Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Geteiltes Echo für Fußball-revolution
In den Niederlanden steht wohl eine Revolution im Fußball an. Dort soll es bald möglich sein, gemischte Mannschaften bis zur dritthöchsten Spielklasse zu stellen. Bei den hiesigen Klubs gibt es Zweifel, ob das auch hierzulande realisierbar wäre.
In den Niederlanden sollen bald Frauen in Männerteams spielen dürfen. Bei den hiesigen Klubs gibt es große Zweifel.
NIEDERRHEIN Der niederländische Fußball-verband KNVB hat eine kleine Revolution eingeläutet. Ab der Saison 2021/22 dürfen Frauen und Männer im Amateurfußball gemeinsam in einer Mannschaft spielen. Die neue Regelung gilt bis hinauf zur drittklassigen Tweede Divisie. Gemischte Teams waren schon länger in den Niederlanden zugelassen, allerdings nur bei Jugendteams und Amateurmannschaften der sogenannten B-kategorie. „Wir wollen, dass Frauen und Mädchen auf Grund ihrer Qualitäten und eigenen Ziele eine passende Stelle in der Fußballlandschaft finden“, sagt Jan Dirk van der Zee, KNVB-AMAteurfußball-direktor.
Mit der Entscheidung reagierte der KNVB auf eine Bitte der 19 Jahre alten Ellen Fokkema, die bis zu ihrem 18. Lebensjahr in einem gemischten Team gespielt hatte. Wegen der bisherigen Regeln musste sie gegen den Wunsch des Teams die Mannschaft verlassen, fand aber in ihrer Region kein passendes Frauenteam. Mit einer Sondergenehmigung durfte sie dann in einem Männerteam in Friesland spielen. Trotz der wegen Corona abgebrochenen Amateursaison bewertete der KNVB den Test als erfolgreich.
„Wir sehen auf Basis des heutigen Zeitgeistes und von Untersuchungsergebnissen keinen Grund mehr, uns an alte Regeln zu halten und wählen Gleichwertigkeit und Diversität“, so van der Zee. Durch die Beschränkungen sahen Trainerinnen den weiteren internationalen Aufstieg des niederländischen Frauenfußballs gefährdet.
Die meisten Spielerinnen des Europameisters und Vizeweltmeisters haben in ihrer Jugend in gemischten Teams gespielt. Theoretisch könnten nun bereits ab der nächsten Spielzeit bei Männer-pokalspielen auch Frauen gegen die Spitzenteams von Ajax Amsterdam oder PSV Eindhoven spielen.
„Ich weiß nicht, ob sich der Frauenfußball damit einen Gefallen tut. Denn damit können sich Talente auch Chancen verbauen“, sagt Taner Demir. Der ehemalige Trainer des Frauen-landesligisten GrünWeiß Lankern, der jetzt als Co-trainer bei den Zweitliga-frauen von Borussia Bocholt an der Seitenlinie steht, erläutert: „In der Jugend bis zur C- oder B-jugend höherklassig bei den Jungen mitzuspielen, ist toll für die Entwicklung. Aber wenn ich als Frau bei den Senioren so gut bin, dass ich bei den Männern in der Bezirks- oder Landesliga mitspielen kann, dann kann ich bei den Frauen in der Zweiten oder Ersten Bundesliga spielen. Und das sehe ich als deutlich reizvoller an.“
Auch sein Nachfolger bei GW Lankern „hält das insgesamt für keine so gute Idee“, sagt Dennis Stallmann, der ab dem 1. Juli das Zepter beim Frauenteam am Lankerner Schulweg schwingen und die Richtung vorgeben wird.
„Ich bin sehr für Gleichberechtigung. Aber zum einen unterschätzen viele Leute die logistischen Probleme, die bei vollem Spielbetrieb in Sachen Kabinen auf die kleinen Amateur-vereine zukommen würden“, sagt Dennis Stallmann. „Zum anderen halte es im Zuge der Gleichberechtigung für viel wichtiger, wenn der DFB für den Frauenfußball mehr in Sachen Vermarktung, Präsenz und Außendarstellung tun würde und Frauen in den Bundesligen auch endlich gutes Geld mit dem Fußball verdienen würden.“
Viele Jahre erfolgreich in der Bundesliga in Essen und Potsdam unterwegs war Inka Wesely. „Ich habe schon viele Stimmen zu diesem Thema gehört und bin selbst zwiegespalten“, sagt die Gindericherin. „Meine ehemalige Mitspielerin Yuki Nagasato hat mir nur Positives von ihren Erfahrungen beim Profi-männerteam Hayabusa Eleven in Japan berichtet. Aber ich selber bin nie auf die Idee gekommen, in einem Männerteam zu spielen“, so die 30-Jährige, die mittlerweile beim FSV Babelsberg in der Regionalliga spielt und dort die C-jugend trainiert.
„Aber ich denke, man muss auch zwischen Breiten- und Leistungssport unterscheiden. In einem ländlichen Gebiet, in dem der nächste Verein mit Frauenfußball weit weg ist und der eigene Verein kein Frauenteam zusammenbekommt, wäre es doch völlig okay, wenn die Frauen bei den Männern mitspielen – wenn es denn auch leistungsmäßig halbwegs passt.“
Isabelle Arntzen, Beisitzerin im Kreisfußball-ausschuss Rees/bocholt und dort Staffelleiterin sämtlicher Frauen-ligen, sagt: „Den Frauen die Möglichkeit zu bieten, halte ich für eine super Sache. Ob das auch groß in Anspruch genommen wird? Das sehe ich eher nicht.“
Zwar könnten Frauen in den unteren Spielklassen technisch locker mithalten, und sicher sei es in Ausnahmefällen auf den Dörfern, wo sonst keine Frauenmannschaften vorhanden sind, eine gute Sache.
„Es darf aber nicht dazu führen, dass die Frauenmannschaften weiter geschwächt werden. Die Zahlen sind dort in den letzten Jahren ohnehin rückläufig“, sagt Isabelle Arntzen.