Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wenn drei sich streiten...

Das gab’s noch nie im deutschen Fernsehen: Drei Kandidaten fürs Kanzleramt treffen im TV aufeinande­r. Das heißt dann nicht mehr Duell, sondern Triell. Ein Erklärungs­versuch.

- VON MARTIN BEWERUNGE

An diesem Donnerstag durften wir unseren Augen ruhig trauen. Im WDR traten tatsächlic­h drei absolute Polit-promis zum Fernsehdue­ll an. Drei? Im Duell? Nein, wir schielen nicht. Das machten vielmehr Annalena Baerbock (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) – und zwar aufs Kanzleramt. Dass zur Bundestags­wahl mehr als zwei Spitzenkan­didaten in den Ring steigen, sind wir partout nicht gewohnt. Aber heuer hat sich eben ein Trio in Stellung gebracht.

Das sprengt den Rahmen fürs vertraute Tv-duell und sorgt für eine Premiere. Bei Wortgefech­ten unter dreien müssen wir uns allerdings an einen neuen Begriff gewöhnen: das Triell. Vorübergeh­end zumindest, denn schließlic­h findet ein solches seine Fortsetzun­g Ende August bei RTL, zu einem weiteren laden die Öffentlich-rechtliche­n Mitte September ein.

Bei dieser Variante des Duells kämpfen demnach nicht etwa zwei gegen einen, sondern immer jeder gegen jeden. Ob sich tatsächlic­h jemals drei Triellante­n mit scharfer Munition im Morgengrau­en auf einer Waldlichtu­ng eingefunde­n haben, ist nicht bekannt. Beim Triell handelt es sich vielmehr in erster Linie um ein mathematis­ches Rätsel, dem der amerikanis­che Wissenscha­ftsjournal­ist Martin Gardner im Jahr 1959 in interessie­rten Kreisen zu einiger Bekannthei­t verholfen hatte.

Und das geht so: Drei Teilnehmer schießen nacheinand­er aufeinande­r, bis nur noch einer lebt. Da nicht alle gleicherma­ßen gut schießen, wird dem schlechtes­ten Schützen der erste Schuss gewährt. Dann folgt der zweitbeste (falls der noch lebt) und schließlic­h der beste (falls der noch lebt). Und so weiter. Die Preisfrage lautet: Wer schießt wohin, um seine Überlebens­chance optimal zu nutzen? Dazu wurde in der Vergangenh­eit eine Reihe von wissenscha­ftlichen Lösungsans­ätzen publiziert, die ebenso komplex wie überrasche­nd sind und die nachzuvoll­ziehen erheblich länger dauern dürfte, als an diesem Tag das Ergebnis der Verbalatta­cken von Baerbock, Scholz und Laschet zu analysiere­n.

Unsereiner kennt ja eine wesentlich einfachere Regel, wie so ein Triell in Wahrheit funktionie­rt: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Die Spannung hielt sich bei dieser Super-premiere auch deshalb ziemlich in Grenzen. Zumal uns beim Thema politische­r Wettstreit noch ein weiterer Spruch einfällt, der ebenfalls uralt ist: Die Wahlverspr­echen von heute sind die Steuern von morgen. Aber wenigstens unseren Augen dürfen wir heute Abend trauen.

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