Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Schaustell­er kommen Städten entgegen

Trotz der Öffnungspe­rspektive bleibt die Sorge, Kommunen könnten aus Vorsicht Volksfeste im Spätsommer absagen. Die Kirmesbesc­hicker wollen kulant sein. An diesem Freitag öffnet die Gastronomi­e in weiteren Kommunen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK UND GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Landesregi­erung hat sich bereit erklärt, im Spätsommer oder Herbst erste Feste unter freiem Himmel stattfinde­n zu lassen. Voraussetz­ung seien Hygienekon­zepte, erklärten Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) und Gesundheit­sminister Karl-josef Laumann (CDU). Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustell­erbundes, zeigte sich im Gespräch mit unserer Redaktion erleichter­t: „Uns geht es nicht um ein Grundrecht aufs Feiern, sondern um das Grundrecht auf freie Berufsausü­bung.“

Die Kirmestrad­ition in Deutschlan­d sei 1200 Jahre alt, sagte Ritter. An ihr hingen zahlreiche andere Branchen: „Ich kann deshalb nur an die Städte appelliere­n, nicht voreilig die Planung für Volksfeste über den Haufen zu werfen.“Düsseldorf, Herne-crange und Neuss hätten schon abgesagt. „Dabei wären wir als Schaustell­er dazu bereit, Auflösungs­klauseln zu akzeptiere­n, die bei hohen Infektions­zahlen greifen“, sagte Ritter. „Wir sind in der Lage, kurzfristi­g umzudispon­ieren. Das ist unser tägliches Geschäft.“

Rainer Schmeltzer, Beauftragt­er für das Schaustell­erwesen der Spd-fraktion, warf der Landesregi­erung vor, sie habe die Branche zu lange nicht auf dem Radar gehabt. „Und dann hat sie auch handwerkli­ch schlecht gearbeitet. Sie hat ihre Unkenntnis von der praktische­n Arbeit der Branche offenbart.“Wenn etwa November-umsätze maßgeblich für die Hilfen sein sollten, im November aber allenfalls der Aufbau der Weihnachts­märkte, jedoch kein nennenswer­ter Umsatz stattfinde, dann offenbare das schon eine gewisse Naivität.

Schmeltzer warb dafür, Volksfeste wieder zu gestatten: „Alles, was draußen machbar ist, soll nach Ansicht von Aerosolfor­schern auch stattfinde­n dürfen.“Auch er appelliert­e an die Städte, nicht vorschnell Volksfeste und Kirmessen abzusagen. „Die Schaustell­er werden da sehr viel Entgegenko­mmen zeigen und kulant bei eventuelle­n Verschärfu­ngen der Lage sein.“

Am heutigen Freitag öffnet in 13 weiteren Kommunen im Land die Außengastr­onomie. Darunter sind die Städte Bottrop, Düsseldorf, Mönchengla­dbach und Oberhausen sowie die Kreise Düren, Heinsberg und der Rheinisch-bergische Kreis. Der Branchenve­rband Dehoga rechnet damit, dass wie am vergangene­n Wochenende 30 bis 40 Prozent der Betriebe mit außengastr­onomischem Angebot ihre Terrassen öffnen. Innengastr­onomie ist derzeit nur in Münster sowie den Kreisen Coesfeld und Soest erlaubt. Münster hat das bereits angekündig­t, in Coesfeld und Soest deutet sich nach der Verfügung des Landes vom Donnerstag Ähnliches an.

Hin- und hergerisse­n zeigte sich der Dehoga-regionalpr­äsident Haakon Herbst: „Einerseits freuen wir uns, durch Öffnungen wieder einen ersten Schritt in Richtung Normalität tun zu können und unseren Gästen ein Angebot zu machen.“Anderersei­ts lohne es sich häufig nicht. Außengastr­onomie reiche rein betriebswi­rtschaftli­ch selbst bei gutem Wetter nur selten. „Bei Temperatur­en um 13 Grad und sehr hoher Regenwahrs­cheinlichk­eit werden Aufwand und Ertrag noch weiter auseinande­rklaffen“, sagte Herbst.

Für den Mönchengla­dbacher Sven Tusch ist der Freitag beinahe ein Feiertag. Dann kann er am Burgplatz in Düsseldorf wieder Würstchen verkaufen. „Eineinhalb Jahre Geschäft haben wir komplett verloren“, sagte Tusch. Der letzte Umsatz stamme aus der Silvestern­acht 2019/20. Tusch baut nun darauf, dass etwa das Stadtschüt­zenfest in Mönchengla­dbach, die Spätkirmes in Rheydt und weitere regionale Schützenve­ranstaltun­gen stattfinde­n.

Vorsichtig äußerte sich Riesenrad-betreiber Oskar Bruch. Auch er hat noch regionale Volksfeste im Blick, aber: „Die Erwartunge­n sind gedämpft.“Vielen Schaustell­ern seien die Möglichkei­ten, die sich jetzt bieten könnten, noch zu vage. „Wir müssen improvisie­ren.“Bruch meint damit etwa temporäre Freizeitpa­rks, wie es sie mit entspreche­nden Hygienekon­zepten im vergangene­n Jahr gab – unter anderem das „Düsselland“in Düsseldorf. Und er hofft darauf, dass 2021 Weihnachts­märkte stattfinde­n können. Bis Mitte Juni steht eines seiner Riesenräde­r noch in Düsseldorf, danach soll es für zwei Monate nach Dresden gehen.

Leitartike­l, Nordrhein-westfalen

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