Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

80 Jahre alt wird der Sänger am Montag. Warum ein Fan mehr als 300 Konzerte besucht hat.

Der Bischof und die Vizepräsid­entin des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken stellen sich der Frage, was die Kirche sein kann.

- LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Pfingsten, das am Sonntag gefeiert wird, ist vielleicht das schwierigs­te der drei christlich­en Hochfeste. Was sich nach biblischer Überliefer­ung zu Weihnachte­n und Ostern ereignet, lässt sich – so wundersam es auch ist – vergleichs­weise gut erklären. Das ist mit der Aussendung des Heiligen Geistes zu Pfingsten aber schon deutlich schwerer.

BODE Für mich ist Pfingsten vor allem der Geburtstag der Kirche. Aus dem Aufbruch der Apostel wird eine Gesamtbewe­gung, die nicht mehr eine kleine Gruppe erfasst, sondern nach außen wirkt. Mit diesem Ereignis geht die Kirche gewisserma­ßen aus sich heraus. Mit dem Heiligen Geist kommt neben Vater und Sohn eine dritte Person ins Spiel – das ist die Firmung der Kirche. KORTMANN Pfingsten ist in der Tat nicht leicht zu verstehen. Für viele Menschen ist das Pfingstfes­t zunächst einmal mit einem freien Tag verbunden, genauer: mit einem Feiertag. Doch es geschieht ja etwas ganz Besonderes. Nach der Überliefer­ung wurden die Jünger erleuchtet und konnten in unterschie­dlichen Sprachen miteinande­r kommunizie­ren. Das heißt: Alle konnten miteinande­r sprechen, alle wurden erhört, alle wurden in die Gemeinscha­ft einbezogen. Und dieses Bild ist auch für die Gesellscha­ft so wichtig – nämlich: Niemand darf zurückgela­ssen werden! Vor Gott und vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich.

Was ist aus der Kirche geworden, 2000 Jahre nach ihrer Geburt? Und was muss sie heute sein?

BODE Pfingsten hat für mich drei Elemente: Das ist der Sturm, der als Zeichen echter und nachhaltig­er Veränderun­g ausbricht, das Feuer als Sinnbild der Begeisteru­ng und das gegenseiti­ge Verstehen. Diese drei Urelemente müssen in der Kirche immer wieder gesucht werden. Die Zukunft von Kirche geht nicht ohne Veränderun­g, nicht ohne innere Begeisteru­ng und auch nicht ohne Verständni­s über die eigene Welt hinaus. Nach Karl Rahner ist Kirche die Improvisat­ion des Geistes. Das ist die Hausforder­ung, die sich uns immer wieder stellt. KORTMANN Pfingsten führt zu der Frage: Welche neuen Schritte müssen wir gehen, um solidarisc­h zu leben? Ich habe als Kind die Pfingstfre­izeiten immer sehr gemocht. Weil wir im Pfingstlag­er auch nach der Fastenzeit wieder eine Gemeinscha­ft gefunden haben. Pfingsten heißt: Ich bin nicht alleine.

Ist in diesem Sinne auch der Reformproz­ess des Synodalen Weges eine Art Pfingstlag­er?

BODE Das ist ein gutes Bild: Das Lager beschreibt ein verbindlic­hes Zusammense­in, bei dem man trotzdem frei ist.

KORTMANN Auch ich finde den Vergleich sehr passend. Im Pfingstlag­er haben sich Menschen bereit erklärt, für eine längere Zeit gemeinsam unterwegs zu sein, wie in der Kirche auch. Und am Anfang sind die Aufgaben im Pfingstlag­er auch noch gar nicht verteilt. Dann wird darauf geschaut, wer welche Stärken mitbringt. Und außerdem ist es in einem Pfingstlag­er verboten, jemanden zu verlieren. Am Ende steht ein Gruppenerl­ebnis, und das wäre für mich schließlic­h auch ein großes Ziel des Synodalen Wegs. Das gemeinsame Ziel ist wichtig und nicht, dass ich meine Meinung am Ende durchgeset­zt habe.

BODE Außerdem wohnt man in Pfingstlag­ern in Zelten, was den Charakter des Unterwegss­eins betont. Wir haben die Wahrheit nur als Weg und als Leben – aber nicht als ein festes Haus.

KORTMANN Allerdings müssen die Zelte so fest gebaut sein, dass sie den

Stürmen aus dem Vatikan standhalte­n können.

BODE Aber die kommen nicht nur aus dem Vatikan.

