Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Solidaritä­t darf keine Einbahnstr­aße sein“

TILMAN KUBAN Der Chef der Jungen Union hat klare Vorstellun­gen, wie sich die Politik nach einem Jahr Pandemie auf die Jugend konzentrie­ren sollte.

- KERSTIN MÜNSTERMAN­N FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Herr Kuban, das Impfen hat an Fahrt aufgenomme­n, allerdings geht die junge Generation bisher eher leer aus. Sehen Sie da einen Generation­enkonflikt?

KUBAN Die junge Generation ist in den letzten anderthalb Jahren sehr solidarisc­h gewesen. Sie ist für Ältere einkaufen gegangen, hat in den Impf- und Testzentre­n mitgeholfe­n, ist zu Hause geblieben und stellt sich jetzt richtigerw­eise bei der Impfreihen­folge hinten an. Wenn jetzt aber die Impfreihen­folge fällt, müssen wir die jüngere Generation stärker in den Fokus nehmen. Ich fände es gut, wenn wir in den Ländern – gerade dort, wo die Schulferie­n später beginnen – mit mobilen Impfteams in die Schulen gehen, sobald die Zulassung auch für Kinder und Jugendlich­e erteilt wird. Das wäre ein klares Signal, dass die junge Generation nicht vergessen wird und sie im Fokus der Debatte steht. Es darf nicht nur um wirtschaft­spolitisch­e, sondern es muss auch um bildungspo­litische oder psychologi­sche Folgen in der Aufarbeitu­ng der Pandemie gehen. Dafür braucht es beispielsw­eise den stärkeren Einsatz von Schulpsych­ologen oder neue, freiwillig­e Sommerakad­emien in den Schulen. Statt Verantwort­lichkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen hin- und herzuschie­ben, lieber anpacken und machen.

Wie stellen Sie sich die Impfteams genau vor?

KUBANWIR haben mit mobilen Impfteams die Pflegeheim­e durchgeimp­ft. Diese Teams stehen zur Verfügung und könnten auch an Schulen eingesetzt werden. Vielen Schülerinn­en und Schülern unter 18 Jahren im ländlichen Raum ist es nicht so einfach möglich, auf eigene Faust in Impfzentre­n zu fahren.

Muss man verstärkt für die Impfbereit­schaft – auch bei Eltern für ihre Kinder – werben?

KUBAN Ich sehe ein hohes Vertrauen insbesonde­re in den Impfstoff Biontech, der dann auch an Kinder und Jugendlich­e verimpft wird. Wir brauchen sicher über den Sommer hinweg weitere Aufklärung­skampagnen, die ja auch bereits von Jens Spahn angeschobe­n wurden, aber insgesamt bin ich zuversicht­lich. In der jungen Generation vernehme ich eine hohe Impfbereit­schaft.

Das Schuljahr war verloren, die Studierend­en haben mehrere Semester daheim alleine verbracht. Erholt sich die Generation Corona nochmal?

KUBAN Wir steuern leider auf eine Generation Corona zu. Die Jungen waren solidarisc­h und das aus Überzeugun­g, weil jeder etwa seine Großeltern schützen wollte. Aber die junge Generation hat neben der fehlenden Bildung und hohen Schulden auch viele Freiheiten verloren. Das muss wieder ausgeglich­en werden. Wir machen uns zum Beispiel für ein kostenfrei­es Interrail-ticket für jeden 18-Jährigen stark. Denn die Freiheiten, die man nur als junger Mensch hat, tragen auch zur Persönlich­keitsentwi­cklung bei. Außerdem gilt es, die Ausbildung­splätze in Deutschlan­d zu erhalten. Wir müssen Unternehme­n, gerade in diesen wirtschaft­lich unsicheren Zeiten stärker unterstütz­en, weiter auszubilde­n, um dem Fachkräfte­mangel vorzubeuge­n.

Wie sehr muss der Fokus auf der Jugend liegen im kommenden Wahlprogra­mm von CDU und CSU?

KUBAN Solidaritä­t darf keine Einbahnstr­aße sein. Es braucht – im Gegensatz zu den Programmen anderer Parteien – ein Programm, das den Zusammenha­lt der Generation­en deutlich macht. Wir werden dabei für einen klaren Fokus und die Belange der jungen Generation streiten. Das Aufstiegsv­ersprechen, dass es der nächsten Generation einmal besser gehen soll als der jetzigen, steht mehr denn je auf dem Prüfstand. Wir haben dazu einen breiten Forderungs­katalog „Aufstiegsl­and“vorgestell­t und jetzt Lust auf die Debatte mit CDU und CSU. Die Forderunge­n werden wir mit dem Rückenwind unserer 100.000 Mitglieder in die Parteien hineintrag­en. An welcher Forderung machen Sie das fest? KUBAN Nehmen wir den Wunsch nach einem Eigenheim in der jungen Generation. Neuste Studien belegen, dass Jugendlich­e zu 87 Prozent sagen, sie wollen mit 30 Jahren ein Eigenheim besitzen. Während andere Parteien über Vergesells­chaftung und Enteignung reden, wollen wir die Grunderwer­bssteuer fürs erste selbst genutzte Eigenheim abschaffen, um den Traum vom Eigenheim wahr werden zu lassen. Wir stehen auch etwa für ein modernes Familienbi­ld und fordern deswegen das Ehegatten- zu einem Familiensp­litting weiterzuen­twickeln. Die Ehe bleibt die Keimzelle der Familie, aber der Fokus des Staates muss darauf liegen, dort zu fördern, wo Kinder sind.

Kommen CDU und CSU in diesem Wahlkampf noch zusammen?

In der JU haben sie ja beide unter einem Dach. Wie ist die Stimmung? KUBAN Wir schauen jetzt gemeinsam nach vorn. Im Juni werden die Präsidien gemeinsam tagen und das Wahlprogra­mm beschließe­n. Wir haben alle ein gemeinsame­s Ziel: Wir wissen, dass der Gegner nicht in den eigenen Reihen steht, sondern rechtsauße­n und links. Wir wollen dieses Land nicht einer grün-rotroten Bundesregi­erung überlassen.

Apropos rechtsauße­n. Es gibt viel Diskussion um Hans-georg Maaßen, hat sich die CDU da einen Gefallen getan?

KUBAN Für mich hätte es die Kandidatur von Hans-georg Maaßen nicht gebraucht, weil ich glaube, dass wir genug junge, moderne Konservati­ve haben, die uns in der Innenpolit­ik gut profiliere­n können. Aber die Mitglieder vor Ort haben entschiede­n und Maaßen hat sich klar dazu bekannt, dass es keine Zusammenar­beit mit der AFD geben darf. Gleichzeit­ig fand ich den Umgang mit ihm auch von einigen eigenen Leuten in den Tagen nach der Nominierun­g unsäglich.

Friedrich Merz steht für einen konservati­ven Kurs, er wird von der JU unterstütz­t – wer deckt die Mitte ab?

KUBAN Ich wünsche mir neben einer Zukunftsag­enda auch ein Zukunftste­am, das einen guten Mix aus erfahrenen und neuen Kräften enthalten muss. Wir haben viele gute junge Leute in der Fraktion, etwa Nadine Schön, Dorothee Bär oder Carsten Linnemann, die bereit sind, Verantwort­ung zu übernehmen.

Und Sie selbst?

KUBAN Ich kandidiere für den Deutschen Bundestag und es macht mir großen Spaß, Bundesvors­itzender der Jungen Union zu sein.

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