Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Union: Marokko instrumentalisiert Migranten
Spanien wirft dem Land Erpressung vor. Auch in Deutschland wächst die Kritik an der offenbar gezielten Grenzöffnung.
BERLIN Angesichts der schweren Flüchtlingskrise in der spanischen Exklave Ceuta an der nordafrikanischen Atlantikküste hat Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) Marokko vorgeworfen, Spanien mit Migranten unter Druck zu setzen. „Wir erleben derzeit ein ähnliches Drama, wie wir es im vergangenen Frühjahr an der türkisch-griechischen Grenze erlebt haben: Migranten werden gezielt eingesetzt, um außenpolitische Ziele zu erreichen“, sagte Frei unserer Redaktion. „In diesem Fall hat Rabat die Grenzen öffnen lassen, um die EU unter Druck zu setzen und eine Anerkennung der Souveränität über die Westsahara zu erzwingen.“
Am Montag und Dienstag war innerhalb von 36 Stunden die Rekordzahl von mehr als 8000 Menschen, darunter knapp 2000 Minderjährige, von Marokko aus in Ceuta und damit in die EU eingedrungen. Bis Mittwochabend waren aber bereits rund 5600 der Migranten nach Marokko zurückgeschickt worden. In Spanien ist man davon überzeugt, dass Rabat die Grenzkontrollen gezielt gelockert oder ausgesetzt hatte.
Spanien beschuldigte Marokko am Donnerstag der „Erpressung“. Die Madrider Verteidigungsministerin Margarita Robles sagte: „Wir werden nicht die geringste Erpressung oder das Infragestellen der territorialen Integrität akzeptieren. Mit Spanien ist nicht zu spaßen.“Die Lage in Ceuta hatte sich unterdessen am Donnerstag nach einer deutlichen Beruhigung am Mittwoch weitgehend normalisiert. Robles hoffe, dass Marokko „die Lehren aus der schnellen Reaktion der spanischen Behörden ziehen“werde. Man betrachte Marokko zwar als Freund, werde aber „alle notwendigen Mittel einsetzen, um die territoriale Integrität zu gewährleisten und die Grenzen zu schützen“.
Die Westsahara war bis 1975 spanische Kolonie. Rabat beansprucht große Teile des dünn besiedelten Gebiets und ist erzürnt, weil der Chef der dortigen Unabhängigkeitsbewegung Polisario, Brahim Ghali, seit Mitte April in einem Krankenhaus im spanischen Logroño behandelt wird. Die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez betonte, man habe Ghali „aus rein humanitären Gründen aufgenommen“.
Unionsfraktionsvize Frei zeigte sich beunruhigt mit Blick auf Flüchtlingsbewegungen nach Deutschland. „Die Geschehnisse um Ceuta zeigen, wie fragil die Lage ist“, sagte Frei. „Die vergleichsweise niedrigen Zugangszahlen, die Deutschland in den vergangenen Monaten zu verzeichnen hatte, sollten uns nicht in trügerischer Sicherheit wiegen.“
Unterdessen sprach er sich trotz des voranschreitenden Truppenabzugs aus Afghanistan für Abschiebungen dorthin aus. „Es gibt Provinzen und Distrikte, in denen die Lage vergleichsweise sicher ist und in denen Millionen Menschen ihrem Alltag nachgehen“, sagte Frei. „Es gibt derzeit keinen Grund, von Rückführungen nach Afghanistan Abstand zu nehmen; zumal praktisch auch jede Entscheidung gerichtlich überprüft wird.“Wie sich die Sicherheitslage nach Abzug der Bundeswehr entwickle, sei abzuwarten.