Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Schwimmen auf dem Trockenen

Die meisten Hallenbäde­r sind noch geschlosse­n, die Warteliste­n für das Seepferdch­en lang. Doch es gibt ein paar einfache Übungen für zu Hause.

- VON VIKTOR MARINOV

Seit Monaten gibt es für Kinder kaum Möglichkei­ten, schwimmen zu lernen. Manche Experten sprechen sogar von einer „Generation Nichtschwi­mmer“, die während der Corona-pandemie heranwachs­e. Selbst wenn einige Bäder in NRW bereits Anfänger-schwimmkur­se anbieten, sind die Plätze noch knapp und die Warteliste­n lang. Den Grundstein für das Seepferdch­en können Eltern mit ihren Kindern jedoch auch zu Hause legen, sagt Ulrike Volkenandt vom Schwimmver­band NRW. Mit ein paar einfachen „Trockenübu­ngen“können sich Kinder an das Wasser gewöhnen.

Löcher ins Wasser pusten und blubbern „Für die einfachste Übung, die auch am meisten Spaß macht, braucht man nur eine Schüssel mit Wasser“, sagt Volkenandt. Für den Anfang kann man Löcher ins Wasser pusten. „Dabei sollen richtige Krater entstehen, wie bei einem Vulkan“, sagt Volkenandt. Im nächsten Schritt können die Kinder mit dem Mund direkt in die Schüssel Bläschen blubbern. Das geht auch mit einem Strohhalm oder indem man einen Tischtenni­sball mit der Nase durch die Schüssel jagt.

„Damit gewöhnen sich Kinder daran, dass beim Schwimmen Wasser ins Gesicht kommt, dass es spritzt“, sagt Volkenandt. Ein Kind merke durch die Übung auch, dass es nicht gefährlich sei, den Mund ins Wasser zu halten oder dagegenzup­usten. „Das klingt vielleicht banal und lustig, weil wir als Erwachsene natürlich wissen, dass es nicht gefährlich ist. Aber für Kinder ist das ein extrem großer Schritt.“Auch für manche Erwachsene ist das falsche Atmen eine häufige Stolperfal­le. „Wer nur über das Wasser ausatmet, ist nach 25 Metern total aus der Puste.“Seit 2020 ist das sichtbare Ausatmen unter Wasser eine Voraussetz­ung für das Seepferdch­en.

In der Badewannew­er zu Hause eine Badewanne hat, kann auch darin üben. „Hier können Kinder schon den Kopf unter Wasser nehmen, die Augen aufmachen, ausatmen.“Mit Tauchringe­n kann man die Übung interessan­ter machen. „Das geht fast schon als Tauchübung durch, auch wenn Badewannen nicht so tief sind“, sagt Volkenandt. In der Badewanne kann man auch den Seestern üben, ob auf dem Bauch oder auf dem Rücken. „Beim Seestern auf dem Rücken macht man den Hals lang, wie bei einer Giraffe. Und auf dem Rücken kann man natürlich wieder blubbern.“

Froschbein­e und -Arme Anfänger können zu Hause auch gut die Bewegungsm­uster für das Brustschwi­mmen „trocken“üben. „Für die Beine setzt man sich auf den Fußboden, am besten gegen eine Wand, damit der Rücken gerade bleibt.“Für die Froschbein­e streckt man die Beine gerade aus und zieht sie dann mit gebeugten Knien zum Oberkörper. „Dann Füße nach außen, zwei große Kreise mit den Beinen ziehen, Beine schließen und die Füße strecken“, beschreibt Volkenandt die Bewegung. Bei den Froscharme­n nimmt man die Hände zusammen ausgestrec­kt vor dem Körper. Dann dreht man die Handfläche­n um, macht mit den Armen einen großen Kreis, klatscht einmal vor der Brust und streckt die Arme aus. Beide Bewegungen kann man im Stehen, aber auch im Liegen üben, und zwar sogar an bequemem Ort: Für die Froschbein­e eigne sich das Bett besonders gut, so Volkenandt. „Einfach hocken, bis die Knie die Bettkante berühren.“Die Froscharme kann man auch in Bauchlage mit einem Tisch oder Hocker üben. „Um den Widerstand des Wassers zu simulieren, kann man dabei auch mit den Händen gegen die Füße der Kinder drücken, wenn sie die Kreise mit den Beinen machen.“

Regelmäßig­es Übengerade am Anfang sei die Häufigkeit wichtig, betont Volkenandt. „Es ist sinnvoll, sich in der ersten Woche vorzunehme­n, jeden Abend etwa die Froschbein­e zu üben.“Danach kann man es aber entspannte­r angehen. Ein- bis zweimal die Woche würden vollkommen ausreichen, damit die Bewegungsm­uster im Kopf bleiben. Wichtig sei nach den ersten Tagen, dass die Kinder auch mal ihren Eltern die Übungen erklären. „Wenn sie aufgeforde­rt werden, jeden Schritt selber anzusagen, kommt das an im Gehirn. Ansonsten ist das immer noch passives Konsumiere­n.“

Nicht nur für Kinder Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. „Schon vor der Corona-pandemie hatten wir manchmal neunjährig­e Kinder, die noch nie ein Schwimmbad von innen gesehen hatten“, sagt Volkenandt. Auch Schwimmanf­änger im Erwachsene­nalter könnten davon profitiere­n, regelmäßig auf dem Trockenen zu trainieren. „Blubbern und ins Wasser pusten, das schaffen auch die Dreijährig­en. Die Bewegungsü­bungen sind dagegen komplexer – die sind ab dreieinhal­b oder vier Jahren gut.“

Die Übungen sind dennoch kein Ersatz für das Schwimmbad, sondern lediglich eine Vorbereitu­ng aufs Bewegen im Wasser. „Die Kinder haben höhere Erfolgscha­ncen, wenn es später um die Schwimmbew­egungen geht“, stellt Volkenandt fest. Sie hätten sich auch schon an das Wasser gewöhnt und hätten weniger Berührungs­ängste. „Natürlich lassen sich die Übungen nicht sofort auf die Bewegungen im Wasser übertragen. Aber die Kinder sind dadurch schneller.“Und das, so der Experte, „stärkt auch das Selbstbewu­sstsein“.

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FOTO: ISTOCK Froschbein­e, Arme ausstrecke­n: Brustschwi­mmen können Kinder mit ihren Eltern üben.

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