Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ungleiche Vermittler
Die USA, Ägypten und Katar bemühen sich um einen Waffenstillstand in Nahost. Knackpunkt ist vor allem der Kontakt zur Hamas.
KAIRO Alle Augen in dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinenser sind nun auf Kairo gerichtet. Die Ägypter sollen es richten, sollen einen Waffenstillstand zwischen beiden Seiten vermitteln. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, er werde sich darum kümmern und mit Ägypten und Jordanien zusammen einschreiten. Man könne diesem „Abschlachten“nicht mehr zusehen. Nach längerem Zögern dringt nun auch die US-REgierung auf eine Feuerpause, nachdem die Amerikaner im Un-sicherheitsrat drei Resolutionen mit ihrem Veto verhinderten und Präsident Joe Biden gebetsmühlenartig betonte, Israel habe das Recht, sich zu verteidigen. Das werde in den nächsten Tagen aufhören, sagte er noch und widmete sich anderen Dingen.
Tut es aber nicht. Eineinhalb Wochen dauert dieser erneute Krieg zwischen der regierenden Hamas in Gaza und der Regierung Israels nun schon. Im Gazastreifen sterben immer mehr Kinder und Frauen, in Israel ebenfalls. Die Luftangriffe würden weitergehen, bis Israel sein Ziel erreicht habe, ist die Haltung von Premier Benjamin Netanjahu in Israel, und die Hamas feuert weiter Raketen auf Israel ab. Und nicht alle können von Israels Raketenabwehrsystem abgefangen werden.
Als vor laufenden Kameras ein 14-stöckiges Mediengebäude in Gaza durch israelische Bomben einstürzte, wachte die Us-regierung in Washington auf. Seit 15 Jahren hatte die amerikanische Presseagentur AP ihre Büros dort, genau wie die französische Agentur AFP und der arabische Nachrichtensender Al-dschasira. Der Vorwurf Israels, die ausländischen Journalisten hätten als Schutzschild für die Hamas gedient, weisen diese entschieden zurück. Vielmehr wolle Israel damit die Berichterstattung aus Gaza behindern, lautet die Antwort.
Das erneute Aufflammen des Konflikts hatte die Biden-administration zunächst kalt erwischt. Während Vorgänger Donald Trump Netanjahu als einen engen Freund Amerikas bezeichnete, seine expansive Siedlungspolitik rechtfertigte, den Palästinensern die Hilfsgelder strich und die Us-botschaft von Tel Avivnach Jerusalem verlegte, hatte sich Biden noch nicht eindeutig positioniert. Nun aber soll Hady Amr als Sondergesandter der Us-regierung beide Seiten zur Mäßigung bringen. Der 55-jährige Spitzenbeamte des Us-außenministeriums ist in Beirut geboren und unterhält ausgezeichnete Verbindungen zur Region. Vor allem aber ist er sowohl bei den Israelis als auch bei den Palästinensern beliebt und könnte sich als ehrlicher Vermittler erweisen. Zusammen mit Ägypten und Katar ist ein Vermittler-trio entstanden, das das Töten stoppen soll.
Doch Amr sind die Hände gebunden. Er darf nicht direkt mit der Hamas verhandeln. Offizielle Gespräche mit Terrororganisationen dürfen amerikanische Diplomaten nicht führen. Und die Hamas ist von den USA, der EU und Israel als Terrororganisation eingestuft. Doch über die Ägypter sprechen beide miteinander, und so herrscht derzeit eine Pendelstrategie. Zwar gelten auch in Kairo die Herren in Gaza als Terroristen, doch ist die ägyptische Diplomatie geschmeidiger, zumal der Gazastreifen vor dem Sechstagekrieg 1967 ägyptisches Mandatsgebiet war und die Ägypter nach wie vor gute Kontakte dorthin unterhalten. Durch den Friedensschluss mit Israel 1979 ist das Nilland prädestiniert, hier zu vermitteln, und kennt auch die Israelis gut. Viele Male hat Kairo schon vermittelt, viele Waffenstillstände verhandelt, die mal hielten und dann wieder gebrochen wurden. Ägypten ist der Champion der Nahost-vermittlung.
Allerdings tut sich der neue Machthaber am Nil schwer mit den Regierenden in Gaza. Abdel Fattah al-sisi ist 2014 durch einen Putsch zu dem Zeitpunkt ins Amt gekommen, als der letzte Gaza-krieg tobte und Ägypten mit sich selbst und den
Nachwehen der Aufstände beschäftigt war. Seitdem sind die islamistischen Muslimbrüder Sisis Erzfeinde, die er gnadenlos verfolgen lässt. Die 1987 gegründete Hamas in Gaza ist ein Zweig der ägyptischen Muslimbrüder. Trotzdem nimmt Ägypten derzeit täglich Kriegsverletzte über die ansonsten geschlossene Grenze in Rafah auf und lässt sie in ägyptischen Krankenhäusern behandeln, da das Gesundheitssystem in Gaza kollabiert. Diese humanitäre Geste könnte die Hamas dazu bewegen, auf einen Kompromiss mit den Ägyptern einzugehen.
Katar hingegen ist das Schwergewicht mit Einfluss auf die Hamas. Seit Jahren schickt das Golf-emirat Geld zum Kauf von Treibstoff für die Kraftwerke nach Gaza. Gerüchte besagen, dass davon auch die Raketen gebaut worden sein könnten, die jetzt nach Israel fliegen. Wenn Katar den Geldhahn zudreht, geht im Gazastreifen das Licht aus.
Doch selbst wenn das Trio erfolgreich die Gewalt stoppen könnte, bleibt noch immer die Frage: für wie lange? So lange es keine Lösung für Israelis und Palästinenser im Umgang miteinander gibt, werden die Konflikte kein Ende nehmen und wieder hochkochen – wie schon seit mehr als 50 Jahren. Entmutigt von einem erneuten Nahost-vermittlungsversuch, sagte Klaus Kinkel – deutscher Außenminister von 1992 bis 1998 – einmal im vertraulichen Kreis: „Man sollte einen Zaun um die beiden ziehen und sie sich so lange bekriegen lassen, bis sie müde sind. Erst dann haben wir eine Chance, eine Lösung zu finden.“
Offizielle Gespräche mit Terrororgamisationen dürfen amerikanische Diplomaten nicht führen