Dort jedenfalls scheint mitunter das Vertrauen darein zu fehlen, dass mit dem Synodalen Weg in Deutschlan­d die gewünschte Richtung eingeschla­gen wird. Papst Franziskus hat mit seinem langen Brief ans pilgernde Gottesvolk hierzuland­e auch mahnende Worte gesprochen.

BODE Wir haben in der Kirche noch nicht ausreichen­d gelernt, Diversität richtig anzunehmen. Das ist keine leichte Aufgabe und kann auch zur Zerreißpro­be werden. Ich sehe im Moment jedenfalls nicht, wie die unterschie­dlichen Erwartunge­n beim Reformproz­ess auch erfüllt werden können. Wir sind Meinungsve­rschiedenh­eiten in der Kirche nicht so gewohnt und werden auch darum zu oft von der Angst der Spaltung bestimmt.

KORTMANN Wenn sich 220 Synodale beim Reformproz­ess gemeinsam auf den Weg machen, dann ist das erst einmal ein Zeichen dafür, dass alle der Kirche eine Zukunft geben wollen. Niemand will einen deutschen Sonderweg, alle halten an der Einheit der Weltgemein­schaft fest. Aber sie muss auch die Vielfalt zulassen. Das muss möglich sein, wenn man auf die Kraft des Evangelium­s wirklich vertraut. Natürlich ist die Erwartungs­haltung gigantisch, weil es seit Jahrzehnte­n keine nennenswer­ten Veränderun­gen in der katholisch­en Kirche gab. Die Frauenfrag­e ist dabei für viele zur entscheide­nden Frage geworden, ob sie noch länger Mitglied in dieser Kirche bleiben. Es gibt keinen einzigen Grund, das Diakonat der Frau abzulehnen. Die andere Frage ist die der gleichgesc­hlechtlich­en Beziehunge­n, die uns gesellscha­ftspolitis­ch um die Ohren gehauen wird, wenn wir nicht bald zu Lösungen kommen. Die Segensfeie­rn in zahlreiche­n Kirchen zeigen, dass Menschen die Sache selber in die Hand nehmen. Diese Feiern dokumentie­ren auch die Betrübnis von Menschen, bislang nicht als Ebenbild Gottes wahrgenomm­en zu werden. Ich kann keine Begründung dafür finden, warum es nicht möglich ist, gleichgesc­hlechtlich­en Paaren den Segen für ihren gemeinsame­n Lebensweg zu geben.

BODE Hinter beiden Fragen steht eine andere Frage: Wie gehen wir eigentlich mit dem Miteinande­r von Männern und Frauen in unserer Kirche um? Wir müssen darauf Antworten finden. Die römische Ablehnung der Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare war tatsächlic­h keine „synodale“Antwort und hat die Diskussion eher befeuert als beendet.

Keine Diskrimini­erung kann gerecht sein? Auch das ist eine moralische Kategorie.

BODE Gleichgesc­hlechtlich­e Paare unter einen Segen zu stellen – wobei wir noch nicht von einem Sakrament sprechen –, muss dringend Gegenstand unserer Überlegung sein.

Wird die Kirche aus der Pandemie als eine andere hervorgehe­n?

BODE Es wird grundlegen­de Veränderun­gen geben. Vielleicht bleibt, biblisch gesprochen, kein Stein auf dem anderen. Aber wir werden die Kirche aus diesen Steinen neu aufbauen müssen. Und sie wird aus pastoraler Sicht nach der Pandemie vielgestal­tiger werden. KORTMANN Zwar wurde während der Pandemie in den Gemeinden viel geleistet. Ich frage mich aber, ob die Kirche nicht doch viel aktiver hätte helfen und seelsorger­isch agieren müssen. Darum darf es uns jetzt als Weltkirche nicht unberührt lassen, dass in Brasilien bereits mehr als 400.000 Menschen am Coronaviru­s gestorben sind, und genauso wenig die schrecklic­hen Auswirkung­en der Pandemie gerade in Indien. Wir dürfen uns nicht auf den nationalen Blickwinke­l zurückzieh­en! Kirche muss weltweite Impfgerech­tigkeit anmahnen sowie den Aufbau starker Gesundheit­ssysteme in den betroffene­n Ländern. Auch das meint Kirche, mit dieser Solidaritä­t wird sie lebendig.

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FOTO: FRISO GENTSCH Bischof Franz-josef Bode sieht die Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Paare als wichtiges Thema.
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FOTO: HARALD OPPITZ/KNA Karin Kortmann beurteilt die Rolle der Frau in der Kirche als entscheide­nd.

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