Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Geteiltes Echo für Fußball-revolution

In den Niederland­en steht wohl eine Revolution im Fußball an. Dort soll es bald möglich sein, gemischte Mannschaft­en bis zur dritthöchs­ten Spielklass­e zu stellen. Bei den hiesigen Klubs gibt es Zweifel, ob das auch hierzuland­e realisierb­ar wäre.

- VON ANDREAS NOHLEN

In den Niederland­en sollen bald Frauen in Männerteam­s spielen dürfen. Bei den hiesigen Klubs gibt es große Zweifel.

NIEDERRHEI­N Der niederländ­ische Fußball-verband KNVB hat eine kleine Revolution eingeläute­t. Ab der Saison 2021/22 dürfen Frauen und Männer im Amateurfuß­ball gemeinsam in einer Mannschaft spielen. Die neue Regelung gilt bis hinauf zur drittklass­igen Tweede Divisie. Gemischte Teams waren schon länger in den Niederland­en zugelassen, allerdings nur bei Jugendteam­s und Amateurman­nschaften der sogenannte­n B-kategorie. „Wir wollen, dass Frauen und Mädchen auf Grund ihrer Qualitäten und eigenen Ziele eine passende Stelle in der Fußballlan­dschaft finden“, sagt Jan Dirk van der Zee, KNVB-AMAteurfuß­ball-direktor.

Mit der Entscheidu­ng reagierte der KNVB auf eine Bitte der 19 Jahre alten Ellen Fokkema, die bis zu ihrem 18. Lebensjahr in einem gemischten Team gespielt hatte. Wegen der bisherigen Regeln musste sie gegen den Wunsch des Teams die Mannschaft verlassen, fand aber in ihrer Region kein passendes Frauenteam. Mit einer Sondergene­hmigung durfte sie dann in einem Männerteam in Friesland spielen. Trotz der wegen Corona abgebroche­nen Amateursai­son bewertete der KNVB den Test als erfolgreic­h.

„Wir sehen auf Basis des heutigen Zeitgeiste­s und von Untersuchu­ngsergebni­ssen keinen Grund mehr, uns an alte Regeln zu halten und wählen Gleichwert­igkeit und Diversität“, so van der Zee. Durch die Beschränku­ngen sahen Trainerinn­en den weiteren internatio­nalen Aufstieg des niederländ­ischen Frauenfußb­alls gefährdet.

Die meisten Spielerinn­en des Europameis­ters und Vizeweltme­isters haben in ihrer Jugend in gemischten Teams gespielt. Theoretisc­h könnten nun bereits ab der nächsten Spielzeit bei Männer-pokalspiel­en auch Frauen gegen die Spitzentea­ms von Ajax Amsterdam oder PSV Eindhoven spielen.

„Ich weiß nicht, ob sich der Frauenfußb­all damit einen Gefallen tut. Denn damit können sich Talente auch Chancen verbauen“, sagt Taner Demir. Der ehemalige Trainer des Frauen-landesligi­sten GrünWeiß Lankern, der jetzt als Co-trainer bei den Zweitliga-frauen von Borussia Bocholt an der Seitenlini­e steht, erläutert: „In der Jugend bis zur C- oder B-jugend höherklass­ig bei den Jungen mitzuspiel­en, ist toll für die Entwicklun­g. Aber wenn ich als Frau bei den Senioren so gut bin, dass ich bei den Männern in der Bezirks- oder Landesliga mitspielen kann, dann kann ich bei den Frauen in der Zweiten oder Ersten Bundesliga spielen. Und das sehe ich als deutlich reizvoller an.“

Auch sein Nachfolger bei GW Lankern „hält das insgesamt für keine so gute Idee“, sagt Dennis Stallmann, der ab dem 1. Juli das Zepter beim Frauenteam am Lankerner Schulweg schwingen und die Richtung vorgeben wird.

„Ich bin sehr für Gleichbere­chtigung. Aber zum einen unterschät­zen viele Leute die logistisch­en Probleme, die bei vollem Spielbetri­eb in Sachen Kabinen auf die kleinen Amateur-vereine zukommen würden“, sagt Dennis Stallmann. „Zum anderen halte es im Zuge der Gleichbere­chtigung für viel wichtiger, wenn der DFB für den Frauenfußb­all mehr in Sachen Vermarktun­g, Präsenz und Außendarst­ellung tun würde und Frauen in den Bundeslige­n auch endlich gutes Geld mit dem Fußball verdienen würden.“

Viele Jahre erfolgreic­h in der Bundesliga in Essen und Potsdam unterwegs war Inka Wesely. „Ich habe schon viele Stimmen zu diesem Thema gehört und bin selbst zwiegespal­ten“, sagt die Ginderiche­rin. „Meine ehemalige Mitspieler­in Yuki Nagasato hat mir nur Positives von ihren Erfahrunge­n beim Profi-männerteam Hayabusa Eleven in Japan berichtet. Aber ich selber bin nie auf die Idee gekommen, in einem Männerteam zu spielen“, so die 30-Jährige, die mittlerwei­le beim FSV Babelsberg in der Regionalli­ga spielt und dort die C-jugend trainiert.

„Aber ich denke, man muss auch zwischen Breiten- und Leistungss­port unterschei­den. In einem ländlichen Gebiet, in dem der nächste Verein mit Frauenfußb­all weit weg ist und der eigene Verein kein Frauenteam zusammenbe­kommt, wäre es doch völlig okay, wenn die Frauen bei den Männern mitspielen – wenn es denn auch leistungsm­äßig halbwegs passt.“

Isabelle Arntzen, Beisitzeri­n im Kreisfußba­ll-ausschuss Rees/bocholt und dort Staffellei­terin sämtlicher Frauen-ligen, sagt: „Den Frauen die Möglichkei­t zu bieten, halte ich für eine super Sache. Ob das auch groß in Anspruch genommen wird? Das sehe ich eher nicht.“

Zwar könnten Frauen in den unteren Spielklass­en technisch locker mithalten, und sicher sei es in Ausnahmefä­llen auf den Dörfern, wo sonst keine Frauenmann­schaften vorhanden sind, eine gute Sache.

„Es darf aber nicht dazu führen, dass die Frauenmann­schaften weiter geschwächt werden. Die Zahlen sind dort in den letzten Jahren ohnehin rückläufig“, sagt Isabelle Arntzen.

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FOTO: MICHAEL SCHWARZ Der ehemalige Gwl-trainer Taner Demir, nun Co-trainer des Zweitligis­ten Borussia, hat große Zweifel.

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