Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Duell zu dritt
Statt eines Duells am Abend liefern sich die drei Kanzlerkandidaten bereits am Mittag ein Triell. Die Premiere ließ viel Luft nach oben.
Zum ersten Mal haben sich die beiden Kanzlerkandidaten und die Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grunen zur fernsehdebatte getroffen. Das Format ist ausbaufahig, und mit der Wortschopfung Triell mussen wir jetzt Leben.
BERLIN Zwei gegen einen, sagt das Bild. Wdr-moderatorin Ellen Ehni ist bei diesem live übertragenen „Europaforum“nur mit Annalena Baerbock und Olaf Scholz im Berliner Studio, Armin Laschet ist aus Düsseldorf zugeschaltet. Das ist schon optisch problematisch. Sein Kopf ist größer als die Köpfe der anderen, er kommt mit Zwischenbemerkungen nicht so leicht durch, transportiert dafür jedoch die Botschaft von Modernität mit Düsseldorfer Hafen-skyline im Hintergrund, während die beiden Konkurrenten nur die Studiokulisse zu bieten haben.
Zwei gegen eine, sagt aber auch die Attacken-bilanz. Scholz sagt nichts gegen Laschet, Laschet unterstreicht die Sicht von Vizekanzler Scholz. Aber beide widersprechen Baerbock – bei nahezu jedem Thema. Gleich beim ersten Punkt, dem Zwei-prozent-ziel der Nato, fährt Laschet der Grünen in die Parade: „Ich verstehe nicht, warum man, wenn man Bundeskanzler werden will, so offen sagt: Ich halte mich nicht mehr an das, was die Vorgängerregierungen im Bündnis zugesagt haben – das ist ein absoluter Alleingang.“Gerade hat Scholz die Aufwärtsbewegung bei den Verteidigungsausgaben Deutschlands beschrieben und die Möglichkeit angesprochen, dass der Anteil am Bruttosozialprodukt bei brummender Wirtschaft trotzdem sinken könne, da ist auch schon Baerbock dazwischengegrätscht: „Das zeigt ja, wie absurd dieses Ziel ist.“Es ist ab sofort Offensive angesagt.
Das gilt vor allem für Schwarz und Grün, die beiden Vertreter der Parteien mit den höheren Umfragewerten. Scholz ist da dezenter. Aber auch er hält sich nicht mehr zurück. Er mischt sich beim Thema der nuklearen Abrüstung und der Sicherheit in Europa im Zusammenhang mit dem russischen Pipeline-projekt ein. Dabei wendet er sich direkt gegen Baerbocks Vorschlag, die amerikanischen Atomwaffen auf deutschem Boden als deutschen Beitrag zur Abrüstung einzubringen, und gegen ihre Behauptung, bei der Pipeline stehe Deutschland alleine. Und stellt dann fest: „Das erweckt einen falschen Eindruck.“Sofort ruft Baerbock dazwischen: „Das tue ich nicht.“Doch ruhig erklärt Scholz die Zusammenhänge der Sicherheitspolitik zum Schutz der Ukraine. Auch Laschet meldet sich aus Düsseldorf und hält Baerbock vor: „Das stimmt nicht, und das wissen Sie auch!“
Schon zu Beginn des gut einstündigen Triells sind die unterschiedlichen Persönlichkeiten deutlich geworden. Was sie an Europa nerve, will Ehni von den Kandidaten wissen. Als engagierter Europäer hat Laschet damit hörbar Probleme, beginnt mit einem „Puuh“und flüchtet sich in die Beschreibung jener „Mechanismen“, in denen Europa immer verantwortlich für das gemacht werde, was schieflaufe, auch wenn es an den nationalen
Regierungen liege – und fügt dann noch schnell „eine detailversessene Bürokratie“hinzu. Scholz nervt, dass alles so lange dauert, er skizziert den vierjährigen Anlauf für ein Gesetz zum europäischen Stabilitätsmechanismus. Baerbock sagt nur zwei Worte: „Das Einstimmigkeitsprinzip.“Punkt.
Im Habitus ist Scholz der Abgeklärteste. Er verweist mit Formulierungen wie „Ich habe dafür gesorgt, dass“auf seine Regierungserfahrung und gibt zu Protokoll, dass es „keine private Außenpolitik“gebe und er dies „als Kanzler nicht dulden“werde. Laschet hat kleinere Probleme mit der Moderation („Das ist ja albern“) und dem Format und zieht wiederholt Festlegungen Baerbocks in Zweifel. Diese wiederum tut Ehni den Gefallen, sich beim Klimaschutz auch mit Verboten zu positionieren: Ab 2030 will sie keine fossilen Verbrennungsmotoren mehr zulassen, keine Ölheizungen mehr im Keller dulden und von Reisen innerhalb Deutschlands mit dem Flugzeug „wegkommen“, die man auch mit der Bahn machen könnte.
Die Strategen werden nach der Triell-premiere zu analysieren haben, ob das Zwei-gegen-eine-format die Kompetenzen der einen in Frage stellt oder sie als Person vielmehr wichtiger erscheinen lässt. Und die Moderation wird für die künftigen Trielle deutlicher die Chancengleichheit gewichten müssen. Ehni widerspricht zwar an einer Stelle Baerbock deutlich, doch gegen Ende der Sendung gibt sie ihr in Minute 49 daswort zum Klima und ihrem Konzept für die soziale ökologische Marktwirtschaft, fragt mehrmals nach, wechselt zum Thema Migration und lässt Baerbock in Minute 57 immer noch reden.
Erst nach neunminuten ist wieder einer der Männer dran. Es ist Laschet, der zusammenfassend zur Seenotrettung feststellt, „nicht erkannt“zu haben, was Baerbock anders machen wolle.
„Puuh!“Armin Laschet erste Reaktion des Cdu-kanzlerkandidaten auf die Frage, was ihn an Europa nervt