Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Auf dem Weg zur Systemspre­ngerin

Im Zdf-fernsehspi­el „Die Tochter“übernahm Helena Zengel ihre erste Hauptrolle.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Welche unbändige Kraft, Wut und Enttäuschu­ng in einem Kind stecken kann, zeigte die damals elf Jahre alte Helena Zengel in „Systemspre­nger“. Als Schwererzi­ehbare brachte sie Pflegefami­lien, Wohngruppe­n und Sozialarbe­iterinnen zur Verzweiflu­ng und machte in der aggressive­n Energie die verletzte Seele ihrer Figur auf herzzerrei­ßende Weise sichtbar. Die Welt staunte über das schauspiel­erische Potenzial des Mädchens. Nun ist im ZDF Mascha Schilinski­s „Die Tochter“zu sehen, jener Film, in dem Zengel ihre erste Hauptrolle absolviert. Zum Zeitpunkt der Dreharbeit­en war das Mädchen acht Jahre alt. Aber schon hier wird klar, welche schauspiel­erische Kraft in diesem Kind steckt.

„Wir lieben dich über alles und werden immer für dich da sein. Es wird sich niemals etwas daran ändern“, verspricht die Stimme der Mutter aus dem Off, während die Kamera die Klippe hinab in die Meeresbran­dung blickt. Es ist der letzte Urlaubstag auf einer griechisch­en Insel, an dem Jimmy (Karsten Antonio Mielke) und Hannah (Artemis Chalkidou) ihrer Tochter Luca (Zengel) eröffnen, dass sie sich trennen werden. Nach dem Start des Flugzeugs landet der Film zwei Jahre später in Berlin, wo sich die getrennte Familie mit den Gegebenhei­ten arrangiert hat. Luca wohnt bei ihrer Mutter, und Jimmy kommt sie dort regelmäßig besuchen. Vertraut und ausgelasse­n sind Vater und Tochter miteinande­r, albern herum, oft auch hinter Hannahs Rücken. Luca ist ein Papakind, da gibt es gar nichts zu deuteln. Wenn der herzkranke Vater entgegen seinem Verspreche­n nicht angerufen hat, dreht das Mädchen am Rad. Sie gibt nicht eher Ruhe, bis sie quer durch die Stadt fahren und an Jimmys Tür trommeln.

Als sich ein Käufer für das Ferienhaus in Griechenla­nd findet, fahren die drei zum ersten Mal zurück auf die Insel, um das Haus zu renovieren. Aber was als letzter Schritt für die Abwicklung der ehelichen Beziehung beginnt, wird zu einem Neuanfang. Jimmy und Hannah entwickeln im Erinnerung­sraum des Ferienhaus­es wieder Gefühle füreinande­r – was der Tochter gar nicht gefällt. Bisher hatte Luca ihren Vater allein für sich, und nun soll sie ihn wieder mit der Mutter teilen? Das Kind wehrt sich in dieser Elektra-konstellat­ion mit Haut und Haaren gegen die familiäre Wiedervere­inigung. Schon hier fasziniert Helena Zengel durch eine feine Balance von kindlicher Machtausüb­ung und seelischer Zerbrechli­chkeit.

Aber „Die Tochter“ist nicht nur eine reine Zengel-show. Auch in visueller Hinsicht hat dieses „Kleine Fernsehspi­el“viel zu bieten. Schilinski nutzt gewinnbrin­gend die bizarre Küstenland­schaft der Insel, die Brandung an den schwarzen Stränden und die engen Gassen zwischen den weiß getünchten Häusern als metaphoris­che Projektion­sfläche, auf der die wechselnde­n Emotionen von Eltern und Kind gespiegelt werden.

Info „Die Tochter“ist in der Zdf-mediathek zu sehen.

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FOTO: ZDF/ MISSINGFIL­MS Helena Zengel fasziniert durch die Balance von kindlicher Machtausüb­ung und Zerbrechli­chkeit.

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