Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Das ist staatliche Piraterie“
des Fluges von Athen nach Vilnius über eine angebliche Bombendrohung gegen die Maschine, als sie sich in belarussischem Luftraum befand.
Eine Umleitung nach Minsk wurde angeordnet, ein belarussischer Kampfjet eskortierte das Flugzeug zur Hauptstadt. Kurz nach der Landung wurden der Dissident Protassewitsch und dessen russische Freundin abgeführt.
Erst einen Tag nach der international verurteilten Aktion haben die belarussischen Behörden die Festnahme des Bloggers Roman Protassewitsch bestätigt. Er sei in Untersuchungshaft genommen worden, teilte das Innenministerium am Montagabend im Nachrichtenkanal Telegram mit. Zugleich wies das Innenministerium Berichte in sozialen Netzwerken zurück, wonach der Journalist im Krankenhaus liege. Der Haftanstalt lägen keine Informationen über gesundheitliche Beschwerden vor.
Mehr als 24 Stunden hatte die autoritäre Führung des Landes keine Angaben zum Verbleib des Oppositionsaktivisten gemacht. Zunächst bestätigten mehrere Passagiere des Ryanair-flugs Medien in Litauen nach ihrer Landung die Festnahme des 26-Jährigen. Protassewitsch, der in seiner Heimat unter anderem wegen Anstiftung zu Protesten gegen Lukaschenko zur Fahndung ausgeschrieben war, hatte im Exil in Litauen gelebt. Ihm drohen in Belarus viele Jahre Haft.
„Wir sind sehr besorgt um unseren Sohn“, sagte sein Vater Dmitri Protassewitsch dem Senders Radio Swoboda: „Leider wissen wir nicht, wo er ist und was mit ihm ist. Wir hoffen auf das Beste.“Protassewitsch war seinem Vater zufolge auf der Rückreise von einem Griechenland-urlaub in die litauische Hauptstadt Vilnius gewesen, als Lukaschenko das Flugzeug zur Landung zwingen ließ. Dmitri Protassewitsch sprach von einem „Terrorakt“. „Die Operation hatte ein großes Ausmaß, um auf die gesamte internationale Gemeinschaft zu spucken und auf deren Meinung“, sagte Protassewitsch.
An Bord der betroffenen Ryanair-maschine waren nach Ansicht von Unternehmenschef Michael O’leary auch Agenten des belarussischen Geheimdienstes KGB. „Es wirkt, dass es die Absicht der Behörden war, einen Journalisten und seine Reisebegleiterin (aus dem Flugzeug) zu entfernen“, sagte der Chef der irischen Billigfluglinie am Montag dem irischen Radiosender Newstalk. „Wir vermuten, dass auch einige Kgb-agenten am Flughafen (in Minsk) abgeladen wurden.“O’leary sagte, es handle sich um einen „Fall von staatlich unterstützter Entführung, (...) staatlich unterstützter Piraterie“.
Der Ryanair-chef lobte die Besatzung für ihren „phänomenalen Job“. Der Vorfall sei „sehr beängstigend“gewesen, für Personal und Passagiere, die stundenlang von Bewaffneten festgehalten worden seien. Es waren mehr als 100 Menschen betroffen. Der irische Außenminister Simon Coveney forderte die EU zu einer „sehr deutlichen Antwort“auf.
Belarus zeigte sich indes offen für eine internationale Untersuchung des Vorfalls. „Ich bin sicher, dass wir in dieser Angelegenheit in der Lage sind, volle Transparenz zu gewährleisten“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Anatoli Glas, in der Hauptstadt Minsk. Wenn nötig, sei Belarus auch bereit, „Experten zu empfangen“und Informationen offenzulegen, um Unterstellungen zu vermeiden. Beobachter sehen darin den Versuch Minsks, das weitgehend isolierte Land international wieder ins Gespräch zu bringen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte die die erzwungene Landung scharf. Der Fall klinge nach einer Hollywood-idee, sei aber keine. „Die Realität dieses offensichtlichen Aktes der Luftpiraterie ist erschreckend“, sagte Marie Struthers, Osteuropa-expertin der Menschenrechtsorganisation. Protassewitsch müsse umgehend in ein Land seiner Wahl ausreisen dürfen.
Die deutsche Fluggesellschaft Lufthansa wird den Luftraum des osteuropäischen Landes zunächst meiden. „Aufgrund der aktuell dynamischen Lage setzen wir die Operation im weißrussischen Luftraum vorerst aus“, teilte die Airline am Montagabend mit.