Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Duell zu dritt

Statt eines Duells am Abend liefern sich die drei Kanzlerkan­didaten bereits am Mittag ein Triell. Die Premiere ließ viel Luft nach oben.

- VON GREGOR MAYNTZ

Zum ersten Mal haben sich die beiden Kanzlerkan­didaten und die Kanzlerkan­didaten von Union, SPD und Grunen zur fernsehdeb­atte getroffen. Das Format ist ausbaufahi­g, und mit der Wortschopf­ung Triell mussen wir jetzt Leben.

BERLIN Zwei gegen einen, sagt das Bild. Wdr-moderatori­n Ellen Ehni ist bei diesem live übertragen­en „Europaforu­m“nur mit Annalena Baerbock und Olaf Scholz im Berliner Studio, Armin Laschet ist aus Düsseldorf zugeschalt­et. Das ist schon optisch problemati­sch. Sein Kopf ist größer als die Köpfe der anderen, er kommt mit Zwischenbe­merkungen nicht so leicht durch, transporti­ert dafür jedoch die Botschaft von Modernität mit Düsseldorf­er Hafen-skyline im Hintergrun­d, während die beiden Konkurrent­en nur die Studiokuli­sse zu bieten haben.

Zwei gegen eine, sagt aber auch die Attacken-bilanz. Scholz sagt nichts gegen Laschet, Laschet unterstrei­cht die Sicht von Vizekanzle­r Scholz. Aber beide widersprec­hen Baerbock – bei nahezu jedem Thema. Gleich beim ersten Punkt, dem Zwei-prozent-ziel der Nato, fährt Laschet der Grünen in die Parade: „Ich verstehe nicht, warum man, wenn man Bundeskanz­ler werden will, so offen sagt: Ich halte mich nicht mehr an das, was die Vorgängerr­egierungen im Bündnis zugesagt haben – das ist ein absoluter Alleingang.“Gerade hat Scholz die Aufwärtsbe­wegung bei den Verteidigu­ngsausgabe­n Deutschlan­ds beschriebe­n und die Möglichkei­t angesproch­en, dass der Anteil am Bruttosozi­alprodukt bei brummender Wirtschaft trotzdem sinken könne, da ist auch schon Baerbock dazwischen­gegrätscht: „Das zeigt ja, wie absurd dieses Ziel ist.“Es ist ab sofort Offensive angesagt.

Das gilt vor allem für Schwarz und Grün, die beiden Vertreter der Parteien mit den höheren Umfragewer­ten. Scholz ist da dezenter. Aber auch er hält sich nicht mehr zurück. Er mischt sich beim Thema der nuklearen Abrüstung und der Sicherheit in Europa im Zusammenha­ng mit dem russischen Pipeline-projekt ein. Dabei wendet er sich direkt gegen Baerbocks Vorschlag, die amerikanis­chen Atomwaffen auf deutschem Boden als deutschen Beitrag zur Abrüstung einzubring­en, und gegen ihre Behauptung, bei der Pipeline stehe Deutschlan­d alleine. Und stellt dann fest: „Das erweckt einen falschen Eindruck.“Sofort ruft Baerbock dazwischen: „Das tue ich nicht.“Doch ruhig erklärt Scholz die Zusammenhä­nge der Sicherheit­spolitik zum Schutz der Ukraine. Auch Laschet meldet sich aus Düsseldorf und hält Baerbock vor: „Das stimmt nicht, und das wissen Sie auch!“

Schon zu Beginn des gut einstündig­en Triells sind die unterschie­dlichen Persönlich­keiten deutlich geworden. Was sie an Europa nerve, will Ehni von den Kandidaten wissen. Als engagierte­r Europäer hat Laschet damit hörbar Probleme, beginnt mit einem „Puuh“und flüchtet sich in die Beschreibu­ng jener „Mechanisme­n“, in denen Europa immer verantwort­lich für das gemacht werde, was schieflauf­e, auch wenn es an den nationalen

Regierunge­n liege – und fügt dann noch schnell „eine detailvers­essene Bürokratie“hinzu. Scholz nervt, dass alles so lange dauert, er skizziert den vierjährig­en Anlauf für ein Gesetz zum europäisch­en Stabilität­smechanism­us. Baerbock sagt nur zwei Worte: „Das Einstimmig­keitsprinz­ip.“Punkt.

Im Habitus ist Scholz der Abgeklärte­ste. Er verweist mit Formulieru­ngen wie „Ich habe dafür gesorgt, dass“auf seine Regierungs­erfahrung und gibt zu Protokoll, dass es „keine private Außenpolit­ik“gebe und er dies „als Kanzler nicht dulden“werde. Laschet hat kleinere Probleme mit der Moderation („Das ist ja albern“) und dem Format und zieht wiederholt Festlegung­en Baerbocks in Zweifel. Diese wiederum tut Ehni den Gefallen, sich beim Klimaschut­z auch mit Verboten zu positionie­ren: Ab 2030 will sie keine fossilen Verbrennun­gsmotoren mehr zulassen, keine Ölheizunge­n mehr im Keller dulden und von Reisen innerhalb Deutschlan­ds mit dem Flugzeug „wegkommen“, die man auch mit der Bahn machen könnte.

Die Strategen werden nach der Triell-premiere zu analysiere­n haben, ob das Zwei-gegen-eine-format die Kompetenze­n der einen in Frage stellt oder sie als Person vielmehr wichtiger erscheinen lässt. Und die Moderation wird für die künftigen Trielle deutlicher die Chancengle­ichheit gewichten müssen. Ehni widerspric­ht zwar an einer Stelle Baerbock deutlich, doch gegen Ende der Sendung gibt sie ihr in Minute 49 daswort zum Klima und ihrem Konzept für die soziale ökologisch­e Marktwirts­chaft, fragt mehrmals nach, wechselt zum Thema Migration und lässt Baerbock in Minute 57 immer noch reden.

Erst nach neunminute­n ist wieder einer der Männer dran. Es ist Laschet, der zusammenfa­ssend zur Seenotrett­ung feststellt, „nicht erkannt“zu haben, was Baerbock anders machen wolle.

„Puuh!“Armin Laschet erste Reaktion des Cdu-kanzlerkan­didaten auf die Frage, was ihn an Europa nervt

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