Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Der Staat hat die Klagen der Rentner ignoriert

- VON BIRGIT MARSCHALL

Bei den mündlichen Verhandlun­gen am Mittwoch ließen sich die Richter am Bundesfina­nzhof noch nicht in die Karten schauen: Erst am 31. Mai wollen sie die Katze aus dem Sack lassen und ihr Urteil darüber fällen, ob ein Teil der Renten seit vielen Jahren zu Unrecht doppelt besteuert wird oder nicht. Bis dahin müssen sich Millionen jetzige und künftige Rentner noch gedulden. Der Finanzhof könnte die schwierige Frage auch noch dem Bundesverf­assungsger­icht zur Prüfung vorlegen. Vieles spricht jedoch dafür, dass die Kläger zumindest in Teilen bereits vor dem Münchner Gericht recht bekommen. Denn das Bundesfina­nzminister­ium hat sich die Sache zuungunste­n vieler Rentner allzu lange schöngerec­hnet.

Vor den Finanzrich­tern geht es vor allem um die Frage des fairen und „objektiven“Rechenwegs. Gesucht wird eine Formel, die für eine Mehrheit der Betroffene­n zu einer gerechten Besteuerun­g der Renten führt. Rentner oder Neu-rentner dürfen sich davon im Einzelfall allerdings keine Riesensumm­en erwarten. Experten schätzen die durchschni­ttlichen Rückerstat­tungen oder Entlastung­en, die durch eine Reform zu erwarten wären, auf zwei- bis dreistelli­ge Beträge pro Jahr.

Auf den Fiskus käme allerdings ein erhebliche­s Finanzprob­lem zu, sollten sich die Kläger durchsetze­n. Experten beim Bund der Steuerzahl­er erwarten Auswirkung­en in Milliarden­höhe. Dass der Gesetzgebe­r alle Kritik an der Besteuerun­g der Renten in den vergangene­n 16 Jahren seit 2005 überhört hat, könnte sich noch rächen. Rentner in Deutschlan­d sind eine Macht: Ihre Gruppe zählt bereits 21 Millionen – sie wird wegen der ungünstige­n Demografie schnell größer. Keine Wahl wird gegen die Rentner entschiede­n, und keine Regierung kann gegen sie anregieren. BERICHTDEU­TSCHLAND SUCHT RENTEN-RECHENWEG, WIRTSCHAFT

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