Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
RHEINISCHE LÖSUNG Das Du als Auszeichnung
Im Rheinland ist man schnell bei der vertrauten Ansprache. Aber es gibt Unterschiede.
Manchmal ist die Sehnsucht so groß, da träumt Mann/ Frau schon von „der Wietschaft op der Eck“. Und selbst im Traum ärgert sich manch einer über das, was ihm in der Kneipe nicht gefällt: halbleere Gläser, Bierchen ohne Schaum und Kellner, die ungefragt duzen. Der Düsseldorfer Köbes hat es sich angewöhnt, alle Gäste so anzureden, als hätte er mit ihnen im Sandkasten gespielt. Dabei will man nur ein Gläschen trinken (oder auch zwei), aber eine Beziehung aufbauen will doch kaum einer. Beim Köbes gehört das Duzen zum Programm, ist das Du Tradition und Marketing zugleich: Nä, watt sinn mer nett. Wenn es nur heißt: „Was wollt ihr denn trinken?“, dann ist das noch in Ordnung. In der Altstadt, wo man kein Wasser bestellen kann, ohne ein Handtuch mitgeliefert zu bekommen, wird das schmunzelnd hingenommen.
Wenn es aber einen Düsseldorfer Kneipier ins Umland zieht, steht das Marketing-duzen plötzlich in Konkurrenz zum ehrlichen Du der heimischen Wirte. Auf dem Dorf wird im örtlichen Glasbiergeschäft ganz selbstverständlich geduzt, aber – anders als in der großen Stadt – aus Kenntnis der Person und ihrer Vorlieben. Da weiß der Wirt (nennen wir ihn Dieter), wer du bist. Da weiß seine Frau in der Küche, was du gerne isst. Da kennt dich der Kellner (Hännes) von Jugendtagen an. Da bringt die patente Bedienung mit Tattoo schnell ein neues Bier, wenn dein Glas leer ist. Wer solchermaßen als Mitmensch wahrgenommen wird, fühlt sich zu Recht zu Hause. Das gilt für die „Wietschaft op der Eck“wie für den Verein oder die Nachbarschaft: sich kennen, sich mögen, sich gegenseitig helfen. Wenn auch das Duzen, gerade bei Jüngeren, inzwischen fast schon zum allgemeinen Sprachgebrauch gehört, so ist es im Rheinischen doch immer noch eine Art Auszeichnung: Du gehörst dazu. In der Kneipe fängt das an, wenn du ein Alt bestellst und der Wirt (Dieter!) zum Zappes sagt: „Der Horst trinkt am liebsten aus dem Stängchen.“Duzen kann was Schönes sein. Viele träumen davon, bald wieder im Stammlokal vertraut begrüßt zu werden. Willkommen zurück!
Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.