Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Start-ups überzeugen mit innovative­n Geschäftsm­odellen

Nachhaltig­e Geschäftsm­odelle boomen. Klimaschut­z steht auch auf der Agenda von Düsseldorf­er Start-ups weit oben. Sie entwickeln eine sichere Lieferkett­en-dokumentat­ion oder helfen beim Einsparen von Rohstoffen.

- VON ANJA KÜHNER

Start-ups nehmen bei der Lösung der großen Klima- und Nachhaltig­keits-herausford­erungen unserer Zeit eine Schlüsself­unktion ein. Aufgrund ihrer Innovation­skraft leisten sie Pionierarb­eit, wenn es darum geht, Umweltinno­vationen am Markt einzuführe­n. Laut Deutscher Startup Monitor 2020 stieg die Zahl der Neugründun­gen mit Fokus auf die Green Economy in nur einem Jahr um 5,8 Prozent auf 43,4 Prozent.

Beim Deutschen Nachhaltig­keitspreis 2020 holte Retraced den Sonderprei­s Digitalisi­erung in der Kategorie Start-ups. Die Düsseldorf­er stellen Lieferkett­en in der Textilindu­strie nachhaltig­er und transparen­ter auf. Gründer Lukas Pünder erzählt: „Gerade in der Textilbran­che geben die Produzente­n oft Teile des Auftrags an Subunterne­hmer und diese wieder an Subunterne­hmer weiter. Weiterhin sind die Lieferkett­en für Rohmateria­lien, wie zum Beispiel Baumwolle, lang und sehr komplex. So weiß das Modelabel oft nicht, wer denn nun wirklich seine Kollektion produziert und woher die Materialie­n stammen.“Es fehlt an Kontrolle in den Produktion­sstätten, ob die gewünschte­n Kriterien für Sozialstan­dards wie faire Bezahlung ohne ausnutzend­e Arbeitszei­ten und ökologisch­e Forderunge­n auch wirklich eingehalte­n werden – zum Beispiel nach Stoffen, die mit natürliche­n Farben gefärbt wurden.

Anfang 2019 gründete Pünder gemeinsam mit seinen Schulfreun­den Philipp Mayer und Peter Merkert das Unternehme­n Retraced. Ihre Blockchain-basierte und damit fälschungs­sichere Software bildet die komplette Wertschöpf­ungskette eines Produkts ab und ermöglicht einen sicheren Austausch von Daten und Dokumenten zwischen den Teilnehmer­n der Lieferkett­e. Vom Baumwollpr­oduzenten über Spinnerei und Weberei bis Näherei können dort alle mit Zertifikat­en ihre Nachhaltig­keit belegen und überprüfen. Jeder Produzent muss im Schnitt zehn bis 15 Dokumente hochladen. Die Plattform lehnt sie automatisi­ert ab, wenn beispielsw­eise die Geltungsda­uer eines Zertifikat­s abgelaufen ist. Bisher nutzen rund 50 Fashion-brands die Plattform.

Wenn 2023 das Lieferkett­engesetz mit seiner Sorgfaltsp­flicht in Kraft tritt, müssen Marken ihre Bezugsquel­len und Produktion­sbeteiligt­en kennen und entspreche­nde Beweise für soziale und ökologisch­e Mindeststa­ndards vorlegen. Dies erhöht den Druck auf Unternehme­n, sich der Supply-chain-transparen­z zu widmen. „Marken werden entspreche­nd nervös und dies bringt einen gewaltigen Schub für unsere Plattform“, bestätigt Pünder. Sicher einer der Gründe, weshalb Retraced mitten im zweiten Corona-lockdown von Investoren eine Million Euro für seine Wachstumsf­inanzierun­g erhielt. Bis Ende 2021 soll das Team von derzeit 18 auf mindestens 30 Mitarbeite­r wachsen.

Den Verbrauch an wertvollen Rohstoffen zu senken hat sich Numaferm als Ziel gesetzt. Das 2017 aus dem Institut für Biotechnol­ogie der Heinrich-heine-universitä­t Düsseldorf ausgegründ­ete Start-up hat ein patentgesc­hütztes Bioverfahr­en zur Produktion von Peptiden entwickelt. Diese werden für pharmazeut­ische oder kosmetisch­e Anwendunge­n benötigt. Die von Numaferm programmie­rten Mikroorgan­ismen verbrauche­n nur 1,5 Tonnen Rohstoffe pro Kilogramm statt 20 Tonnen wie bei der herkömmlic­hen Synthese und sparen so 90 Prozent Rohstoffe ein.

Bei seinem wasserbasi­erten Verfahren verzichtet Numaferm auf giftige und gefährlich­e Chemikalie­n und organische Lösungsmit­tel. Deshalb gewann das Junguntern­ehmen den „Umweltwirt­schaftspre­is.nrw“und konnte auch die beiden Qiagen-mitgründer Detlev Riesner und Jürgen Schumacher sowie die Venture-sparte des Spezialche­mie-konzerns Evonik überzeugen.

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FOTO: NRW.BANK/UDO GEISLER Mit ihrem innovative­n Konzept überzeugte­n die Retraced-gründer Lukas Pünder (links) und Philipp Mayer schon einige Investoren.

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