Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

So gut ist der Kader

Am 11. Juni beginnt die Europameis­terschaft, und jetzt steht fest, wer mitfährt. Der große Überblick

- VON ROBERT PETERS

FRANKFURTJ­OACHIM Löw war schon auf der Zugspitze, im Dortmunder Fußballmus­eum, beim damaligen Sponsor Mercedes Benz und in Ascona. Diesmal gab er das Aufgebot der Nationalma­nnschaft für ein großes, sein letztes Turnier in einer Videokonfe­renz bekannt. 6500 Fans waren live zugeschalt­et. Corona verhindert das große Tamtam.

Wie immer hatte der Bundestrai­ner auch zur Europameis­terschaft (11. Juni bis 11. Juli) ein paar Überraschu­ngen im Gepäck. Dazu zählt die Nominierun­g des Freiburger Profis Christian Günter, von dem er sich ein bisschen Dampf auf der linken Außenbahn verspricht. Von Günters Fähigkeite­n hat er sich häufig als Zuschauer im Stadion an der Dreisam überzeugen können. Im Angriff ist er über seinen Schatten gesprungen, indem er den ehemaligen Leverkusen­er Kevin Volland berief – mal wieder einen richtigen Mittelstür­mer. Wie erwartet kehren die Routiniers Thomas Müller und Mats Hummels ins Aufgebot zurück. „Spieler, die respektier­t sind“, wie Löw urteilte. Wieder, hätte er hinzufügen können – jedenfalls, was ihn selbst betrifft. Die Mannschaft­steile in der Analyse.

Tor Das Team stellt sich dort von selbst auf. Marc-andré ter Stegen (FC Barcelona) musste wegen einer Verletzung absagen. Deshalb sind Kevin Trapp und Bernd Leno die logischen Ersatzleut­e für Manuel Neuer, der immer noch einer der besten Torhüter der Welt, vielleicht sogar der beste der Welt ist. Auf dieser Position hat Deutschlan­d traditione­ll keine Probleme.

Abwehr Der Freiburger Günter profitiert davon, dass die Dfb-auswahl auf den Außenposit­ionen nicht zu üppig mit Weltklasse bestückt ist. Unfreundli­cher ausgedrück­t: Seit Philipp Lahm aufgehört und Joshua Kimmich ins Mittelfeld gewechselt ist, hat Deutschlan­d hier einen gehörigen Abstand zum obersten Niveau.

In der Zentrale soll Hummels dafür sorgen, „dass mehr Stabilität einkehrt“, wie Löw sagte. „In einigen Spielen hat uns die Erfahrung gefehlt.“Der Dortmunder Weltmeiste­r soll die Führungskr­aft (nicht nur) in der Defensive sein. Je nach System könnte er in der Mitte einer Dreierkett­e stehen oder als Organisato­r einer Viererkett­e möglicherw­eise mit einem defensiven rechten Nebenmann (Matthias Ginter?). Wenn Löw nicht zufällig für die zentrale Verteidigu­ng ausdrückli­ch nur die Namen von Antonio Rüdiger und Niklas Süle nannte, dann hat er sich bereits für Nebenleute des Dortmunder­s entschiede­n. Rüdiger hat sich beim FC Chelsea entwickelt, Süle ist noch lange nicht da, wo ihn der FC Bayern haben will. Hummels ist die große Hoffnung auf mehr defensive Klasse und Struktur. Das ist dringend nötig, wie nicht nur das deprimiere­nde 0:6 gegen Spanien bewiesen hat. Löw hat sich selbst unter den Druck gesetzt, diese Formation nun sehr kurzfristi­g einspielen zu müssen.

Mittelfeld Löw vertraut auf jeden Fall Ilkay Gündogan, Toni Kroos und Joshua Kimmich. Von allen darf, muss er fußballeri­sche Klasse und Führungsqu­alität erwarten. In ihren Vereinen zeigen sie das, in der Nationalma­nnschaft zuletzt nicht immer. Das Potenzial muss der Bundestrai­ner beleben. Ob sich alle drei in einem Team nebeneinan­der bewegen können, hängt auch davon ab, wie viel Offensive die Dfb-auswahl wagen darf.

Angriff Für den notwendige­n Schuss Erfahrung, Ehrgeiz und Unberechen­barkeit hat Löw Weltmeiste­r Müller nominiert. Für ihn gilt wie für Hummels Löws Wort vom Frühjahr: „Wenn man solche Spieler zurückholt, dann sind sie gesetzt.“In München hat Löws ehemaliger Assistent Hansi Flick Müller alle Freiheiten gegeben. Der Spieler zahlte mit Leistung und Torvorbere­itungen zurück. Vielleicht wird Volland der zentrale Fixpunkt, um den herum Müller sein Spiel aufziehen kann. Für die Flügel hat Löw reichlich Auswahlmög­lichkeit und vor allem Schnelligk­eit. Dafür stehen Serge Gnabry, Leroy Sané und Timo Werner. Für so viel Talent wird Deutschlan­d in Europa beneidet, auch wenn Marco Reus wegen zu hoher Belastung absagte. Das Talent seiner Nachfolger ist allerdings in jüngerer Vergangenh­eit nicht immer zuverlässi­g ausgeschöp­ft worden. Müller könnte dafür sorgen, weil er die Kollegen schon zu Höchstleis­tungen anhalten wird. Sicher ist: „Radio“Müller wird schon beim Training lautstark funken.

Allgemein Der Bundestrai­ner hat seinen nach 2018 angekündig­ten Neuanfang unterbroch­en, auch weil er weiß, dass er Resultate benötigt und „dass wir die Fans wieder überzeugen müssen“. Dazu brauche es „eine Einheit, die vor Energie sprüht“. Schon jetzt ist er überzeugt, „dass die Spieler bereit sind“. Sogar die Sprache der jüngeren Fans bemühte der Coach: „Man spürt, dass die Spieler echt Bock haben.“Nicht nur in dieser Hinsicht sei sein „Gefühl sehr gut“, erklärte Löw.

Es ist dem Bundestrai­ner vielleicht sogar ganz recht, dass die Ergebnisse seine Mannschaft nicht in die Rolle eines Favoriten fürs Turnier gedrängt haben.

Und natürlich sagt er: „Wir wollen möglichst weit kommen.“Wenn „wir in einen Flow kommen, ist mit unserer Mannschaft alles möglich“. So ähnlich hat er sich auch vor dem Wm-turnier 2018 ausgedrück­t. Das Ende ist bekannt.

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