige wurden ermittelt. In keinem Fall sei es zum Verkauf eines Passes gekommen. „Es handelt sich eher um klassische Betrugsdelikte.“
Die Tatverdächtigen sollen die Pässe angeboten und das Geld dafür empfangen haben, bezahlt wurde mit der Digitalwährung Bitcoins. „Für die Täter ist die Situation relativ komfortabel“, sagt Gentner. „Wer eine gefälschte Ware bestellt und nicht bekommt, wird nicht zur Polizei gehen und Anzeige erstatten.“Die Betrugsmasche ist kein Massenphänomen, dem LKA sind bislang lediglich erste Fälle aus NRW bekannt. Kriminalhauptkommissarin Gentner rechnet aber mit einem Anstieg der Zahl der Delikte, solange es noch keinen digitalen Impfpass gibt. Sie warnt: „Wer sich überlegt, einen gefälschten Impfpass anzuschaffen, begeht nicht nur eine Straftat, er verliert auch Geld – in allen Fällen, die wir gerade bearbeiten, wurde Geld bezahlt, es wurde aber nie eine Ware verschickt.“
Da der Impfausweis kein offizielles Dokument wie ein Personalausweis oder ein Führerschein ist, gilt das Fälschen in vielen Fällen nicht als Urkundenfälschung, sondern nur als Fälschung eines Gesundheitszeugnisses und kann allenfalls mit einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden. Nrw-justizminister Peter Biesenbach (CDU) will das ändern und sich für einen Strafrahmen bis zu fünf Jahren einsetzen. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plant strengere Regeln gegen den Missbrauch.
„Der gelbe Pass als Nachweis für die Impfung kann nur eine kurzfristige Übergangslösung sein“, sagt Michael Mertens, NRW-CHEF der Gewerkschaft der Polizei. Es müsse aber so schnell wie möglich ein digitaler Impfpass her. „Die Forderung nach härteren Strafen führt zu Konsequenzen, hilft uns aber im Moment nicht.“Mertens fordert, dass die Gesundheitsbehörden jedem Geimpften eine Bescheinigung als amtliches Dokument ausstellen. „Es wird auch ein Problem werden, die Impfpässe zu lesen – das muss ein Polizist, das muss aber auch eine Friseurin können, um eine Fälschung zu erkennen.“
Nicole Gentner von der Kölner Polizei nennt drei Merkmale, die auf gefälschte Angaben im Impfpass hinweisen: „Man sollte misstrauisch werden, wenn etwa Rechtschreibfehler im Arztstempel auftauchen“, sagt sie. Man könne außerdem von einer Fälschung ausgehen, wenn die Chargennummer des Impfstoffs bei der Erst- und Zweitimpfung identisch sei. „Wenn zwischen erster und zweiter Impfung weniger als drei Wochen oder mehr als drei Monate liegen, kann auch etwas nicht stimmen.“Doch auch sie sagt: „In der Praxis kann nicht jede Friseurin alles genau nachprüfen und dann mithilfe der Polizei bei einem Arzt oder im Impfzentrum nachfragen, ob derjenige wirklich geimpft wurde.“Der digitale Impfpass soll Ende Juni als Smartphone-app zur Verfügung stehen.