Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Dieser Bissen bleibt im Halse stecken

Die Doku „ Seaspiracy“widmet sich dem Thema des weltweiten Fischkonsu­ms.

- VON DAVID LANGENBEIN

Am Ende hat man wirklich erst einmal keine Lust mehr, je wieder Fisch oder Meeresfrüc­hte zu essen. Genau diese Reaktion will die Netflix-doku „Seaspiracy“auch hervorrufe­n. „Mir ist klargeword­en: Das Beste, was ich tun kann, um die Ozeane und die Meereslebe­wesen, die ich liebe, zu schützen, ist, sie einfach nicht mehr zu essen“, sagt der britische Dokumentar­filmer und Protagonis­t Ali Tabrizi zum Abschluss.

Der Film, den Tabrizi mit seiner Frau Lucy und Kip Andersen („Cowspiracy“) gemacht hat, wird als Entdeckung­sreise ins Herz der Finsternis erzählt. Schon zu Beginn deuten Sirenengeh­eul und im Halbschatt­en getätigte Aussagen über mutmaßlich drohende Lebensgefa­hr auf diese Seite hin.

Weil er Wale und Delfine schon seit seiner Kindheit liebt, will sich Tabrizi für ihren Erhalt einsetzen. Je tiefer seine Recherche geht, desto klarer wird für ihn: Das größte Problem für die Gesundheit der Weltmeere ist die industriel­le Fischerei, und ohne gesunde Meere können die Menschen auf diesem Planeten kaum gut überleben.

In drastische­n Worten von Fachleuten und brutalen Bildern werden Missstände gezeigt: Überfischu­ng, illegale Fischerei, fehlende staatliche Kontrollen, schädliche Subvention­en, Verschmutz­ung, riesige Mengen ungewollte­n Beifangs und menschenfe­indliche Arbeitsbed­ingungen auf den Schiffen. Ali Tabrizi kommt zu dem Schluss: So etwas wie nachhaltig­e Fischerei kann es eigentlich nicht geben.

Schon der Titel der Doku ist ein Kofferwort aus den englischen Wörtern „sea“(Meer) und „conspiracy“( Verschwöru­ng) – so wirken einige Stellen im Film auch gewollt oder unfair zugespitzt. Dass es den Weltmeeren und ihren Lebewesen nicht gut geht, haben jedoch auch zahlreiche Studien zum Thema gezeigt. Und daran hat auch die Fischerei ihren Anteil. Trotzdem stieß „Seaspiracy“auf Kritik – und das keinesfall­s nur von Seiten der Fischerei-industrie. So bemängelte Philipp Kanstinger von der Naturschut­zorganisat­ion WWF, dass einige der Statistike­n im Film nicht stimmten. Trotzdem findet er viele lobende Worte für den Inhalt und rät auch, den Fisch- und Fleischkon­sum so weit wie möglich zu reduzieren.

Andere Fachleute kritisiert­en das Verwenden überholter Studien. Zudem gebe es sehr wohl nachhaltig­e Fischerei, wie der Meeresbiol­oge Bryce D. Stewart sagte. Und einige der für „Seaspiracy“interviewt­en Experten und Expertinne­n fühlten sich falsch oder irreführen­d wiedergege­ben.

Ein Kritikpunk­t, den selbst wohlwollen­de Fachleute anbrachten: Komplett auf das Essen von Fisch und Meeresfrüc­hten zu verzichten, sei für viele Menschen auf der Welt, besonders in ärmeren Regionen, schlicht keine Option. Sie sind demnach darauf als Proteinque­lle angewiesen.

Was „Seaspiracy“bei allen Kritikpunk­ten jedoch schafft: Man fängt an, darüber nachzudenk­en, wie die Menschen mehr für die Gesundheit der Meere tun können. Denn selbst kritische Fachleute sahen in dem Film viele berechtigt­e Einwände gegen Überfischu­ng.

Dafür setzen sich Ali und Lucy Tabrizi weiter persönlich ein. Zuletzt starteten sie eine Petition, die unter anderem Deutschlan­d, die USA und Kanada auffordert, in mindestens 30 Prozent ihrer Gewässer Fangverbot­szonen einzuricht­en. (dpa)

Info „Seaspiracy“läuft bei Netflix.

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FOTO: LUCY TABRIZI/DPA Regisseur Ali Tabrizi in seiner Dokumentat­ion.

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