Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Gute Steuern, schlechte Steuern
Joe Biden will die Sätze erhöhen – und die Aktienkurse steigen. Aus gutem Grund.
Wer zahlt schon gern Steuern? Niemand. Nun macht die neue Us-regierung Schlagzeilen mit Plänen für Steuererhöhungen. Solche, heißt es oft, seien Gift für die Börse. Doch diesmal steigen die Kurse weiter. Obwohl Anleger als Steuerzahler meist davon überzeugt sind, sie selbst könnten der Wirtschaft mit dem Geld besser helfen als der Staat. Trotzdem reagieren die Börsen diesmal anders – warum?
Gleich vier Gründe spielen eine Rolle: Erstens kommen die amerikanischen Steuerpläne keineswegs überraschend; Präsident Biden hatte sie schon als Kandidat in seinem Wahlprogramm angekündigt. Bekannte Fakten lassen Kurse aber stets kalt. Zusätzlich hilft, dass eine über alle Grenzen anerkannte Expertin wie
Janet Yellen, ehemals Chefin der Notenbank, die Pläne umsetzt. Zweitens ist der Börse bewusst, dass die Weltkonjunktur ohnehin mit Vollgas fährt. Gleichzeitig ist in vielen Ländern die Verschuldung bereits hoch – da würde eine Finanzierung weiterer Ausgaben über neue Verbindlichkeiten statt höherer Steuern eine Überhitzung riskieren. Drittens hat die Pandemie in vielen Ländern die bestehende wirtschaftliche Ungleichheit weiter verschärft. Die meisten Ökonomen gehen aber davon aus, dass allzu große Schieflagen das Wachstum bremsen. Wenn höhere Steuern sozialen Frieden und innere Sicherheit fördern, profitiert auch die Wirtschaft. Hinzu kommt, viertens, dass einige Staatsausgaben durchaus sehr produktiv sein können. Gute Bildung und Infrastruktur sowie eine saubere Umwelt zählen dazu – die Gebiete, die die neue Us-regierung in den Mittelpunkt ihrer Pläne stellt.
Auch mehrere gute Gründe geben Staaten aber keinen Freifahrtschein für Steuerpläne. Anleger werden genau beobachten, wie sich veränderte Abgaben auf die Gewinnprognosen auswirken. Denn auch die besten Absichten können nicht verhindern, dass der Steuer-schmerz lange vor dem Nutzen der Ausgabenprogramme einsetzt. Die beste Zeit an den Börsen neigt sich damit dem Ende zu.
Unser Autor leitet die Vermögensabteilung von HSBC Deutschland in Düsseldorf. Er wechselt sich hier mit den beiden Wirtschaftsprofessoren Ulrike Neyer und Justus Haucap ab.