Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Solidarität darf keine Einbahnstraße sein“
TILMAN KUBAN Der Chef der Jungen Union hat klare Vorstellungen, wie sich die Politik nach einem Jahr Pandemie auf die Jugend konzentrieren sollte.
Herr Kuban, das Impfen hat an Fahrt aufgenommen, allerdings geht die junge Generation bisher eher leer aus. Sehen Sie da einen Generationenkonflikt?
KUBAN Die junge Generation ist in den letzten anderthalb Jahren sehr solidarisch gewesen. Sie ist für Ältere einkaufen gegangen, hat in den Impf- und Testzentren mitgeholfen, ist zu Hause geblieben und stellt sich jetzt richtigerweise bei der Impfreihenfolge hinten an. Wenn jetzt aber die Impfreihenfolge fällt, müssen wir die jüngere Generation stärker in den Fokus nehmen. Ich fände es gut, wenn wir in den Ländern – gerade dort, wo die Schulferien später beginnen – mit mobilen Impfteams in die Schulen gehen, sobald die Zulassung auch für Kinder und Jugendliche erteilt wird. Das wäre ein klares Signal, dass die junge Generation nicht vergessen wird und sie im Fokus der Debatte steht. Es darf nicht nur um wirtschaftspolitische, sondern es muss auch um bildungspolitische oder psychologische Folgen in der Aufarbeitung der Pandemie gehen. Dafür braucht es beispielsweise den stärkeren Einsatz von Schulpsychologen oder neue, freiwillige Sommerakademien in den Schulen. Statt Verantwortlichkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen hin- und herzuschieben, lieber anpacken und machen.
Wie stellen Sie sich die Impfteams genau vor?
KUBANWIR haben mit mobilen Impfteams die Pflegeheime durchgeimpft. Diese Teams stehen zur Verfügung und könnten auch an Schulen eingesetzt werden. Vielen Schülerinnen und Schülern unter 18 Jahren im ländlichen Raum ist es nicht so einfach möglich, auf eigene Faust in Impfzentren zu fahren.
Muss man verstärkt für die Impfbereitschaft – auch bei Eltern für ihre Kinder – werben?
KUBAN Ich sehe ein hohes Vertrauen insbesondere in den Impfstoff Biontech, der dann auch an Kinder und Jugendliche verimpft wird. Wir brauchen sicher über den Sommer hinweg weitere Aufklärungskampagnen, die ja auch bereits von Jens Spahn angeschoben wurden, aber insgesamt bin ich zuversichtlich. In der jungen Generation vernehme ich eine hohe Impfbereitschaft.
Das Schuljahr war verloren, die Studierenden haben mehrere Semester daheim alleine verbracht. Erholt sich die Generation Corona nochmal?
KUBAN Wir steuern leider auf eine Generation Corona zu. Die Jungen waren solidarisch und das aus Überzeugung, weil jeder etwa seine Großeltern schützen wollte. Aber die junge Generation hat neben der fehlenden Bildung und hohen Schulden auch viele Freiheiten verloren. Das muss wieder ausgeglichen werden. Wir machen uns zum Beispiel für ein kostenfreies Interrail-ticket für jeden 18-Jährigen stark. Denn die Freiheiten, die man nur als junger Mensch hat, tragen auch zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Außerdem gilt es, die Ausbildungsplätze in Deutschland zu erhalten. Wir müssen Unternehmen, gerade in diesen wirtschaftlich unsicheren Zeiten stärker unterstützen, weiter auszubilden, um dem Fachkräftemangel vorzubeugen.
Wie sehr muss der Fokus auf der Jugend liegen im kommenden Wahlprogramm von CDU und CSU?
KUBAN Solidarität darf keine Einbahnstraße sein. Es braucht – im Gegensatz zu den Programmen anderer Parteien – ein Programm, das den Zusammenhalt der Generationen deutlich macht. Wir werden dabei für einen klaren Fokus und die Belange der jungen Generation streiten. Das Aufstiegsversprechen, dass es der nächsten Generation einmal besser gehen soll als der jetzigen, steht mehr denn je auf dem Prüfstand. Wir haben dazu einen breiten Forderungskatalog „Aufstiegsland“vorgestellt und jetzt Lust auf die Debatte mit CDU und CSU. Die Forderungen werden wir mit dem Rückenwind unserer 100.000 Mitglieder in die Parteien hineintragen. An welcher Forderung machen Sie das fest? KUBAN Nehmen wir den Wunsch nach einem Eigenheim in der jungen Generation. Neuste Studien belegen, dass Jugendliche zu 87 Prozent sagen, sie wollen mit 30 Jahren ein Eigenheim besitzen. Während andere Parteien über Vergesellschaftung und Enteignung reden, wollen wir die Grunderwerbssteuer fürs erste selbst genutzte Eigenheim abschaffen, um den Traum vom Eigenheim wahr werden zu lassen. Wir stehen auch etwa für ein modernes Familienbild und fordern deswegen das Ehegatten- zu einem Familiensplitting weiterzuentwickeln. Die Ehe bleibt die Keimzelle der Familie, aber der Fokus des Staates muss darauf liegen, dort zu fördern, wo Kinder sind.
Kommen CDU und CSU in diesem Wahlkampf noch zusammen?
In der JU haben sie ja beide unter einem Dach. Wie ist die Stimmung? KUBAN Wir schauen jetzt gemeinsam nach vorn. Im Juni werden die Präsidien gemeinsam tagen und das Wahlprogramm beschließen. Wir haben alle ein gemeinsames Ziel: Wir wissen, dass der Gegner nicht in den eigenen Reihen steht, sondern rechtsaußen und links. Wir wollen dieses Land nicht einer grün-rotroten Bundesregierung überlassen.
Apropos rechtsaußen. Es gibt viel Diskussion um Hans-georg Maaßen, hat sich die CDU da einen Gefallen getan?
KUBAN Für mich hätte es die Kandidatur von Hans-georg Maaßen nicht gebraucht, weil ich glaube, dass wir genug junge, moderne Konservative haben, die uns in der Innenpolitik gut profilieren können. Aber die Mitglieder vor Ort haben entschieden und Maaßen hat sich klar dazu bekannt, dass es keine Zusammenarbeit mit der AFD geben darf. Gleichzeitig fand ich den Umgang mit ihm auch von einigen eigenen Leuten in den Tagen nach der Nominierung unsäglich.
Friedrich Merz steht für einen konservativen Kurs, er wird von der JU unterstützt – wer deckt die Mitte ab?
KUBAN Ich wünsche mir neben einer Zukunftsagenda auch ein Zukunftsteam, das einen guten Mix aus erfahrenen und neuen Kräften enthalten muss. Wir haben viele gute junge Leute in der Fraktion, etwa Nadine Schön, Dorothee Bär oder Carsten Linnemann, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.
Und Sie selbst?
KUBAN Ich kandidiere für den Deutschen Bundestag und es macht mir großen Spaß, Bundesvorsitzender der Jungen Union zu sein.