Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wenn drei sich streiten...
Das gab’s noch nie im deutschen Fernsehen: Drei Kandidaten fürs Kanzleramt treffen im TV aufeinander. Das heißt dann nicht mehr Duell, sondern Triell. Ein Erklärungsversuch.
An diesem Donnerstag durften wir unseren Augen ruhig trauen. Im WDR traten tatsächlich drei absolute Polit-promis zum Fernsehduell an. Drei? Im Duell? Nein, wir schielen nicht. Das machten vielmehr Annalena Baerbock (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) – und zwar aufs Kanzleramt. Dass zur Bundestagswahl mehr als zwei Spitzenkandidaten in den Ring steigen, sind wir partout nicht gewohnt. Aber heuer hat sich eben ein Trio in Stellung gebracht.
Das sprengt den Rahmen fürs vertraute Tv-duell und sorgt für eine Premiere. Bei Wortgefechten unter dreien müssen wir uns allerdings an einen neuen Begriff gewöhnen: das Triell. Vorübergehend zumindest, denn schließlich findet ein solches seine Fortsetzung Ende August bei RTL, zu einem weiteren laden die Öffentlich-rechtlichen Mitte September ein.
Bei dieser Variante des Duells kämpfen demnach nicht etwa zwei gegen einen, sondern immer jeder gegen jeden. Ob sich tatsächlich jemals drei Triellanten mit scharfer Munition im Morgengrauen auf einer Waldlichtung eingefunden haben, ist nicht bekannt. Beim Triell handelt es sich vielmehr in erster Linie um ein mathematisches Rätsel, dem der amerikanische Wissenschaftsjournalist Martin Gardner im Jahr 1959 in interessierten Kreisen zu einiger Bekanntheit verholfen hatte.
Und das geht so: Drei Teilnehmer schießen nacheinander aufeinander, bis nur noch einer lebt. Da nicht alle gleichermaßen gut schießen, wird dem schlechtesten Schützen der erste Schuss gewährt. Dann folgt der zweitbeste (falls der noch lebt) und schließlich der beste (falls der noch lebt). Und so weiter. Die Preisfrage lautet: Wer schießt wohin, um seine Überlebenschance optimal zu nutzen? Dazu wurde in der Vergangenheit eine Reihe von wissenschaftlichen Lösungsansätzen publiziert, die ebenso komplex wie überraschend sind und die nachzuvollziehen erheblich länger dauern dürfte, als an diesem Tag das Ergebnis der Verbalattacken von Baerbock, Scholz und Laschet zu analysieren.
Unsereiner kennt ja eine wesentlich einfachere Regel, wie so ein Triell in Wahrheit funktioniert: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Die Spannung hielt sich bei dieser Super-premiere auch deshalb ziemlich in Grenzen. Zumal uns beim Thema politischer Wettstreit noch ein weiterer Spruch einfällt, der ebenfalls uralt ist: Die Wahlversprechen von heute sind die Steuern von morgen. Aber wenigstens unseren Augen dürfen wir heute Abend trauen.